almis personal blog

Dare to dream – vorm Semifinale

Langsam aber sicher nähern wir uns den Semifinali des heurigen ESC und die Proben haben bereits begonnen.

Das ist recht spannend, weil sich die Frage stellt: wie werden die Künstler ihre Songs inszenieren? Wie sind ihre stimmlichen Qualitäten auf der großen Bühne und live? Wer wird sich gegenüber den Videos steigern, wer wird möglicherweise enttäuschen?

Nach den ersten Probetagen kann man sagen, dass insbesondere Malta und Aserbaidschan sehr positiv aufgefallen sind. Für mich persönlich ist Chingiz mit Truth sowieso der Co-Favorit neben Italien, ich mag den Song sehr gern und jetzt ist er auch den Wettquoten aufgestiegen. Micaelas Song Chameleon gefällt mir auch nicht so schlecht, obwohl Refrain und Strophe nicht zweifelsfrei zu unterscheiden sind. Sie ist live sehr stark und überzeugend rübergekommen. In den ersten Rehearsals haben mich auch die Slowenen Gaspar Santl (bitte sich die Haceks dazu zu denken) und Zala Krajl mit Sebi überzeugt, obwohl das Lied extrem zurückhaltend und ruhig ist. Aber die beiden haben eine enorme Ausstrahlung finde ich.

Underwhelmed war ich vor allem von Zypern, obwohl Tamta mit Replay, eigentlich zum erweiterten Favoritenkreis zählt. Aber Replay ist wohl eher ein Radiosong. Ähnliches gilt für Luca Hänni und She got me. Auf der Bühne noch nicht hundertprozentig dort, wo er sein sollte.

Und Paenda? Kam nicht so schlecht an, ihre Wettquoten hat das aber nicht übermäßig nach oben gepusht. Das letzte Mal, als ich geschaut hab, waren wir auf Platz 34. Im TV Media schrieb ein Journalist, der Song Limits wäre wie Sex ohne Orgasmus. Ich fühle mich außerstande, das wie auch immer zu kommentieren… (aber gelacht hab ich, ich gebs zu).

Dare to dream – San Marino

San Marino tritt erst seit 2008 beim ESC an, aber das ist eine verwirrende Aussage – San Marino versucht seit 2008 beim ESC anzutreten. Tatsächlich ist es ihnen erst einmal, nämlich 2014 gelungen, sich ins Finale zu singen und das mit einem Beitrag von ESC Urgestein Ralph Siegel. Mehr als Platz 24 (von 26) schaute dabei aber auch nicht heraus.

Heuer versuchen sie es mit Serhat und dessen Titel Say Na Na Na. Der Text ist etwas verstörend. Serhat verspricht, allen niedergeschlagenen und frustrierten Zeitgenossen so etwas wie die Erlösung, wenn sie nur mit ihm sprechen – “Don’t forget my number”. Sein Erfolgsrezept ist so einfach wie verstörend: “Say Na Na Na.”

Extrem empathisch kommt er jetzt nicht rüber, wenn er singt: “Who cares that you’re out of love? It happens every day.” Na schönen Dank auch lieber Serhat. Jetzt fühlen sich alle sicher besser. Harhar.

Ich bin sehr gespannt, ob dieser guilty pleasure artige Beitrag mit dem gewissen enervierenden Ohrwurm-Faktor es ins Finale schafft.

Dare to dream – Zypern

Das spektakulärste an Zypern beim Song Contest – mit Abstand – war der zweite Platz im letzten Jahr durch Eleni Foureira mit Fuego.

Letztes Jahr haben sich ja – wenn man so will – auch ein bisschen die Frauenbilder duelliert, zumindest oberflächlich betrachtet. Die rotzige Netta mit Toy, die es den (unmöglichen) Männern mal so richtig reingesagt hat und andererseits Frau Foureira, die ein bisschen auf Sexbombe machte. Ich fand ja beide Songs, so unterschiedlich sie auch sind, gut. Weil Fuego auch mehr ist als nur ein x-beliebiger Euro-Trash, mit Lyrics, die durchaus etwas sophisticated waren, da war sogar von “Hidden agenda” die Rede.

Auch heuer hat Zypern eine interessante Sängerin, wenn auch mit ganz anderer Aura, Tamta heißt sie, und sie ist in Griechenland bereits ein Star. Sie hat eine androgyne Attitude und ihr Video zu Replay erinnert ein bisschen an Lady Gaga. Das ist alles sehr unterkühlt und fancy – ich mag es durchaus, auch wenn es mich nicht ganz so begeistert wie Fuego.

Ich denke aber man kann diesem Titel heuer viel zutrauen. Neben den heuer zahlreichen männlichen Favoriten, vielleicht die Nummer eins bei den Interpretinnen.

Wochenend-Start

Am Freitag Abend geh ich meistens aus, diese Woche war ich aber zuhause und habe nach laaanger Zeit wieder mal Dancing Stars gesehen. Ich glaub, die Show hab ich zum letzten Mal gesehen, da hatte ich noch gar kein Kind. Also so 2005 oder 2006.

Viel geändert hat sich eigentlich nicht. Es gibt das sehr ehrgeizige Streber Paar, das super performt, aber etwas verkniffen ist, ein tolles Co-Favoriten Paar, das vielleicht nicht ganz so gut ist, dafür gemütlicher; es gibt ein paar Mitläufer, bei denen man nachdenken muss, wer der Profitänzer und wer der Promi ist – natürlich bevor sie zu tanzen beginnen, versteht sich; und den einen oder anderen, der gar nicht tanzen kann, vom Publikum aber dank Sympathie von Runde zu Runde weitergetragen wird. In dieser Staffel ist das eindeutig Stefan Petzner. Dazwischen Karina Sarkissova, die so begeistert im Mittelpunkt steht, wie ich nicht im Mittelpunkt stehe, Balaz Eker, dem eh kaum etwas gefällt und Interviews von Miriam Weichselbraun und Klaus Eberhartinger. Eh ganz kurzweilig, wenn man nebenbei bügelt und bisschen zusammenräumen will.

Der Showact war diesmal Paenda mit Limits und das Kind kam da grad ins Zimmer und meinte nur “Uahhhhhh” und verließ das Zimmer wieder. Ich war gespannt, wie sie den Song live performt und muss sagen, auch live hat mich der Song nicht überzeugt, es tut mir echt leid. Ich will echt, aber es klappt nicht.

Am nächsten Morgen gabs dann auf Twitter die Diskussion von Menschen, die von Paenda überzeugt sind, und den anderen. Und die Fans meinten, ob es überhaupt einen ESC Song für Österreich gegeben hat, bei dem man sich vorher gedacht hat, dass der gute Chancen hat. Mir ist dazu Nur ein Lied von Thomas Forstner eingefallen, und so schnulzig das auch war, ich habs geliebt. Und Forstner wurde damit 1989 ja immerhin 5. Die beste Platzierung Österreichs seit 1976 (Waterloo und Robinson) und dann wieder bis 2003 (Alf Poier wurde 6.)

Dare to dream – Portugal

Die Erfolgsgeschichte von Portugal beim ESC ist enden wollend. Um es kurz zu machen: Abgesehen vom Sieg Salvador Sobral gibts da eigentlich nichts berichtenswertes. Keine Top 5 Platzierung weit und breit, meistens (hinteres) Mittelfeld.

An Sobral erinnert man sich dafür sehr gut. Zum einen wegen seines fragilen Gesundheitszustandes – er hatte einige Monate nach seinem ESC Sieg eine Herztransplantation – zum anderen, weil er mit Amar pelos dois ein “unmögliches” Lied gesungen hat: in der (etwas sperrigen) Landessprache, ohne erkennbaren Refrain, sehr ruhig und den kommerziellen Hörergewohnheiten zuwiderlaufend, mit einer sehr melancholischen Botschaft a la “Komm zurück, ich kann für uns beide lieben”. Null Stage-Hokuspokus. Radiotauglich war das nicht, dafür war es wunderschön auf der Bühne anzusehen.

Heuer tritt Portugal wieder mit einem sehr eigenwilligen Song an, wie immer in der Landessprache, und Telemoveis von Conan Osiris ist Avantgarde pur und wird sich einem breiteren Publikum vielleicht schwer erschließen. Im Gegensatz zu Sobral ist es auch keine Liebesballade, sondern mehr ein gesellschaftlicher Befund über Medienkonsum, also insgesamt schon alles etwas schwerverdaulich.

Marco Schreuder meinte im Merci Cherie Podcast: “Das ist nicht unbeding der eingängiste Song und die “Proteststimmen” werden wohl eher nach Island gehen.”Und der Gast in der Sendung, Christopher Wurmdobler, meinte ironisch: “Die Vorstellung wie die ganze Halle mitsingt, gefällt mir sehr gut.” Harhar. Ich weiß nicht genau, wie ich das finden soll. Interessant ist es auf jedenfall und Herr Osiris hat definitiv eine Agenda.

Dare to dream – Island

Auch Island ist noch nicht extrem lange beim ESC dabei, erst seit 1986, davor funktionierte die Datenübertragung zur entlegenen Insel tatsächlich nicht.

Die ESC Geschichte Islands ist jetzt auch nicht unbedingt von großem Erfolg begleitet, allerdings stammt einer meiner all-time-favorit Songs der ESC von eben da – Paul Oscar mit Minn hinsti dans, aus dem Jahr 1997. Wurde leider nur 20., in meinem Merci Jury Buch aus dem Jahr 2000 gibts aber einen Experten, der den Song auch zu seinen persönlichen Lieblingsbeiträgen zählt. Ich kann mich noch so gut dran erinnern, dass der Interpret am Anfang in der Bühnen-Inszenierung “schlief” und dann erst beim einsetzenden Beat “erwachte”; Grissemann damals: “Schade eigentlich, dass ihn die Musik aufgeweckt hat, ich dachte, er schläft durch.” Harhar.

Heuer tritt eine nun ja, Industrial Rock Gruppe für Island an, sie nennen sich Hatari (= “Hasser”) Marco Schreuder bezeichnet das, was sie machen, als eine “künstlerische Intervention”, falls sich jemand das ansehen will, hier. Hataris Mission ist es, den Kapitalismus zu Fall zu bringen, und eigentlich wollten sie sich schon vor einiger Zeit auflösen, weil das nicht gelungen ist. Stattdessen machen sie also jetzt beim Songcontest mit, genau mein Humor.

Wird eher nicht um den Sieg kämpfen, aber viel Aufmerksamkeit bekommen.

Dare to dream – Tschechien

Tschechien ist erst seit sehr kurzem beim ESC dabei, genauer gesagt seit 2007, und bisher waren sie kaum erfolgreich.

Gleich anfangs dreimal die Qualifikation fürs Finale nicht geschafft, dann aus Frust (?) vier Jahre auf die Teilnahme verzichtet, seitdem wieder zweimal ausgeschieden, einmal Platz 25 von 26 und dann, voriges Jahr, quasi aus dem Nichts heraus ein erstaunlicher 6. Platz. Mikolas Josef hat da mit Lie to me den Volksschulkinder und Pre-Teen Test bestanden, nämlich in dieser Zielgruppe als cool zu gelten, und schon klappt es besser mit dem ESC.

Heuer tritt die Indie Band Lake Malawi in Tel Aviv an und ihr Song heißt Friend of a friend. Was der erste Pluspunkt des Songs ist, nämlich der außergewöhnliche Titel. Der Song hat auch einen sehr interessanten Text, am Anfang heißt es nämlich gleich:

“Can you hear it?
There’s someone behind the wall making the same sounds
Can you hear it?
It sounds like you and me when we’re making love
Who is it?”

Das ist schon mal sehr spannend, da will man mehr drüber wissen, zumindest wenn man leicht (auditiv-)voyeuristische Tendezen hat harhar. Leider erfährt man dann aber eben nichts mehr und auch musikalisch flacht der Song doch relativ schnell ab. Das Video trifft dafür total den Social Media Zeitgeist, was aber auf der ESC Bühne nicht besonders hilfreich sein wird.

Dennoch: eine sympathische Truppe und ein gefälliger Song, wenn auch die große Sensation ausbleibt.

Dare to dream – Israel

Heuer findet der ESC ja wie bekannt in Tel Aviv statt und das deshalb, weil Netta mit Toy voriges Jahr gewonnen hat.

Ich gehöre zu denjenigen, die den Song Toy gut fanden, ich mag den Mizrachi-Beat dabei, – ich glaub, da gibts nur lieben oder hassen und kaum was dazwischen – aber ich fand den Bühenauftritt ehrlicherweise nicht besonders gelungen. Weil es sehr schwierig ist, den Song live zu performen. Und ich hätte daher gar nicht gedacht, dass sie tatsächlich gewinnen wird. Aber ich habe mich geirrt, was ja oft beim ESC der Fall ist, harhar.

Israel hat oft interessante Beiträge in den ESC eingebracht, auch solche, die es gar nicht ins Finale geschafft haben. Beispielsweise 2007 die Teapacks mit Push the button – nämlich den Knopf, um die Welt zum Explodieren zu bringen – Lyrics: “I don’t wanna die, i wanna see the flowers bloom, don’t wanna go kaput kaboom”. Oder 2012 Time von Izabo, ein sehr hübscher easy going Indie-Song. Ich habs auch sehr gern, wenn Israel ein bisschen hebärisch singt, weil ich selbst sehr gern hebräisch sprechen könnte, mir gefällt die Sprachmelodie sehr gut, ich habs allerdings nur zu “Jiddisch für Anfänger” während des Studiums gebracht. Frei nach den Lyrics von Nadav Guedj 2015 im Song Golden Boy “Let me show you Tel Aviv” würde ich diese Stadt tatsächlich gerne mal besuchen, hab aber irgendwie Sicherheitsbedenken.

Abgesehen von Netta, erinnert man sich vielleicht an den Sieg Israels 1998: Dana International und Diva. Der Sieg war natürlich auch ein ganz klares (gesellschaftlich)politisches Statement, weil Dana früher ein Mann war, und sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzte. Das gefiel nicht allen, auch oder gerade nicht in ihrem Heimatland, genutzt hat das aber nichts, sie hat sich durchgesetzt. Mehr als ein Songcontest Sieg IMO.

Heuer tritt Kobi Marimi mit Home an, und er wird ganz sicher weniger Aufregung in jeder Beziehung erregen.

Dare to dream – Schweden

Schweden ist tradtionell ein sehr erfolgreiches Land, was den ESC betrifft.

Sechsmal haben sie den Bewerb bereits gewonnen, in den letzten acht Jahren waren sie siebenmal unter den Top 10, also eine beeindruckende Bilanz. Euphoria – der Siegertitel von 2012 von Loreen – wird im Merci Cherie Podcast auffällig oft als Top Favorit aller Zeiten genannt und wurde nach dem ESC sehr häufig im Radio gespielt. Die Live Version davon war aber noch besser. Allerdings zeichnet Schwedens Songs auch immer eine gewisse Aura des Aalglatten aus, da gibts relativ wenig Ecken und Kanten, keine Überraschungen und auch kaum Experimente.

Das gilt auch für den heurigen Teilnehmer John Lundvik, der mit Too late for love ein – wenn man es positiv ausdrücken will – zeitloses Lied in den Bewerb bringt. Mich reißt es ehrlich gesagt nicht vom Hocker, es ist mir irgendwie zu beliebig und ich habe das Gefühl, ich habe das so oder ähnlich schon zu oft gehört.

Bisschen erinnert es mich auch an Cesar Sampson vom letzten Jahr, ein Song, mit dem ich auch lange nicht warm geworden bin, obwohl er ja Österreich repräsentierte. Aber Schweden zählt, wenn man sich die Quoten der Buchmacher ansieht, derzeit auf jedenfall zum Favoritenkreis des Bewerbs.


Dare to dream – Russland

Was ist zu Russland zu sagen? Sie sind seit 1994 beim Songcontest dabei und meine erste Erinnerung ist an Alla Pugacheva 1998, die mit Primadonna einen etwas skurillen Song vorgetragen hat, der die russische Seele zum Ausdruck bringen sollte. Der Song hat sich zum Schluss immer mehr gesteigert und in einer Art diabolischem Lachen geendet, was für Grissemann und Stermann ein gefundenes Fressen war. Direkt nach der Russin kamen die Dänen mit einem Spaßbeitrag, das weiß ich noch genau, was die beiden folgendermaßen kommentierten: “Der dänische Beitrag ist der lächerlichste Beitrag seit dem russischen…”

Russland war beim ESC auffallend oft unter den Top 3. 2008 hat Dima Bilan mit Belive den bisher einzigen Sieg geholt; ich muss zugeben, ich hatte damals ein Baby zuhause und hab den Songcontest daher nicht wirklich verfolgt. Gut in Erinnerung in Sachen Russland beim Song Contest hat man wahrscheinlich noch die Omas von Buranowskije Babuschki, die Party for everybody machten. Grissemann: “Die Älteste von ihnen kann schon seit 86 Jahren nicht singen.”

Heuer geht Russland mit Sergey Lazarev an den Start, der bereits 2016 am Bewerb teilnahm, und Dritter wurde. Damals war sein Song eine Uptempo Nummer, mit einer ziemlich originellen Bühnenshow, heuer versucht er sich an einer pathosbeladenden Ballade, mit dem Titel Scream und den unheilschwangeren Zeilen “Maybe they can’t be heard or seen. But tears aren’t quiet things – they SCREEEEAAAAM”.

Etwas dick aufgetragen, aber doch ganz ok.