Gestern war ich in einer Vorpremiere von The Holdovers, dem neuen Film von Alexander Payne.
Um Payne ist es in den letzten Jahren ein bisschen still geworden, nachdem er uns Indie Schmankerln wie Sideways, The Descendants oder Nebraska serviert hat. Paynes Regiearbeiten haben mit dem hier kürzlich besprochenen Todd Haynes gemeinsam, das sie ein bisschen Alltagsdrama sind, nur wo es bei Haynes creepy ist, ist es bei Alexander Payner skurill. Seine Antihelden stecken in ihren kleinen “potscherten” Leben fest, oft nach nicht ganz einfachen Startbedingungen, mit ihren durchaus großen Sorgen und Nöten, doch das Schöne ist: Es gibt immer Lichtblicke, es gibt immer Hoffnung. Aber es gibt nicht den großen Knall, wo plötzlich alle Probleme gelöst sind und alles toll ist – was natürlich auch komplett unrealistisch wäre, denn Menschen ändern sich nicht über Nacht. Genau das mag ich daran.
The Holdovers spielt in einem Internat in Neuengland der 1970-er Jahre. Holdovers (“Überbleibsel”) werden diejenigen genannt, die über Weihnachten nicht nach Hause können und in der Institution bleiben müssen. Der unbeliebte Professor Hunham (Paul Giamatti) ist diesmal dazu verdonnert worden, die Burschen zu beaufsichtigen. Auch die Küchenchefin Mary (Da’Vine Joy Randolph) verlässt das Internat nicht- ihr Sohn wurde gerade in Vietnam getötet und sie möchte keine “klassischen” Weihnachten feiern. Nachdem dann doch die meisten Schüler noch abgeholt werden, bleibt zu aller Leidweisen nur noch Angus (Dominic Sessa) zurück. Doch was als mühsame Zwangsgemeinschaft beginnt, entwickelt sich dann doch etwas anders als gedacht…
Es gibt Filme, die gut sind, deren Dialoge zünden, aber man denkt sich, ein oder mehrere Schauspieler “passen” nicht, es wäre besser, würde statt Schauspieler X Schauspieler Y spielen etc. In The Holdovers ist es umgekehrt: Man kann sich nicht vorstellen, dass irgendjemand anders diese Rollen spielen könnte, so ideal scheinen sie besetzt. Giamatti ist sowieso bewundernswert, sich so extrem unvorteilhaft zeigen zu lassen, mit einem Augenproblem (das er sonst nicht hat, wie macht man das eigentlich?) und den komisch gebürsteten Haaren, er muss sich kratzen und furzen und auch sonst relativ unattraktiv sein. Aber auch sonst entspricht niemand irgendeinem “Schönheitsideal”.
Leicht hätte es allerdings einem anderen Regisseur passieren können, dass die zentralen Protagonisten Karikaturen ihrer selbst werden – der komisch-ungute Professor, die trauernde, unterpriveligierte Mutter, der aufmüpfige Schüler. Und, dass es nur um den billigen Lacher geht. In The Holdovers geht es aber vielmehr darum, das Innere nach außen zu kehren, zu zeigen, was hinter den Rollenbildern steckt, wenn gleich die Ecken und Kanten immer erhalten bleiben. Ja, da ist ein bisschen Dead Poets Society Vibe dahinter und natürlich Coming of Age-Nerdiness, selbstverständlich auch viel Payne-eskes. Vor allem ist es aber ein feiner, menschlicher Film, bei dem man auch ein bisschen weinen kann, wenn es einem gerade nicht so gut geht, und es sind erleichternde Tränen.
Hier noch der Trailer: