almis personal blog

Zwischen uns das Leben

So gleich noch ein Film, der von Schmerz erzählt, wenn auch ganz anders. Ich hab es jetzt doch gewagt und den Film Zwischen uns das Leben (im Original: Nachsaison) angeschaut. Ich will nicht sagen, dass es ein Fehler war, er hat schon seine Momente und die Schauspieler sind super, aber er hat mich irgendwie unzufrieden zurückgelassen und zwar genau auf die Art und Weise, wie ich es eh erwartet hatte.

Es geht in diesem Film um ein Zusammentreffen des ehemaligen Liebespaares Mathieu (Guillaume Canet) und Alice (Alba Rohrwacher) – er Franzose, sie Italienerin, sie sprechen französisch miteinander – 15 Jahre nachdem er sich von ihr getrennt hat. Beide haben mittlerweile Familien und neue Partner. Und wie das so ist, wenn vier Menschen in eine Liebesgeschichte involviert sind, wird man daraus kein happy end machen können, das ist jetzt kein Spoiler, denn irgendjemand (oder auch mehrere) bleiben am Ende zwangsläufig über…

Kleinere Spoiler möglich

Der Film beginnt vielversprechend. Mathieu, der mittlerweile ein sehr berühmter Schauspieler ist, checkt in einem Spa ein. Er befindet sich gerade in einer Krise – er hatte vor, ein Risiko einzugehen und erstmals Theater zu spielen; dann verlässt ihn der Mut und er kündigt der Produktion kurz vor der Premiere, was ihn viel Geld und eine Menge Sympathien kostet. Im Spa ist er dennoch der unschwärmte Star, der dauernd Selfies mit Fans machen muss, obwohl er sich gerade furchtbar fühlt. Das ganze Setting erinnert an Lost in Translation und Bill Murray. Während Murray in Tokio mit einem Ergometer kämpft, ist es hier die Kaffeemaschine, die sich nicht abschalten lässt.

Dann wird Mathieu von Alice kontaktiert und sie treffen sich in einem Cafe, für mich die beste Szene des Films. Mathieu erzählt launig, es habe für ihn nur zwei Möglichkeiten gegeben, an diesem Punkt in seinem Leben assistierter Suizid in der Schweiz oder Thalasso-Therapie in Westfrankreich, da habe er sich eben für Thalasso entschieden. Anschließend bittet er den Kellner, den Jazz im Hintergrund abzustellen und stattdessen irgendwas anderes zu spielen, wurscht was. Das fand ich toll, weil ich Jazz auch überhaupt nicht mag – gleichzeitig hat er damit natürlich diese Richard Gere in Pretty Woman-Attitüde, der immer irgendwas von seiner Umgebung verlangt und auch alles bekommt. Alice fragt ihn, ob es ihm gut gehe, es liefe ja doch alles perfekt für ihn, er sagt sowas wie: Im Großen und Ganzen schon. Alice selbst geht es auch gut, sie ist gerade in ein neues Haus gezogen, ist stolz auf ihre Tochter, aber wie sie später zugibt, es ist das beste Leben, das sie nach der Trennung haben konnte. Aber es ist nicht das beste Leben überhaupt.

Danach gibt es zwar weitere gute Drehbuchideen, eine sehr liebenswerte Hochzeitsfeier von zwei älteren Damen etwa, aber das Problem ist, dass die Autoren nicht so recht wissen, was sie mit ihren Protagonisten machen sollen. Was auch verständlich ist. Beide hadern mit ihrer Gegenwart, wollen diese aber nicht aufgeben, es steht zu viel auf dem Spiel. So bleibt der Rest des Filmes ziemlich ratlos. Alice ist passiv-aggressiv gegenüber sich selbst, macht sich auf merkwürdige Art sehr klein, Mathieu ist irgendwie im Autopilot und reflektiert sich so gut wie gar nicht. Alles bleibt gewissermaßen in der Schwebe und vielleicht muss es das in der Konstellation, aber als Zuschauer hat man das Gefühl, man hat zuviel gegessen und danach Sodbrennen. Und wer hat schon gerne Sodbrennen.

Noch anzumerken ist, dass Canet hier 1. Mc Dreamy aus Grey’s Anatomy extrem ähnlich sieht. 2. sich in einer ähnlichen Konstellation wiederfindet wie im Film Last Night (aus 2010) und 3. wirklich extrem gealtert ist seit diesem Film, wo er ja noch wie ein Student gewirkt hat. Vielleicht liegt es aber auch nur an seiner Rolle.

4. im de France Kino ist die Klimaanlage viel zu kalt eingestellt! Harhar.

Julieta

Als ich den Almodovar Film Julieta das erste Mal gesehen habe, habe ich ihn wunderbar gefunden, aber vielleicht nicht so sehr verstanden wie vor einigen Tagen, als ich ihn nochmal angeschaut habe.

Julieta ist ein tieftrauriger Film, in der Almodovar kein einziges Mal versucht, uns Zuseher von dem Schmerz und der Verzweiflung abzulenken, die die Hauptdarstellerin Julieta empfindet. Diese kurios-groteske Folie, die in vielen Werken von Almodovar quasi über dem Ernst des Lebens liegt, um ihn zu entschärfen, die gibt es in Julieta nicht.

Die Handlung setzt ein, als Julieta Mitte 50 Jahre alt ist. Wir merken schnell, dass sie ein Geheimnis hat, das sie nicht einmal ihrem Lebensgefährten Lorenzo erzählt hat. Doch wir erfahren ihre Vorgeschichte in Rückblenden. Ihre Tochter Antina hat zwölf Jahre zuvor ohne nähere Angabe von Gründen den Kontakt zu ihr abgebrochen, mittlerweile ist sie eine erwachsene Frau um die 30. Durch Antinas ehemals beste Freundin wird Julieta – die jahrelang darum gekämpft hat, mit dieser Vergangenheit abschließen zu können – wieder an alles erinnert und, so Julieta, wie eine Drogensüchtige sofort wieder in die Abhängigkeit befördert. Eine Abhängigkeit, die Julieta ihr eigenes Leben kostet und wie sie selbst sagt: “Deine Abwesenheit füllt mein Leben aus und zerstört es.”

Viel kann man zu Julieta sagen, etwa die herausragenden schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarstellerinnen als junge und ältere Julieta loben, über Almodovars Bildsprache reflektieren, seine Fähigkeit Stimmungen zu erzeugen. Aber an diesem Film interessiert und beeindruckt mich vor allem einfach dieses Thema des Schmerzes, wie lebt man mit diesem Schmerz, der immer präsent ist, wie lebt man vor allem weiter. Wie lernt man wieder, die Schönheit des eigenen Lebens zu sehen, wenn da doch immer etwas fehlt, wenn man auf sich selbst zurückgeworfen ist. An manchen Tagen möchte man alle Fotos zerreißen und alle Kleider aus dem Schrank zerren, überhaupt alle Dinge, die man noch besitzt, aus dem Fenster werfen, weil alles so sinnlos erscheint.

Julieta tut das alles und wir als Zuseher verstehen das, wir können es nachempfinden und doch scheint es keinen Ratschlag zu geben, keine Hilfe, keinen Ausweg. Selbst wenn man einen weiten Weg der Heilung zurückgelegt hat und glaubt, “darüber hinweg zu sein”, so ist man doch nie gefeit davor, durch irgendeinen Trigger wieder neu anfangen zu müssen loszulassen. Aber Julieta ist letztlich doch auch ein barmherziger Film, der seine Protagonistin und uns Zuseher nicht ohne den Silberstreif am Horizont entlässt, denn im Laufe der Zeit verändern sich die Fragen, verändert sich die eigene Haltung oder wie Julieta einmal zu Lorenzo sagt: “Ich brauche keine Erklärungen mehr”. Und sie sagt es nicht aus einer Bitterkeit oder Resignation heraus, sondern weil diese Phase nun beendet ist und weil eine andere Phase beginnt und sich damit ein neuer Blickwinkel und eine neue Bewertung eröffnet. Und diese Hoffnung gibt es für uns alle, jeden Tag.

Spezialausgabe

Jedem tun andere Dinge gut, wenn er ein bisschen Aufmunterung benötigt. Bei mir ist es zum Beispiel Wer wird Millionär, harhar, ich bin einfach gestrickt.

Gestern war sogar eine Spezialsendung. Das Kind kommt ins Wohnzimmer und schraubt an seinem Roller herum. Ich erkläre ihm, dass das eine Ausgabe ist, in der die Kandidaten von Freunden, Kollegen oder Familienmitgliedern ohne deren Kenntnis zur Sendung angemeldet wurden, weil sie immer alles besser wissen und sich sehr gescheit fühlen. Also quasi eine Klugscheißer-Ausgabe.

Dann kommt folgende Frage, natürlich maßgeschneidert für mich:

Ich: Na geh bitte, da brauch ich nicht mal die Auswahlmöglichen, das weiß ich so auch.

Kind schraubt am Roller. Kandidat nimmt den 50/50 Joker, und ruft dann noch jemanden an.

Ich: Sein Telefonjoker weiß das auch nicht, gibts ja nicht.

Kandidat entscheidet sich dann nach Gefühl für die richtige Antwort.

Ich: Na endlich, bitte schau, deine Mama ist soo gut!

Kind: Ich glaub, ich meld dich auch für so eine Spezialsendung an.

Ich: Was?

Kind: Nix.

Harhar.

Megalopolis Reviews

Bei den Filmfestspielen in Cannes ist es auf Twitter immer lustig, wenn man diversen Filmjournalisten folgt, die dann schreiben was sie an diesem Tag alles anschauen werden, dann ihren ersten Eindruck und am Ende kann man die fertige Kritik lesen.

Megalopolis scheint ein extrem polarisierender Film zu sein, was aber für die Reviews super ist, da liest man dann sowas:

Aber auch:

Zusammenfassend also:

In den Reviews liest man außerdem, Megalopolis wäre: “Sucession crossed with Batman Forever and a Lava lamp.” Das muss einem erst mal einfallen. Ein anderer Journalist erzählt, er wäre während des Films auf die Toilette gegangen und hätte dort einen Kollegen kreidebleich aufgefunden, er dachte schon, er müsste die Rettung holen, da sagte der Mann zu ihm, den Film betreffend: “It’s a nightmare”. Ach ja und mehrere Journalisten haben davon berichtet, dass während des Filmes tatsächlich ein Mann vor die Leinwand tritt und Adam Driver (im Film) eine Frage stellt, die dieser dann (im Film) beantwortet. Ist das Brecht’sches Theater oder was ist das? Harhar. Das macht schon alles ziemlich neugierig auf diesen Film.

Coppola selbst scheint zufrieden zu sein, er hat bei der Pressekonferenz zu seinem Film gesagt: “So many people when they die, they say: I wish I had done this, I wish I had done that. When I will die, (…) I will say, I got to see my daughter win an Oscar, I made wine and I got to make every movie I want.”

The Conversation

Nachdem Francis Ford Coppola also seinen neuen Film in Cannes vorstellen wird, habe ich ein 50 Jahre altes Werk von ihm nachgeholt und zwar aus dem Jahr 1974, The Conversation.

Ich mag ja Filme, die von der Prämisse her in eine sehr spektakuläre Richtung gehen könnten, wo der Regisseur dann aber etwas komplett anderes daraus macht. The Conversation ist so ein Film. Harry Caul (Gene Hackman) ist ein Abhörspezialist, einer der besten auf seinem Gebiet, und arbeitet aktuell an einem neuen Auftrag: er soll ein junges Paar bespitzeln. Je mehr er in die Materie eintaucht, desto größer wird seine Sorge, dass seine Tätigkeit und deren Ergebnisse zu einer Gewalttat führen könnten…

Francis Ford Coppola hätte aus The Conversation einen packenden, ja nervenaufreibenden Thriller machen können, wo die Zuschauer nervös in ihren Sesseln hin und her rutschen und kaum abwarten können, was als nächstes passiert. Doch er denkt gar nicht daran. Er orientert sich mehr am avandgardistischen Filmemacher Michelangelo Antonioni, der sich in Blow-Up einem ähnlichen Stoff widmet – auch wenn Coppolas Werk natürlich um einiges zugänglicher ist. Die möglicherweise spektakuläre Handlung ist trotzdem bestenfalls ein Subplot. Stattdessen zeichnet er das Porträt eines einsamen, tieftraurigen Mannes. Will ihm jemand näher kommen, reagiert Harry äußerst schroff; sein Beruf scheint ihn darüberhinaus auch paranoid gemacht zu haben. Oder war er das schon vorher?

Wir sehen Harry lange und wiederholt dabei zu, wie er sein aktuelles Band abhört, um jedes einzelne Wort zu verstehen. Was ja sein Beruf ist, tatsächlich ist es in einem Film, der keine Doku ist, aber auch ziemlich redundant. Aber das will Coppola in seiner Charakterstudie auch zeigen: die Eintönigkeit, die Wiederholung, die Unentrinnbarkeit. Coppola lässt die Zuschauer rätseln, was es mit Harry auf sich hat, der aus allem ein Geheimnis macht. Es gibt unbewältigte Themen in seinem Leben, das spürt man, aber welche? Man muss schon sehr genau hinschauen, etwa wenn Harry Saxophon spielt oder zur Beichte (!) geht, um halbwegs zu begreifen, was mit ihm los ist.

Das Thema Überwachung war auch damals hochaktuell, Stichwort Watergate. In einer Szene wird aus dem Fernseher über Nixon gesprochen. Die technischen Möglichkeiten sind heute zwar völlig andere, die philosophischen Überlegungen dazu sind aber ähnlich geblieben. Und Gene Hackman ist einer der Schauspieler, von dem ich mir eigentlich alles ansehen würde, auch wenn er oft unangenehme Protagonisten in unbequemen Filmen spielt. Spannend ist auch, dass Francis Ford Coppola mit diesem Film bei den Oscars in der Kategorie “Bester Film” verloren hat – und zwar gegen Der Pate 2, Regie: Francis Ford Coppola.

In Cannes

Jetzt habe ich fast vergessen, dass diese Woche die Filmfestspiele von Cannes starten, wo heuer wirklich extrem viele spannende Werke auf dem Programm stehen.

Allen voran natürlich Megalopolis von Francis Ford Coppola, den er selbst quasi als sein Opus Magnum betrachtet, was interessant ist, wenn man bedenkt, dass zwei der wichtigsten Filme der Filmgeschichte überhaupt ohnehin schon von ihm sind, nämlich der Pate 1 und 2. Und, dass man sowas wahrscheinlich nicht auf Ansage produzieren kann. Für Megalopolis hat er aber tatsächlich Teile seines Weingutes verkauft, um ihn zu realisieren. Es soll ein Science Fiction Drama sein, bei dem es darum geht, eine New York-ähnliche Stadt architektonisch wieder aufzubauen bzw. neu zu errichten, wobei sich zwei Antagonisten darüber streiten, wie das geschehen soll. Adam Driver spielt die Hauptrolle und es gibt noch einen Liebesplot. Den Trailer finde ich ein bisschen messy, muss aber natürlich nichts heißen.

Wenig weiß man noch über den Film Bird – hier gibt es noch keinen Trailer und die Inhaltsangabe ist auch ziemlich kryptisch, ich weiß zumindest nach dem Durchlesen überhaupt nicht, worum es eigentlich gehen soll. Die Besetzung ist allerdings ziemlich interessant, mit Barry Keoghan und Franz Rogowski hat Regisseurin Andrea Arnold zwei Schauspieler gefunden, die beide in der jüngeren Vergangenheit extreme Charaktere gespielt haben. Keoghan war ein geistig zurückgebliebener junger Mann in The Banshees of Inisherin und ein äußert naja, sagen wir verhaltensauffälliger Protagonist in Saltburn. Und Rogowski kenne ich aus Passages, wo er mir dermaßen unsympathisch war, dass ich hoffe, das lag nur an seiner Rolle dort, harhar.

Sehr fasziniert war ich hingegen von Jacob Elordi, der mit Keoghan in Saltburn gespielt hat – auch ihn kann man in Cannes sehen und zwar in Paul Schraders Film Oh Canada, wo er einen amerikanischen Dissidenten spielt, der nicht nach Vietnam gehen will und daher nach Kanada flüchtet. Als älterer Mann wird dieser dann von Richard Gere gespielt, der mit Schrader schon gemeinsam American Gigolo gedreht hat. Und wer sich jetzt fragt, woher man diesen Schrader kennt: er ist eng mit Martin Scorsese befreundet und hat für ihn Taxi Driver geschrieben.

Außerdem in Cannes: Der neue Film von Giorgos Lanthimos, der Kinds of Kindness heißt und wie Poor Things wieder mit (u.a.) Emma Stone und William Dafoe besetzt ist. Aber wenn ich mir den Trailer ansehe, schaut er eher wieder nach naturalistischem-depri Vibe aus, wie ihn die Filme vor Poor Things ausstrahlten und er soll 168 Minuten dauern. Ich sehe da eine große Chance, dass ich aus dem Film kippen werde, ich werde ihm aber trotzdem eine Chance geben. Spannend vielleicht auch The Apprentice, ein Biopic über Donald Trump; was doppelt schwierig ist, erstens wegen der larger than life Person Trump, zweitens weil das Genre Biopic oft dermaßen ausgelutscht daherkommt, dass man schon spezielle Ansätze oder Perspektiven braucht, um das interessant zu gestalten. Wenn das aber gelingt, kann es großartig sein.

Soviel mal für heute.

Challengers

Als ich am letzten Freitag Challengers sah, ist mir im Kino etwas passiert, was mir zuvor noch nie passiert ist. Ich gehe die Stufen zum Saal 3 im Votiv hinunter, da kommt mir eine Frau ungefähr in meinem Alter entgegen, grinst mich an und sagt (über diesen Film, der auch in der vorigen Vorstellung lief): “Der ist so gut! Sie können sich freuen!” Zweieinhalb Stunden später wusste ich, was sie gemeint hatte. Und ich hätte am Ende genau das auch jedem sagen können, der mir entgegen gekommen wäre.

Das sehr hübsche Filmplakat zu Challengers

Challengers ist der neue Film vom italienischen Regisseur Luca Guadagnino. Einer meiner Lieblingsfilme ist ebenfalls von ihm, nämlich Call me by your name. Über den werde ich sicher noch ein anderes Mal schwärmen. Außerdem hab ich von ihm I am Love gesehen, den ich auch mochte. Beides sehr poetische, langsam erzählte, oppulente Filme. Challengers ist absolut nichts davon und trotzdem genial.

Der Film beginnt quasi in der Gegenwart und erzählt uns dann nach und nach, was in den 13 Jahren zuvor im Leben von drei Tennisspielern passiert ist. In der Gegenwart coacht die einst als Tenniswunderkind gefeierte Tashi (Zendaya) ihren ehemals erfolgreichen Ehemann Art (Mike Faist), der sich aktuell aber in einem Formtief befindet. Deshalb meldet sie ihn zu einem Challenger-Turnier, wofür er eigentlich zu alt und auch zu gut ist (oder war). Bei diesem Turnier treffen sie auf Patrick (Josh O’Connor), mit dem beide eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Die Rahmenhandlung des Filmes bildet eben dieses Tennismatch von Art und Patrick gegeneinander.

Ich weiß nicht, ob es von Guadagnino so intendiert war, aber nachdem wir ja ein Match verfolgen, schlagen wir uns vielleicht automatisch auf die Seite des einen oder des anderen Spielers, die wir ja beide durch die Rückblenden (die durch Wetterlagen, Haarschnitte und T-Shirts zeitlich schön identifiziert werden können) immer besser kennenlernen. Zumindest bei mir war es so. Ich fand einen der beiden deutlich sympathischer durch das, was wir von ihm erzählt bekommen, und natürlich wünscht man sich dann auch, dass dieser das Match – das, wie sich herausstellt, wesentlich mehr bedeutet als ein Sieg bei einem Challenger-Turnier – gewinnt.

Die Charakterzeichnung bei Challengers geht zwar vielleicht nicht ganz so tief wie bei den vorher erwähnten Guadgagnino-Werken, aber wir erfahren durchaus einiges von Tashi, Art und Patrick und es ist schon auch eine Charakterstudie. Es ist nicht, wie in den meisten Reviews zu lesen ist, eine (platte) Dreiecksgeschichte, es steckt viel mehr dahinter; das hat mit Tennis zu tun, Tennis ist aber auch eine Metapher. Aber natürlich macht der Sport den Film besonders körperlich. Es wird viel geschwitzt und es werden Schläger zertrümmert, aber in diesem gesitteten “Quiet please” Rahmen, den professionelles Tennis eben automatisch hat. Der Film ist sehr schnell, weil viele Dialoge bzw. Konfrontationen gefilmt wurden als wären sie ein Match. Dazu trägt auch die Musik bei, die von Trent Reznor und Atticus Ross stammt und deren Soundtrack brettert manchmal regelrecht über die Ballwechsel und Konfrontationen, diesbezüglich hat er mich ein bisschen an The Social Network von David Fincher erinnert.

Wichtig ist es auch, den Film sehr aufmerksam zu verfolgen, denn es passiert etwas, das man sich merken sollte, um den Showdown am Ende zu verstehen, weil Guadagnino sein Publikum für intelligent genug hält, um es ihm nicht nochmal extra erklären zu müssen.

Also: Challengers ist überraschend, temporeich, interessant und seeehr unterhaltsam, mit drei wirklich überzeugenden Schauspielern – ich kenne jetzt auch Zendaya und sie ist toll. Josh O’Connor fand ich vielleicht noch eine Spur beeindruckender. Ein perfekter Freitagabendfilm für mich. Klare Empfehlung!

Civil War

Weil nächste Woche im fm4 Filmpodcast unter anderem über Civil War gesprochen wird, habe ich mir den Film angeschaut, weit ist es mit mir gekommen, jetzt schau ich Filme außerhalb meiner Komfortzone an, nur um dann einen Podcast dazu zu hören. Hahar. Tatsächlich schadet es aber auch nicht, mal etwas abseits der bevorzugten Genres zu sehen. Und Civil War ist sowas wie ein Arthaus Kriegsfilm. Und irgendwie wirkt es auch wie die Fortsetzung von Leave the World behind – was danach geschah quasi.

Das unglaubliche schiache Filmplakat zu Civil War

Der Film von Regisseur Alex Garland galt schon vor seinem Start alleine aufgrund des Titels als kontrovers. Denn dieses Jahr sind Wahlen in den USA und das Land ist gespalten, Trump soll wieder antreten, dazu Biden – viele befürchten ja tatsächlich eine Art Bürgerkrieg, egal wer gewinnt. Und: Garland ist Brite, würde er jetzt als quasi Außenstehender in die USA kommen den Menschen seine politische Weltsicht aufdrücken?

Zumindest insofern kann beruhigt werden, denn Civil War ist ein nahezu komplett unpolitischer Film. Wir erfahren zwar, dass sich eine Art “Western Front” (bestehend aus Texas und Kalifornien) gebildet hat, um das System in Gestalt des Präsidenten zu stürzen, der das FBI abgeschafft hat und sich zu einer dritten Amtszeit putschen will. Insgesamt ist das schwer einzuordnen, denn die Staaten Texas und Kalifornien haben doch eher wenig miteinander gemeinsam, und das Wahlverhalten der Bevölkerung ist ziemlich gegensätzlich. Aber dazu gibt es eine schöne Analogie im Film, als das (Foto)journalisten-Quartett einmal zwischen die Fronten gerät und ein Schütze ihnen sagt, er wisse gar nicht, ob der Schütze auf der anderen Seite Freund oder Feind wäre, aber der drüben habe zu schießen begonnen und nun müsse man eben zurückschießen.

Das Quartett besteht aus der prominenten Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) und dem Reporter Joel (Wagner Moura), sowie aus einem arrivierten Journalisten Sammy (Stephen McKinley Henderson), der eine Vaterfigur für Lee ist. Dazu kommt Jessie (Cailee Spaeny), die man zuerst gar nicht mitnehmen will, auf die Fahrt vom relativ ruhigen New York ins umkämpfte Washington D.C, wo der “Showdown” stattfinden soll – weil sie zu jung ist; weil es zu gefährlich ist. Aber Jessie lässt sich nicht abwimmeln, sie ist nicht nur unerschrocken, sie hat naja, Todessehnsucht wäre zuviel gesagt, aber ein gutes Foto ist ihr im Zweifel wichtiger als körperliche Unversehrheit. Und der Trip ist dann natürlich auch extrem arg, überall werden die Außmaße der Gewalt deutlich und wenn das Team dann einen Ort besucht, in dem scheinbar alles “normal” ist, wirkt gerade das auch wieder enorm creepy.

Im Grunde genommen geht es Garland, so denke ich, um das, was ich in einem Essay im ersten Semester Publizistikstudium analysieren musste: Die Fotometapher in der Reportagediskussion. Der Journalist sollte eigentlich eine Kamera sein und nur alles aufnehmen, nicht seine Meinung dazusagen. Und weil das schwer ist, sollte der Journalist zumindest seine Befangenheiten so transparent wie möglich machen. Denn absolute Wahrheiten gibt es ja nicht, auch wenn uns der Journalismus heute oft in sehr unterkomplexer Form genau das vermitteln will. Und in Civil War sagt Lee eben genau das: die Fotografien sind dafür da, Fotos zu machen, nach denen sich die Menschen ihre eigene Meinung bilden können. Wobei das natürlich auch zu kurz greift, denn auch ein Foto kann Dinge inszenieren und mit einer gewissen Absicht gemacht werden.

Mir ist der Film letztendlich dann doch zu viel Action und zu viel Blut, aber er hat tolle (wenn auch apokalyptische) Bilder, er hat ein paar wirklich sehr arge und angsteinflößende Szenen, er hat diese Thin-Red-Line-Terrence-Malick Referenzen, wenn Lee im Gras liegt und die Blumen beobachtet, während neben ihr ein Schusswechsel stattfindet; die Musikeinsätze sind brachial, aber auch sehr wirkungsvoll und ja, ich bin doch froh, ihn gesehen zu haben.

Und als nächstes habe ich Challengers angesehen, der im Podcast auch besprochen werden wird, den ich aber auch so angeschaut hätte, darüber ein andermal.

Nachtrag Mank

Ich war selbst mal, nämlich 2005, auf dem “Landsitz” von William R. Hearst in San Simeon, Kalifornien. Dem sogenannten Hearst Castle. Man kann (oder konnte zumindest) dort für ca. 25 Dollar Führungen mitmachen.

Die Palmen von Hearst Castle, August 2005

Alle Amerikaner dort so: Oh my god, it is beautiful.

Alle Europäer dort so: What the fuck!?

Außenpool

Ich mein, es ist faszinierend. So wie auch Las Vegas in seiner völlig absurden Skurillität faszinierend ist. Mister Hearst hat einfach alles genommen, was ihn an Architektur begeistert hat und hat es sich (ein)bauen lassen, bis er kein Geld mehr gehabt hat.

Innenpool

Als Marion, die Geliebte von Hearst, Mank im Film fragt, was er von Hearst Castle hält, zitiert George Bernhard Shaw: “What God would have built, if he had the money…”

Stimmung in Hearst Castle

Mank

Als ich über Pauline Kaels Biografie recherchiert habe, hab ich auch gelesen, dass sie ein Buch über Citizen Kane namens Raising Kane und Orson Welles geschrieben hat, in dem sie Orson Welles quasi vorwirft, dass dieser sich alle Lorbeeren für den bahnbrechenden Film selbst umgehängt hat, er war ja Hauptdarsteller und Regisseur, und auf den tatsächlichen Drehbuchautor Herman Mankiewicz (genannt Mank) “vergessen” hat.

David Fincher wiederum hat einen – durch Corona beinahe komplett untergegangen – Film über eben diesen Drehbuchautor gemacht, der Film heißt Mank und hatte 2020 kaum einen Kino Release. Er erzählt die Geschichte der Zeit als Mank Citizien Kane schrieb – von Orson Welles beauftragt, alleine mit einer Physiotherapeutin (er hatte ein gebrochenes Bein) und einer Sekretärin in einem verlassenen Haus in der Mojave Wüste. Dazu erfährt man in Rückblenden einiges über sein Leben. Mank war schwerer Alkoholiker und sollte in Klausur quasi überwacht werden, damit er sich auf das Schreiben konzentrierte. Plan war, die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines reichen Mannes aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Mank gehörte damals dem Freundeskreis von MGM Boss Louis Mayer und dessen engem Vertrauen, dem Millionär und Zeitungsverleger William R. Hearst, an. Aus Wut darüber, dass alle ihre (politischen) Ideale nach und nach verrieten, entschied Mank sich, Hearst als Vorbild für den Protagonisten in Citizen Kane zu nehmen…

Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal über einen Fincher Film sagen würde, aber Mank ist zwar ein guter Film, mir aber fast ein bisschen zu akademisch. Man hat das Gefühl, es bräuchte eigentlich nach jeder Szene eine Reihe von Fußnoten. Wenn man wenig über das Hollywood der 1930-er und 1940-er weiß und Citizen Kane nicht kennt (oder, wie ich, schon vor Ewigkeiten gesehen hat), ist es teilweise schwer, alles an den elaborierten Dialogen zu verstehen. Hier gilt aber wieder “form follows function” – etwas, das Mank im Film an einer Stelle auch sagt. Denn: Citizen Kane wäre damals dann fast nicht gedreht worden, weil das Drehbuch so komplex und sperrig war. Der Film war auch ein Flop an den Kassen, bis er dann Kultstatus erlangte und bis heute als einer der besten Filme überhaupt gilt.

Gary Oldman als Mank ist wie immer super, wenn er einen höchst facettenreichen und intelligenten, gleichzeitig aber dysfunktionalen bis kaputten Typ spielen muss. Amanda Seyfried, die ich bisher nur aus eher leichten Komödien kannte, ist hier erstaunlich tiefgründig als Geliebte von Hearst und sieht auch so aus, als käme sie direkt aus dieser Zeit. Ja und spannend ist natürlich, dass hier – ähnlich wie heuer bei Priscilla von Sofia Coppola – die für die Öffentlichkeit weitaus bekanntere Person (Orson Welles) kaum vorkommt. Der Film stellt sich total auf die Seite von Mank.

Mank hatte, wie gesagt, einige Mühe, sich in die Credits hineinzureklamieren, was darin gipfelte, dass beide, er und Welles, dann gemeinsam den Drehbuchoscar gewannen, aber niemand zur Verleihung erschienen ist. Als Mankiewicz einen Tag später vor die Kameras trat und den Oscar in Empfang nahm sagte er: “I am very happy to accept this award in the manner in which this screenplay was written, which is to say, in the absence of Orson Welles.” Als der Journalist ihn daraufhin fragt, wieso Welles dann als Autor genannt wurde, entgegnete Mank: “Well, that my friend, is the magic of the movies.”

Ein Beispiel jedenfalls wieder dafür, dass die Entstehung eines Werkes einen ebenso spannenden Filmstoff abgeben kann wie das Werk selbst. Aber vorher, wenn möglich, nochmal Citizen Kane ansehen.