almis personal blog

The Holdovers

Gestern war ich in einer Vorpremiere von The Holdovers, dem neuen Film von Alexander Payne.

Um Payne ist es in den letzten Jahren ein bisschen still geworden, nachdem er uns Indie Schmankerln wie Sideways, The Descendants oder Nebraska serviert hat. Paynes Regiearbeiten haben mit dem hier kürzlich besprochenen Todd Haynes gemeinsam, das sie ein bisschen Alltagsdrama sind, nur wo es bei Haynes creepy ist, ist es bei Alexander Payner skurill. Seine Antihelden stecken in ihren kleinen “potscherten” Leben fest, oft nach nicht ganz einfachen Startbedingungen, mit ihren durchaus großen Sorgen und Nöten, doch das Schöne ist: Es gibt immer Lichtblicke, es gibt immer Hoffnung. Aber es gibt nicht den großen Knall, wo plötzlich alle Probleme gelöst sind und alles toll ist – was natürlich auch komplett unrealistisch wäre, denn Menschen ändern sich nicht über Nacht. Genau das mag ich daran.

The Holdovers spielt in einem Internat in Neuengland der 1970-er Jahre. Holdovers (“Überbleibsel”) werden diejenigen genannt, die über Weihnachten nicht nach Hause können und in der Institution bleiben müssen. Der unbeliebte Professor Hunham (Paul Giamatti) ist diesmal dazu verdonnert worden, die Burschen zu beaufsichtigen. Auch die Küchenchefin Mary (Da’Vine Joy Randolph) verlässt das Internat nicht- ihr Sohn wurde gerade in Vietnam getötet und sie möchte keine “klassischen” Weihnachten feiern. Nachdem dann doch die meisten Schüler noch abgeholt werden, bleibt zu aller Leidweisen nur noch Angus (Dominic Sessa) zurück. Doch was als mühsame Zwangsgemeinschaft beginnt, entwickelt sich dann doch etwas anders als gedacht…

Es gibt Filme, die gut sind, deren Dialoge zünden, aber man denkt sich, ein oder mehrere Schauspieler “passen” nicht, es wäre besser, würde statt Schauspieler X Schauspieler Y spielen etc. In The Holdovers ist es umgekehrt: Man kann sich nicht vorstellen, dass irgendjemand anders diese Rollen spielen könnte, so ideal scheinen sie besetzt. Giamatti ist sowieso bewundernswert, sich so extrem unvorteilhaft zeigen zu lassen, mit einem Augenproblem (das er sonst nicht hat, wie macht man das eigentlich?) und den komisch gebürsteten Haaren, er muss sich kratzen und furzen und auch sonst relativ unattraktiv sein. Aber auch sonst entspricht niemand irgendeinem “Schönheitsideal”.

Leicht hätte es allerdings einem anderen Regisseur passieren können, dass die zentralen Protagonisten Karikaturen ihrer selbst werden – der komisch-ungute Professor, die trauernde, unterpriveligierte Mutter, der aufmüpfige Schüler. Und, dass es nur um den billigen Lacher geht. In The Holdovers geht es aber vielmehr darum, das Innere nach außen zu kehren, zu zeigen, was hinter den Rollenbildern steckt, wenn gleich die Ecken und Kanten immer erhalten bleiben. Ja, da ist ein bisschen Dead Poets Society Vibe dahinter und natürlich Coming of Age-Nerdiness, selbstverständlich auch viel Payne-eskes. Vor allem ist es aber ein feiner, menschlicher Film, bei dem man auch ein bisschen weinen kann, wenn es einem gerade nicht so gut geht, und es sind erleichternde Tränen.

Hier noch der Trailer:

Paparazzi

Im Westlicht läuft gerade eine Ausstellung, die sich mit dem Phänomen Paparazzi beschäftigt (wie immer unbezahlte Werbung)

Die Ausstellung erklärt den Begriff, aber wenn man La Dolce Vita von Fellini gesehen hat, weiß man das eh schon. In diesem Film hieß nämlich der Fotograf, der die Promis ablichtete, Paparazzo und damit etablierte sich dieser Name als Überbegriff für jeglichen Promifotograf. Die Ausstellung widmen sich den Anfängen des Paparazzi-Tums, und den besonders gefragten “Opfern”.

Das teuerste Paparazzi Foto aller Zeiten – Britney Spears, als sie sich wegen eines Drogentests die Haare abrasieren musste.
Das letzte Foto von Diana im Auto & die nie veröffentliche Hello Titelseite von einem Diana Foto ihres letzten Urlaubs

Es beleuchtet aber auch die Zusammenarbeit von Prominenten mit Fotografen zu Werbezwecken, quasi gestellte Paparazzi-Aufnahmen in Absprache, und zeigt schließlich auch Fotos von unter anderem Anton Corbijn, der Schauspieler so in Szene gesetzt hat, als wären es Paparazzi Fotos, tatsächlich waren sie aber nur als solche inszeniert, kann man noch folgen? Zum Beispiel Kylie Minogue:

Insgesamt eine tolle Ausstellung, wenn auch zu klein (gut, die Galerie ist halt nicht größer). Man könnte noch sehr viel mehr zum Thema sagen. Etwa über das Spiel von Prominenten mit ihrem tradierten Öffentlichkeitsbild. Ich denke da an Jennifer Lopez, die gemeinsam mit ihrem damaligen Freund (jetzt Mann) Ben Affleck alle Fotos, die von ihnen heimlich geschossen wurden in dem Video Jenny from the block nachstellen. Dabei haben sie quasi die Macht über ihre Bilder wieder zurückbekommen, gleichzeitig war das doch etwas zuviel Omnipräsenz, das Paar trennte sich dann (und kam erst 20 Jahre später wieder zusammen). Man könnte noch mehr über die Gegenwehr von Prominenten berichten – in der Ausstellung wird Marlon Brando und ein Fotograf gezeigt, der sich ihm nur mit Helm nähert, weil Brando ihm ein paar Zähne ausgeschlagen hatte. Aber man könnte auch die rechtliche Seite beleuchten (wieviel Öffentlichkeit müssen sich Prominente privat gefallen lassen) Mir fehlt auch zum Beispiel eine Referenz auf den Lady Gaga Song/Video Paparazzi. Aber ja, der Platz ist begrenzt.

Aber ja, als (erste) Annährung an das Thema gut.

Bachmann – Reise in die Wüste

Anlässlich des 50. Todestages von Ingeborg Bachmann, gab es ganz viel Bachmann-Content in TV, Radio und Film. Vieles davon war sehr interessant und inspirierend, anderes leider weniger. Und mit “anderes” ist vor allem der Film von Margarethe von Trotta gemeint.

Ich meine, das Problem beginnt damit, wenn man als Regisseurin die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch porträtiert und als der Film dann fertig ist, erscheint der Briefwechsel zwischen den beiden. Eigentlich kann man das eigene Werk dann nur noch einstampfen, vor allem dann, wenn man doch relativ tendenziös in der filmischen Aufarbeitung vorgegangen ist und sich vieles davon nicht halten lässt, sobald der Briefwechsel der beiden öffentlich zugänglich ist.

Denn von Trotta sieht Max Frisch als den “Schuldigen” in dieser Geschichte und stellt ihn gleichermaßen eindimensional wie unsensibel dar. Ich finde es ja prinzipiell lächerlich, dass sich diverse Literaturwissenschafter nicht entblöden, im Jahr 2023 darüber zu streiten, wer jetzt mehr Verantwortung am Scheitern einer Beziehung hat. Wenn man den Briefwechsel gelesen hat (was ich getan habe), dann findet man den Satz (der auch Titel des Briefwechsels ist), mit dem Frisch die vier Jahre mit Bachmann beschreibt, relativ zutreffend: “Wir haben es nicht gut gemacht” Ich sehe da keine Schuldigen und Unschuldigen, beide haben vermutlich ihr Bestes versucht, aber es hat nicht funktioniert, wie ganz viele menschliche Beziehungen aus ganz vielen Gründen nicht funktionieren. Irgendwelche Rollen zu verteilen in Gut und Böse, bringt nicht wirklich einen Erkenntnisgewinn, im Gegenteil: damit wird etwas sehr komplexes komplett banalisiert, was gerade zwei Schriftsteller wie Bachmann und Frisch, die so differenziert in ihren Suche nach zutreffenden Beschreibungen waren, nicht gerecht wird.

Jedenfalls hat von Trotta Max Frisch sehr plump geschildert und Bachmann kommt im Grunde auch nicht viel besser weg, halt als Opfer, dass sie so (hoffentlich) auch nicht war. Die ganze Geschichte wirkt sehr wenig authentisch, lediglich wenn Passagen aus Bachmanns Eurve zitiert werden, wird der Film interessant – aber da ist man mit einer Lesung besser bedient. Alles in allem wie ein platter deutscher Fernsehfilm und daher ziemlich enttäuschend, daran kann nicht mal Vicky Krieps etwas ändern.

Und: Wenn man schon eine oarge Sexszene einbauen möchte, dann bitte soll sie nicht nur für 85-jährige Döblinger Hofratswitwen oarg sein, sondern für praktisch jeden, der diesen Film sieht. Sonst lieber weglassen, danke.

Nyad – naja.

Nachdem man Nyad auf Netflix gesehen hat, hat man das dringende Bedürfnis, ins eigene Badezimmer zu gehen und sich mal ordentlich abzutrocknen. Denn bei Nyad handelt sich um die (wahre) Geschichte der Langstreckenschwimmerin Diane Nyad, die es im Alter von 64 Jahren als erster Mensch überhaupt geschafft hat, von Kuba nach Florida zu schwimmen.

Vorneweg: Das ist ganz toll, eine unglaubliche Leistung, echt beeindruckend und inspirierend, und das in “diesem Alter”, einfach nur Respekt. Ist das aber auch ein Stoff, der sich für einen (Spiel)film eignet? Meiner Ansicht nach: nicht so sehr.

Man sieht Diane Nyad (dargestellt von Annette Benning) ins Wasser gehen und schwimmen, dann wieder raus, ins Boot, wieder rein ins Wasser, raus, rein, usw. Dazwischen ein paar mehr doer weniger tiefsinnige Gespräche, vor allem mit ihrer besten Freundin und Coach Bonnie (Jodie Foster), Quallenbisse, Halluzinationen, allergische Reaktionen, jede Menge nasse Schwimmkleidung, Selbstquälerei, unvorteilhafte Perspektiven naja. Wenn man jetzt keine expliziten Wasser-Fetisch hat, ist es nicht unbedingt das, was man zwei Stunden verfolgen will.

Und ja, Benning und vor allem Foster sind echt gut, dazu der seit Notting Hill zerraufte Rhys Ifans als Navigator – sie holen aus den Rollen raus, was rauszuholen war, aber das ändert halt trotzdem an dem Story Arc nix, das gab es schon x-mal (nicht mit Schwimmern, aber mit anderen heroischen Leistungen) und der Film fügt diesem Genre nichts hinzu, was man nicht eh schon kennen würde.

Diesen Stoff möchte ich persönlich lieber in einer Doku aufgearbeitet sehen. Zumal man im Abspann Benning und Foster mit ihren realen Vorbildern zusammen posieren sieht und dadurch sofort weiß: Wenn der Stoff so derart “abgesegnet” wurde, dann ist womöglich alles an Ecken und Kanten und Kontroverse, dass es gegeben haben mag und das etwas interessanter gewesen wäre abgeschliffen worden, zu einem Starportrait.

The Killer

Gestern hab ich nach einem halben Jahr oder so wieder mal Netflix aktiviert.

Es läuft unter anderem gerade The Killer von David Fincher.

Jetzt find ich Fincher als Regisseur schon sehr super. Fight Club ist einer meiner Lieblingsfilme. Gone Girl und sein take on Girl with the Dragon Tattoo sehr gut, Seven, Zodiac, The Game auch ziemlich lässig, das etwas geschwätzige The Social Network immerhin interessant. Na ja, und jetzt eben The Killer.

Es geht um einen (Nomen est Omen) Auftragskiller. Genauer gesagt, um einen ziemlich emotionslosen Auftragskiller, der uns in einer Art innerer Monolog (der bisschen an Arthur Schnitzler erinnert huch) in sein durchwegs sehr langweilges Leben mitnimmt. Denn wenn er nicht gerade killt, sitzt er viel herum, wartet, isst Junk Food, schläft kaum, zieht sich um, wäscht und desinfiziert. Also es ist alles in allem sehr öde. Dann geht ein Auftrag schief und im Zuge dessen gibt es viele Morde. Die Morde sind oft blutrünstig und gehen an die Nieren und Nerven, aber dazwischen ist es wieder unfassbar öde. Und unser Killer ist nach wie vor emotionslos. Er will nur funktionieren: “Stick to the plan. Don’t improvise. Anticipate.”

Ja eh, aber… ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll. Der Film an sich funktioniert, ist mit dieser slick-sterilen Attitüde in Hochglanz gefilmt, die wir von Fincher eh kennen. Michael Fassbender ist wieder mal der undurchsichtige Gewalttäter, aber. Der Film ist über weite Strecken langweilig und kalt, aber genau das will Fincher ja abbilden. Puh, ich weiß echt nicht wie ich das finde.

Aber doch, eines weiß ich, der Killer sagt ja, er kleidet sich absichtlich wie ein deutscher Tourist, um nicht aufzufallen. Mich erinnern seine Outfits aber eher an Johnny Depps Aufzug in Fear and Loathing in Las Vegas.

Wald

Voriges Wochenende habe ich Wald gesehen – den österreichischen Film von Elisabeth Scharang, nach einem Roman von Doris Knecht. Ich hab ziemlich viel von Knecht gelesen, dieses Buch aber (noch) nicht, weil mich der Stoff nicht so angesprochen hat und mit dem Film gings mir irgendwie ähnlich (harhar), dennoch hat dann die Neugier gesiegt.

In Wald geht es um Marian (Brigitte Hobmeier), eine Frau so Mitte 40, die nach einem traumatischen Erlebnis in das Dorf ihrer Kindheit und Jugend zurückkehrt, das sich im Waldviertel befindet. In dem baufälligen Haus ohne Strom will sie die nächsten Monate verbringen – auch ohne ihren Lebensgefährten. Im Dorf löst ihr Erscheinen alle möglichen (relativ negativen) Emotionen aus und sie trifft ihre frühere beste Freundin Gerti (Gerti Drassl) ebenso wie Franz (Johannes Krisch), der damals nach Südamerika auswandern wollte…

Am Anfang fand ich Wald ganz furchtbar, ich bin ehrlich. Die Handlung kommt irgendwie nicht in die Gänge, es passiert praktisch nichts – was ich sehr oft im Kino durchaus reizvoll finde, ich sag nur, ich habe das Jim Jarmusch Gesamtwerk gesehen – aber hier funktioniert das für mich gar nicht. Marian und das beschwerliche Beziehen eines verlassenen Hauses ist irgendwie extrem tröge (und ich verwende dieses Wort normalerweise nicht), dazu stellen sich mir – die ich wirklich keine große Praktikerin des Alltäglichen bin – einige logische Fragen wie: Es regnet und das Dach ist so undicht, dass es auf die schlafende Marian tropft. Müsste das Haus nicht in einem viel schlimmeren Zustand sein, wenn es hier offenbar schon seit geraumer Zeit hereinregnet und müsste das Bett/die Matraze nicht schon völlig verschimmelt sein?

Dazu kommt der Topos der vertrottelten Dorfgemeinschaft, den ich in der österreichischen Literatur und im Film wirklich hasse, weil er so abgegriffen und auch stereotyp (falsch) ist. Die Männer, die da ins örtliche Gasthaus kommen, sind eine Persiflage ihrer selbst, sie können natürlich nur laut und ordinär und ungehobelt und ungebildet sein, ich mein, was wäre das sonst für ein österreichischer Film? Ich mag das nicht. Gleichzeitig ist es schwierig, Theaterschauspielern wie den Hauptakteuren abzukaufen, dass sie urtümliche Niederösterreicher sind, die niemals aus dem Kaff herausgekommen sind.

Aber nun Plottwist: Ab der Mitte hat mir der Film dann zunehmend gefallen, ich weiß auch nicht genau wieso. Das Verhältnis von Marian, Gerti und Franz wird besser herausgearbeitet, es gibt interessante Dialoge, plötzlich auch sowas wie eine Handlung und irgendwie konnte ich mich dann auch zunehmend, zumindest partiell, mit den ProtagonistInnen identifizieren. Weil ich bei der Filmapp Letterboxd immer eine Sternewertung eintrage, sagen wir mal, es ist von einem Stern dann doch auf solide drei Sterne hinaufgegangen. Besonders die Musik hat mir gefallen, die die karge Landschaft, die sperrigen Charaktere, die oft Aussichtslosigkeit der Lage perfekt untermalt hat.

Und das Ende war…spannend!

Passages

Gestern habe ich Passages gesehen.

In dem Film von Ira Sachs geht es um den deutschen Regisseur Tomas (Franz Rogowski), der mit seinem britischen Ehemann Martin (Ben Whishaw) in Paris lebt. Auf einer Party lernt Tomas Agathe (Adèle Exarchopoulos) kennen und nach einem Streit mit Martin landet er mit ihr im Bett. Die Folge: Eine Menge Chaos und das Ringen um Entscheidungen.

Wenn man den Plot so liest, fragt man sich, was wird das sein? Eine Herz/Schmerz Geschichte mit einem (bisexuellen) Twist? Eine pseudo-künstlerische Fleischbeschau? Ein woke Betrachtung von Partnerschaften mit LGBTQI-Schlagseite? Nach der Sichtung muss ich sagen: Nein, das ist es alles nicht, es ist einfach das Porträt eines Arschlochs. Harhar.

Ich hoffe, dass Franz Rogowski ein sehr guter Schauspieler ist, der den Tomas so überzeugend abgrundtief unsympathisch darstellt und nicht selbst so ein egozentrisches Ungustl ist. Als Zuseher versteht man weder Martin noch Agathe. Martin ist lieb, einfühlsam, zuvorkommend, nett zu seinen Angestellten, bedachtsam, ein richtig angenehmer Mensch. Agathe ist erstaunlich bodenständig, etwas verloren in der Welt, aber aufrichtig, auf der Suche nach einer Familie, liebenswert, fürsorglich. Was die beiden jeweils an Tomas finden, der zu allen ruppig ist, seine Mitarbeiter ebenso wie seine Freunde permant anschnauzt, unangenehm-übergriffige Fragen stellt, lügt, manipuliert und niemanden auf der Welt so toll findet wie sich selbst, ich habe keine Ahnung. Aber erstaunlicherweise reißen sich beide um ihn.

Das ist ein Film, der sehr genau hinschaut, die Finger dorthin legt, wo es wehtut. Wenn man selbst schon mal in irgendeiner Art von Beziehung war, wird einen das möglicherweise auf die eine oder andere Art triggern. Die Charakterzeichung und Betrachtung ist schonungslos ehrlich, aber auch verständnisvoll für den Menschen und seine Schwächen an sich. Die Dialoge sitzen. Die Atmosphäre wird perfekt eingefangen. Ich habe mir ehrlich gesagt nicht erwartet, dass Passages für mich so wahrhaftig sein wird und so gut funktioniert, doch das tut er.

Einziges Manko: Es spielt eigentlich gar keine Rolle, dass Tomas homosexuell ist und plötzlich etwas mit einer Frau anfängt, er ist nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht bisexuell gewesen. Ich dachte, man wird über die Beweggründe dafür mehr erfahren und wie er sich damit nun fühlt. Aber vielleicht ist das auch gar kein Manko. Vielleicht geht es einfach universell um Beziehungen, ohne “Mascherl”. Dass das nicht zerredet ist, kann auch ein Pluspunkt sein.

Aus Venedig

Jetzt hab ich eben erst über Coopers Nase geschrieben, da gibts schon den nächsten Shitstorm in Venedig: Adam Driver spielt Enzo Ferrari und er ist nicht mal Italiener! Kulturelle Aneignung ahead! Ja wissen denn die Menschen, die sowas fordern nicht, dass Driver bereits Maurizo Gucci in House of Gucci gespielt hat? Das ist sowas wie die kleine Matura – vier Klassen Hauptschule und eine Tanzstunde, zwei Rollen mit einem italienischen Akzent, kleiner Italiener. Puh, ich krieg sicher auch gleich einen Shitstorm.

Und Roman Polanskis Film The Palace ist in Venedig, na ja, wenn ich schreibe durchgefallen, wäre es eine Untertreibung, weil in mehreren Reviews stand, es ist der schlechteste Film seiner gesamten Karriere (und er ist immerhin 90). Der Plot von The Palance: Reiche und verwöhnte, von Schönheitsoperationen entstellte Menschen feiern dekadent und es endet im Chaos, erinnert sehr an Triangle of Sadness von Ruben Östlund vom letzten Jahr. Nur, wird in den Kritiken bemerkt, die brachiale Version davon. Und wenn man bedenkt, dass auch Triangle of Sadness nicht gerade das war, was ich als subtile Interpretation des Eat The Rich-Topos bezeichnen würde, muss man sich da wirklich fürchten.

Filme, Herbstsaison

Mit dem 1. September beginnt nicht nur das neue ESC-Jahr, sondern auch die Filmsaison so richtig. Und vieles spricht dafür, dass das ein extrem starkes Film- und Oscar Jahr werden wird.

Mit Oppenheimer, Barbie und Past Lives haben wir ja schon drei Oscar-Fixstarter, und das im Sommer, der tradtionell eher schwachen Jahreszeit für Kinofilme. Gestern hatte Poor Things von Yorgos Lanthimos in Venedig Premiere, der euphorische Kritiken bekommt, vor allem die Hauptdarstellerin Emma Stone. Wenn ich mir die Bilder und den Trailer so anschaue, hab ich meine Zweifel, ob mich dieser Vibe kriegt – Sidestep: Ich habe The Lobster gesehen, der mir am Anfang sehr gut gefallen hat, über die Zeit allerdings für mich so einen absurd-naturalistischen Depri-Spin bekommen hat, dass ich dann doch unschlüssig war. Und ich glaube, das ist ein bisschen so das Markenzeichen von Lanthimos, aber natürlich werde ich Poor Things eine Chance geben.

Außerdem haben drei (quasi) Biopics in Venedig Premiere. Da wäre einmal Maestro von und mit Bradley Cooper, der im Vorfeld ja schon Diskussionen ausgelöst hat, wegen Coopers falscher Nase (seufz) und zweitens Priscilla über Mrs. Presley, der neue Film von Sofia Coppola. Und dann noch Ferrari, eine Michael Mann Produktion, über Enzo Ferrari, in der Hauptrolle Adam Driver (sic!).

Neben Venedig findet auch gerade das Filmfestival in Telluride, Colorado, statt, das in Europa immer so ein bisschen unter dem Radar läuft. Auch dieses bietet heuer große Namen, etwa die des Regisseurs Alexander Payne, der uns Filme wie Sideways und The Descendants geschenkt hat, also kleine tragikkomische Indie-Perlen. Er arbeitet wieder mit Paul Giamatti zusammen, diesmal für den Film The Holdovers. Die Regisseurin Emerald Fennell, die erst kürzlich mit Promising Young Women ihren Durchbruch geschafft hat, portraitiert in Saltburn eine exzentrische Adelsfamilie, hochklassisch besetzt mit Barry Keoghan (bekannt aus The Banshees of Inisherin), Rosemunde Pike (Gone Girl) und Carey Mulligan (die Hauptdarstellerin aus eben Promising Young Women)

Außerdem in Telluride, der Film All of Us Strangers, dessen Plot ein bisschen verstörend klingt – ein Mann reist in die Zeit zurück und trifft dort seine Eltern kurz vor deren Tod, okaaay, aber die Besetzung mit Paul Mescal (aus Normale Menschen und Aftersun), der spätestens seit seiner Oscarnominierung für letzteren Film richtig durchstartet und Andrew Scott – ja, der “Hot Priest” aus Fleabag – also das klingt schon recht fein!

Past Lives

Während das Kind letztes Wochenende Barbenheimer gesehen hat, habe ich mir Past Lives angeschaut.

Past Lives ist das Spielfilmdebut der südkoreanisch-kanadischen Regisseurin Celine Song. Der Plot ist rasch erzählt: Die 12-jährige Young Na wandert mit ihrer Familie nach Kanada aus, und lässt dabei nicht nur ihre Heimat Korea, sondern auch ihren Freund Hae Sung zurück. 12 Jahre später treffen sie sich online wieder, weitere 12 Jahre danach besucht er sie in New York, wo sie mittlerweile lebt. Young Na bzw. jetzt Nora (Greta Lee) ist mittlerweile mit Arthur (John Magaro) verheiratet, während Hea Sung (Teo Yoo) gerade eine Trennung hinter sich hat. Die beiden erinnern sich an das, was sie verbunden hat und stellen sich dabei die Frage, wie ihre (gemeinsame?) Zukunft aussehen soll.

Past Lives hat euphorische Kritiken bekommen und ja, dafür, dass das ein Debüt ist, wirkt dieser Film erstaunlich, wie soll ich sagen, routiniert? Drehbuch, Kamera, Schnitt, Musik, Schauspieler – alles passt, fügt sich zu einem geschmeidigem Gesamtwerk zusammen, das sich mit meinem Lieblingsthema beschäftigt: Menschliche Beziehungen. Die Romantik und Magie dahinter. Was Menschen verbindet, was Menschen trennt – auch wenn sie gerne zusammensein wollen. Und im Falle von Past Lives kommt auch noch Culture Clash hinzu, wie lebt man, wenn man die Heimat, ja sogar seinen Namen zurücklässt und anderswo ganz neu anfängt?

Aber – und ich weiß, es ist ein Jammern auf hohem Niveau – ganz erreicht mich diese Beziehungsgeschichte doch nicht. Obwohl sie langsam und unkonventionell erzählt ist (wie ich es mag), auch wenn sie weder platt noch pathetisch ist, auch wenn sie spannende Dialoge beinhaltet. Aber ganz komme ich speziell dieser Nora nicht nahe, genausowenig wie Hea Sung ihr nahe kommt. Diese Beziehung läuft ein bisschen nach dem Muster “The Chase” ab. Er vergöttert sie, sie entzieht sich ihm; wenn sein Interesse zurückzugehen scheint, dann meldet sie sich wieder, er beißt wieder an etcetera. Aber generell ist Nora diejenige, die ihn auf Distanz hält und es liegt nicht nur daran, dass sie verheiratet ist (denn das war sie bei ihrem ersten “Wiederfinden” nicht) und ihr Ehemann ist genau genommen in einer ähnlichen Position wie Hae Sung.

Nun fragt man sich zurecht, wo das hinführen soll und ich werde das nicht spoilern. Ich finde, der Film löst das auf eine sehr schöne und mystische Art auf, auf eine Weise, mit der man nicht rechnet. Aber trotzdem fehlt mir irgendwie etwas. Vielleicht etwas mehr… hm, Information? Past Lives wird gerne mit der Linklater Before Trilogie verglichen, aber das trifft es m.E. auch nicht wirklich, es sei denn, man zieht bei jedem Film Parallellen, wo ein Mann und eine Frau spazierengehen und sich poetische Gedanken machen.

Fazit: Past Lives ist ein sehr guter Film, von dem ich mir erwartet habe, dass er mich tiefer beühren wird, als er es tatsächlich hat. Vielleicht ist mir auch gerade nicht so nach Liebesgeschichten. Vielleicht verstehe ich zuvieles an Korea nicht. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Aber nichts destotrotz: Es ist ein sehr guter Film.