almis personal blog

Saltburn

Schon vor vielen Wochen habe ich über einen Film gelesen, den die Nerds ganz aufgeregt erwarteten. Eine Amazon Prime Produktion, die auch genau dort gestern veröffentlicht wurde, obwohl es eigentlich ein Film für die große Leinwand ist, die Rede ist von Saltburn, von Regisseurin Emerald Fennell, die erst vor drei Jahren mit Promising Young Women (den ich leider noch nicht gesehen habe) ihren Durchbruch gefeiert hat.

Einen so abgefahrenen, merkwürdigen, skurillen und überraschenden, den Sehererwartungen zuwiderlaufenden Film habe ich wirklich schon lange nicht mehr gesehen. Im Mittelpunkt der Handlung steht der unsichere Oliver (Barry Keoghan), der frisch auf die Uni kommt und sofort ein Außenseiter ist. Schnell bekommt Felix Catton (Jacob Elordi) seine ganze Aufmerksamkeit – ein ungeheuer populärer Aristokrat, der aber auch besonders -und das ganz authentisch- warmherzig ist. Oliver tut alles, um sich mit Felix anzufreunden und verbringt schließlich den Sommer auf dem Landsitz der Familie Catton, einem Anwesen namens Saltburn.

Über die Handlung kann man nicht allzuviel erzählen, ohne Wichtiges zu verraten. Aber es ist ungeheuer spannend, sich wie Oliver erstmals auf dem riesigen Anwesen und dem bizarren Schloss der Cattons wiederzufinden. Als Zuseher versucht man zu verstehen, was das “Mindset” der Familie ist. Einerseits sind sie extrem steif, zum Dinner muss täglich Smoking getragen werden, auf Tischmanieren wird großen Wert gelegt, auf der anderen Seiten wirken sie etwas einfältig und scheinen nicht einmal mit der Geografie ihres Landes genauer vertraut zu sein; sie geben feine Partys mit Dresscode (Black Tie), singen aber dann Karaoke zu den Pet Shop Boys.

Und genauso überraschend sind die Dialoge, die manchmal ganz erstaunliche Wendungen nehmen, ein kleines Beispiel (das nicht zur Haupthandlung gehört). Oliver fragt seine Tischdame: “Haben Sie Kinder?”, diese entgegnet “Ja zwei. Ach nein drei. Sie sind auf dem Internat, was günstig ist, weil man sie da selten sehen muss.” Der Film bewegt sich von what-the-fuck Dialog zum nächsten what-the-fuck Dialog und die Szenen entwickeln sich so ganz anders als man das erwarten würde. Aber das ist natürlich auch das reizvolle daran.

Barry Keoghan sehe ich schon das zweite Mal in diesem Jahr. Er spielte in The Banshees of Inisherin einen geistig zurückgebliebenen jungen Mann so überzeugend, dass ich mich gefragt habe, ob er vielleicht selbst auch…sorry! Und hier spielt er zwar eine ganz andere, aber wieder extrem arg-eigenartige Figur, sodass ich mich langsam frage, wie er denn privat so ist. Harhar. Auch die anderen Darsteller sind sehr glaubwürdig in ihren teilweise sehr herausfordernden Rollen, man kann kaum jemand speziell herausheben.

Manche Bilder dieses extrem ästhetischen in Szene gesetzten Filmes werden einem noch länger in Erinnerung bleiben und auch zum Nachdenken bringen. Eines sieht für mich so aus, als handele es sich um ein Porträt von Kaiser Nero, der gerade dabei zusieht, wie Rom verbrennt. Andere Einstellungen sind so Zeitgeist-poppig, dass sie mich an Fotos von Damiano David, dem Sänger von Maneskin erinnern, die er von sich selbst auf Instagram postet. Eine originelle Mischung.

Hier der Trailer, der auch nicht spoilert, aber etwas vom Flair widerspiegelt (ja, es ist auch gruselig, aber es ist kein Genrefilm, keine Angst):

Paparazzi

Im Westlicht läuft gerade eine Ausstellung, die sich mit dem Phänomen Paparazzi beschäftigt (wie immer unbezahlte Werbung)

Die Ausstellung erklärt den Begriff, aber wenn man La Dolce Vita von Fellini gesehen hat, weiß man das eh schon. In diesem Film hieß nämlich der Fotograf, der die Promis ablichtete, Paparazzo und damit etablierte sich dieser Name als Überbegriff für jeglichen Promifotograf. Die Ausstellung widmen sich den Anfängen des Paparazzi-Tums, und den besonders gefragten “Opfern”.

Das teuerste Paparazzi Foto aller Zeiten – Britney Spears, als sie sich wegen eines Drogentests die Haare abrasieren musste.
Das letzte Foto von Diana im Auto & die nie veröffentliche Hello Titelseite von einem Diana Foto ihres letzten Urlaubs

Es beleuchtet aber auch die Zusammenarbeit von Prominenten mit Fotografen zu Werbezwecken, quasi gestellte Paparazzi-Aufnahmen in Absprache, und zeigt schließlich auch Fotos von unter anderem Anton Corbijn, der Schauspieler so in Szene gesetzt hat, als wären es Paparazzi Fotos, tatsächlich waren sie aber nur als solche inszeniert, kann man noch folgen? Zum Beispiel Kylie Minogue:

Insgesamt eine tolle Ausstellung, wenn auch zu klein (gut, die Galerie ist halt nicht größer). Man könnte noch sehr viel mehr zum Thema sagen. Etwa über das Spiel von Prominenten mit ihrem tradierten Öffentlichkeitsbild. Ich denke da an Jennifer Lopez, die gemeinsam mit ihrem damaligen Freund (jetzt Mann) Ben Affleck alle Fotos, die von ihnen heimlich geschossen wurden in dem Video Jenny from the block nachstellen. Dabei haben sie quasi die Macht über ihre Bilder wieder zurückbekommen, gleichzeitig war das doch etwas zuviel Omnipräsenz, das Paar trennte sich dann (und kam erst 20 Jahre später wieder zusammen). Man könnte noch mehr über die Gegenwehr von Prominenten berichten – in der Ausstellung wird Marlon Brando und ein Fotograf gezeigt, der sich ihm nur mit Helm nähert, weil Brando ihm ein paar Zähne ausgeschlagen hatte. Aber man könnte auch die rechtliche Seite beleuchten (wieviel Öffentlichkeit müssen sich Prominente privat gefallen lassen) Mir fehlt auch zum Beispiel eine Referenz auf den Lady Gaga Song/Video Paparazzi. Aber ja, der Platz ist begrenzt.

Aber ja, als (erste) Annährung an das Thema gut.

The Killer

Gestern hab ich nach einem halben Jahr oder so wieder mal Netflix aktiviert.

Es läuft unter anderem gerade The Killer von David Fincher.

Jetzt find ich Fincher als Regisseur schon sehr super. Fight Club ist einer meiner Lieblingsfilme. Gone Girl und sein take on Girl with the Dragon Tattoo sehr gut, Seven, Zodiac, The Game auch ziemlich lässig, das etwas geschwätzige The Social Network immerhin interessant. Na ja, und jetzt eben The Killer.

Es geht um einen (Nomen est Omen) Auftragskiller. Genauer gesagt, um einen ziemlich emotionslosen Auftragskiller, der uns in einer Art innerer Monolog (der bisschen an Arthur Schnitzler erinnert huch) in sein durchwegs sehr langweilges Leben mitnimmt. Denn wenn er nicht gerade killt, sitzt er viel herum, wartet, isst Junk Food, schläft kaum, zieht sich um, wäscht und desinfiziert. Also es ist alles in allem sehr öde. Dann geht ein Auftrag schief und im Zuge dessen gibt es viele Morde. Die Morde sind oft blutrünstig und gehen an die Nieren und Nerven, aber dazwischen ist es wieder unfassbar öde. Und unser Killer ist nach wie vor emotionslos. Er will nur funktionieren: “Stick to the plan. Don’t improvise. Anticipate.”

Ja eh, aber… ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll. Der Film an sich funktioniert, ist mit dieser slick-sterilen Attitüde in Hochglanz gefilmt, die wir von Fincher eh kennen. Michael Fassbender ist wieder mal der undurchsichtige Gewalttäter, aber. Der Film ist über weite Strecken langweilig und kalt, aber genau das will Fincher ja abbilden. Puh, ich weiß echt nicht wie ich das finde.

Aber doch, eines weiß ich, der Killer sagt ja, er kleidet sich absichtlich wie ein deutscher Tourist, um nicht aufzufallen. Mich erinnern seine Outfits aber eher an Johnny Depps Aufzug in Fear and Loathing in Las Vegas.

Wald

Voriges Wochenende habe ich Wald gesehen – den österreichischen Film von Elisabeth Scharang, nach einem Roman von Doris Knecht. Ich hab ziemlich viel von Knecht gelesen, dieses Buch aber (noch) nicht, weil mich der Stoff nicht so angesprochen hat und mit dem Film gings mir irgendwie ähnlich (harhar), dennoch hat dann die Neugier gesiegt.

In Wald geht es um Marian (Brigitte Hobmeier), eine Frau so Mitte 40, die nach einem traumatischen Erlebnis in das Dorf ihrer Kindheit und Jugend zurückkehrt, das sich im Waldviertel befindet. In dem baufälligen Haus ohne Strom will sie die nächsten Monate verbringen – auch ohne ihren Lebensgefährten. Im Dorf löst ihr Erscheinen alle möglichen (relativ negativen) Emotionen aus und sie trifft ihre frühere beste Freundin Gerti (Gerti Drassl) ebenso wie Franz (Johannes Krisch), der damals nach Südamerika auswandern wollte…

Am Anfang fand ich Wald ganz furchtbar, ich bin ehrlich. Die Handlung kommt irgendwie nicht in die Gänge, es passiert praktisch nichts – was ich sehr oft im Kino durchaus reizvoll finde, ich sag nur, ich habe das Jim Jarmusch Gesamtwerk gesehen – aber hier funktioniert das für mich gar nicht. Marian und das beschwerliche Beziehen eines verlassenen Hauses ist irgendwie extrem tröge (und ich verwende dieses Wort normalerweise nicht), dazu stellen sich mir – die ich wirklich keine große Praktikerin des Alltäglichen bin – einige logische Fragen wie: Es regnet und das Dach ist so undicht, dass es auf die schlafende Marian tropft. Müsste das Haus nicht in einem viel schlimmeren Zustand sein, wenn es hier offenbar schon seit geraumer Zeit hereinregnet und müsste das Bett/die Matraze nicht schon völlig verschimmelt sein?

Dazu kommt der Topos der vertrottelten Dorfgemeinschaft, den ich in der österreichischen Literatur und im Film wirklich hasse, weil er so abgegriffen und auch stereotyp (falsch) ist. Die Männer, die da ins örtliche Gasthaus kommen, sind eine Persiflage ihrer selbst, sie können natürlich nur laut und ordinär und ungehobelt und ungebildet sein, ich mein, was wäre das sonst für ein österreichischer Film? Ich mag das nicht. Gleichzeitig ist es schwierig, Theaterschauspielern wie den Hauptakteuren abzukaufen, dass sie urtümliche Niederösterreicher sind, die niemals aus dem Kaff herausgekommen sind.

Aber nun Plottwist: Ab der Mitte hat mir der Film dann zunehmend gefallen, ich weiß auch nicht genau wieso. Das Verhältnis von Marian, Gerti und Franz wird besser herausgearbeitet, es gibt interessante Dialoge, plötzlich auch sowas wie eine Handlung und irgendwie konnte ich mich dann auch zunehmend, zumindest partiell, mit den ProtagonistInnen identifizieren. Weil ich bei der Filmapp Letterboxd immer eine Sternewertung eintrage, sagen wir mal, es ist von einem Stern dann doch auf solide drei Sterne hinaufgegangen. Besonders die Musik hat mir gefallen, die die karge Landschaft, die sperrigen Charaktere, die oft Aussichtslosigkeit der Lage perfekt untermalt hat.

Und das Ende war…spannend!

Am Heldenplatz

Auf ORF 3 sieht man in letzter Zeit ganz gute Dokumentationen (unbezahlte Werbung).

Voriges Woche hab ich zu Romy Schneiders Geburtstag von 20 Uhr bis Mitternacht einige sehr gut gemachte Reportagen über sie gesehen, aber über Romy Schneider könnte man vermutlich eine Woche lang Dokumentationen sehen, und trotzdem wäre da noch ganz viel, was rätselhaft bleibt. Sie war eine wirklich sehr interessante und vielschichtige Persönlichkeit, mit einem herausfordernden Lebensweg.

Gestern sah ich Schicksalstage Österreichs – Der Heldenplatz Skandal. Darüber weiß ich zugegebenermaßen schon viel, das ist im Germanistikstudium natürlich auch immer wieder Thema gewesen. Trotzdem ist es alleine schon sehenswert, wenn man nochmal von Claus Peyman hört, wie er den 4. November 1988 erlebt hat, als Heldenplatz am Burgtheater seine Premiere hatte. Ein Stück, das Bernhard quasi im Auftrag von Franz Vranitzky für das Gedenkjahr geschrieben hat und in dem die Sozialisten, so wie eigentlich alle Österreicher, nicht gut wegkommen. Vor allem die Aussage im Stück, dass Österreich aus 6,5 Millionen Debilen bestehe, hat einen wütenden Mob erzeugt, der lautstark vor dem Theater demonstrierte.

Ich finde es ja immer interessant, wie solche Skandale gänzlich ohne Kenntnis des Stoffes – das Stück wurde erst direkt mit der Premiere öffentlich, davor waren nur einzelne Textpassagen bekannt – funktionieren und an irgendwelchen aus dem Zusammenhang gerissenen Zeilen aufgezogen werden. Das Wort “Rollenprosa” hat anscheinend auch wenig Eindruck bei den Demonstranten hinterlassen, denn natürlich sind die beanstandenden Sätze zunächst mal Sätze einer Kunstfigur, nicht des Autors und als solches muss man sich bewusst sein, dass man gegen fiktionale Aussagen von fiktionalen Charakteren demonstriert.

Wenn man die Doku so anschaut, kommt man aber zu dem Schluss, dass es Claus Peymann eine diebische Freude bereitet hat, dass Wien so über Heldenplatz gewütet hat. Lachend erzählt er, wie ihn auf dem Weg zum Theater eine Frau mit ihrem Regenschirm verprügelt habe. H.C. Strache war damals auch im Theater, und hat von einer Loge aus versucht, Stimmung gegen das Stück zu machen, was Peymann so kommentierte: “Er war der Oberradaubruder – ist ja nichts dagegen zu sagen.” Was wiederum Erwin Steinhauer in der Doku zu folgendem Kommentar inspirierte: “Mit nur Jubel wär er gar nicht glücklich gewesen. Ich glaube, (…) ihm hat das Störorchester, die Pfiffe (…) das hat ihm viel mehr getaugt als jede Zustimmung.” Ein sicher zutreffender Befund.

Heldenplatz war dann mit 120 Aufführungen eines der erfolgreichsten Stücke in der gesamten Geschichte das Burgtheaters. Bernhard starb nur drei Monate nach der Premiere.

Passages

Gestern habe ich Passages gesehen.

In dem Film von Ira Sachs geht es um den deutschen Regisseur Tomas (Franz Rogowski), der mit seinem britischen Ehemann Martin (Ben Whishaw) in Paris lebt. Auf einer Party lernt Tomas Agathe (Adèle Exarchopoulos) kennen und nach einem Streit mit Martin landet er mit ihr im Bett. Die Folge: Eine Menge Chaos und das Ringen um Entscheidungen.

Wenn man den Plot so liest, fragt man sich, was wird das sein? Eine Herz/Schmerz Geschichte mit einem (bisexuellen) Twist? Eine pseudo-künstlerische Fleischbeschau? Ein woke Betrachtung von Partnerschaften mit LGBTQI-Schlagseite? Nach der Sichtung muss ich sagen: Nein, das ist es alles nicht, es ist einfach das Porträt eines Arschlochs. Harhar.

Ich hoffe, dass Franz Rogowski ein sehr guter Schauspieler ist, der den Tomas so überzeugend abgrundtief unsympathisch darstellt und nicht selbst so ein egozentrisches Ungustl ist. Als Zuseher versteht man weder Martin noch Agathe. Martin ist lieb, einfühlsam, zuvorkommend, nett zu seinen Angestellten, bedachtsam, ein richtig angenehmer Mensch. Agathe ist erstaunlich bodenständig, etwas verloren in der Welt, aber aufrichtig, auf der Suche nach einer Familie, liebenswert, fürsorglich. Was die beiden jeweils an Tomas finden, der zu allen ruppig ist, seine Mitarbeiter ebenso wie seine Freunde permant anschnauzt, unangenehm-übergriffige Fragen stellt, lügt, manipuliert und niemanden auf der Welt so toll findet wie sich selbst, ich habe keine Ahnung. Aber erstaunlicherweise reißen sich beide um ihn.

Das ist ein Film, der sehr genau hinschaut, die Finger dorthin legt, wo es wehtut. Wenn man selbst schon mal in irgendeiner Art von Beziehung war, wird einen das möglicherweise auf die eine oder andere Art triggern. Die Charakterzeichung und Betrachtung ist schonungslos ehrlich, aber auch verständnisvoll für den Menschen und seine Schwächen an sich. Die Dialoge sitzen. Die Atmosphäre wird perfekt eingefangen. Ich habe mir ehrlich gesagt nicht erwartet, dass Passages für mich so wahrhaftig sein wird und so gut funktioniert, doch das tut er.

Einziges Manko: Es spielt eigentlich gar keine Rolle, dass Tomas homosexuell ist und plötzlich etwas mit einer Frau anfängt, er ist nämlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht bisexuell gewesen. Ich dachte, man wird über die Beweggründe dafür mehr erfahren und wie er sich damit nun fühlt. Aber vielleicht ist das auch gar kein Manko. Vielleicht geht es einfach universell um Beziehungen, ohne “Mascherl”. Dass das nicht zerredet ist, kann auch ein Pluspunkt sein.

Aus Venedig

Jetzt hab ich eben erst über Coopers Nase geschrieben, da gibts schon den nächsten Shitstorm in Venedig: Adam Driver spielt Enzo Ferrari und er ist nicht mal Italiener! Kulturelle Aneignung ahead! Ja wissen denn die Menschen, die sowas fordern nicht, dass Driver bereits Maurizo Gucci in House of Gucci gespielt hat? Das ist sowas wie die kleine Matura – vier Klassen Hauptschule und eine Tanzstunde, zwei Rollen mit einem italienischen Akzent, kleiner Italiener. Puh, ich krieg sicher auch gleich einen Shitstorm.

Und Roman Polanskis Film The Palace ist in Venedig, na ja, wenn ich schreibe durchgefallen, wäre es eine Untertreibung, weil in mehreren Reviews stand, es ist der schlechteste Film seiner gesamten Karriere (und er ist immerhin 90). Der Plot von The Palance: Reiche und verwöhnte, von Schönheitsoperationen entstellte Menschen feiern dekadent und es endet im Chaos, erinnert sehr an Triangle of Sadness von Ruben Östlund vom letzten Jahr. Nur, wird in den Kritiken bemerkt, die brachiale Version davon. Und wenn man bedenkt, dass auch Triangle of Sadness nicht gerade das war, was ich als subtile Interpretation des Eat The Rich-Topos bezeichnen würde, muss man sich da wirklich fürchten.

Filme, Herbstsaison

Mit dem 1. September beginnt nicht nur das neue ESC-Jahr, sondern auch die Filmsaison so richtig. Und vieles spricht dafür, dass das ein extrem starkes Film- und Oscar Jahr werden wird.

Mit Oppenheimer, Barbie und Past Lives haben wir ja schon drei Oscar-Fixstarter, und das im Sommer, der tradtionell eher schwachen Jahreszeit für Kinofilme. Gestern hatte Poor Things von Yorgos Lanthimos in Venedig Premiere, der euphorische Kritiken bekommt, vor allem die Hauptdarstellerin Emma Stone. Wenn ich mir die Bilder und den Trailer so anschaue, hab ich meine Zweifel, ob mich dieser Vibe kriegt – Sidestep: Ich habe The Lobster gesehen, der mir am Anfang sehr gut gefallen hat, über die Zeit allerdings für mich so einen absurd-naturalistischen Depri-Spin bekommen hat, dass ich dann doch unschlüssig war. Und ich glaube, das ist ein bisschen so das Markenzeichen von Lanthimos, aber natürlich werde ich Poor Things eine Chance geben.

Außerdem haben drei (quasi) Biopics in Venedig Premiere. Da wäre einmal Maestro von und mit Bradley Cooper, der im Vorfeld ja schon Diskussionen ausgelöst hat, wegen Coopers falscher Nase (seufz) und zweitens Priscilla über Mrs. Presley, der neue Film von Sofia Coppola. Und dann noch Ferrari, eine Michael Mann Produktion, über Enzo Ferrari, in der Hauptrolle Adam Driver (sic!).

Neben Venedig findet auch gerade das Filmfestival in Telluride, Colorado, statt, das in Europa immer so ein bisschen unter dem Radar läuft. Auch dieses bietet heuer große Namen, etwa die des Regisseurs Alexander Payne, der uns Filme wie Sideways und The Descendants geschenkt hat, also kleine tragikkomische Indie-Perlen. Er arbeitet wieder mit Paul Giamatti zusammen, diesmal für den Film The Holdovers. Die Regisseurin Emerald Fennell, die erst kürzlich mit Promising Young Women ihren Durchbruch geschafft hat, portraitiert in Saltburn eine exzentrische Adelsfamilie, hochklassisch besetzt mit Barry Keoghan (bekannt aus The Banshees of Inisherin), Rosemunde Pike (Gone Girl) und Carey Mulligan (die Hauptdarstellerin aus eben Promising Young Women)

Außerdem in Telluride, der Film All of Us Strangers, dessen Plot ein bisschen verstörend klingt – ein Mann reist in die Zeit zurück und trifft dort seine Eltern kurz vor deren Tod, okaaay, aber die Besetzung mit Paul Mescal (aus Normale Menschen und Aftersun), der spätestens seit seiner Oscarnominierung für letzteren Film richtig durchstartet und Andrew Scott – ja, der “Hot Priest” aus Fleabag – also das klingt schon recht fein!

Past Lives

Während das Kind letztes Wochenende Barbenheimer gesehen hat, habe ich mir Past Lives angeschaut.

Past Lives ist das Spielfilmdebut der südkoreanisch-kanadischen Regisseurin Celine Song. Der Plot ist rasch erzählt: Die 12-jährige Young Na wandert mit ihrer Familie nach Kanada aus, und lässt dabei nicht nur ihre Heimat Korea, sondern auch ihren Freund Hae Sung zurück. 12 Jahre später treffen sie sich online wieder, weitere 12 Jahre danach besucht er sie in New York, wo sie mittlerweile lebt. Young Na bzw. jetzt Nora (Greta Lee) ist mittlerweile mit Arthur (John Magaro) verheiratet, während Hea Sung (Teo Yoo) gerade eine Trennung hinter sich hat. Die beiden erinnern sich an das, was sie verbunden hat und stellen sich dabei die Frage, wie ihre (gemeinsame?) Zukunft aussehen soll.

Past Lives hat euphorische Kritiken bekommen und ja, dafür, dass das ein Debüt ist, wirkt dieser Film erstaunlich, wie soll ich sagen, routiniert? Drehbuch, Kamera, Schnitt, Musik, Schauspieler – alles passt, fügt sich zu einem geschmeidigem Gesamtwerk zusammen, das sich mit meinem Lieblingsthema beschäftigt: Menschliche Beziehungen. Die Romantik und Magie dahinter. Was Menschen verbindet, was Menschen trennt – auch wenn sie gerne zusammensein wollen. Und im Falle von Past Lives kommt auch noch Culture Clash hinzu, wie lebt man, wenn man die Heimat, ja sogar seinen Namen zurücklässt und anderswo ganz neu anfängt?

Aber – und ich weiß, es ist ein Jammern auf hohem Niveau – ganz erreicht mich diese Beziehungsgeschichte doch nicht. Obwohl sie langsam und unkonventionell erzählt ist (wie ich es mag), auch wenn sie weder platt noch pathetisch ist, auch wenn sie spannende Dialoge beinhaltet. Aber ganz komme ich speziell dieser Nora nicht nahe, genausowenig wie Hea Sung ihr nahe kommt. Diese Beziehung läuft ein bisschen nach dem Muster “The Chase” ab. Er vergöttert sie, sie entzieht sich ihm; wenn sein Interesse zurückzugehen scheint, dann meldet sie sich wieder, er beißt wieder an etcetera. Aber generell ist Nora diejenige, die ihn auf Distanz hält und es liegt nicht nur daran, dass sie verheiratet ist (denn das war sie bei ihrem ersten “Wiederfinden” nicht) und ihr Ehemann ist genau genommen in einer ähnlichen Position wie Hae Sung.

Nun fragt man sich zurecht, wo das hinführen soll und ich werde das nicht spoilern. Ich finde, der Film löst das auf eine sehr schöne und mystische Art auf, auf eine Weise, mit der man nicht rechnet. Aber trotzdem fehlt mir irgendwie etwas. Vielleicht etwas mehr… hm, Information? Past Lives wird gerne mit der Linklater Before Trilogie verglichen, aber das trifft es m.E. auch nicht wirklich, es sei denn, man zieht bei jedem Film Parallellen, wo ein Mann und eine Frau spazierengehen und sich poetische Gedanken machen.

Fazit: Past Lives ist ein sehr guter Film, von dem ich mir erwartet habe, dass er mich tiefer beühren wird, als er es tatsächlich hat. Vielleicht ist mir auch gerade nicht so nach Liebesgeschichten. Vielleicht verstehe ich zuvieles an Korea nicht. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Aber nichts destotrotz: Es ist ein sehr guter Film.

RIP Toto

Toto Cutugno ist gestorben.

Seinen größten Hit hatte er mit L’Italiano, in dem er die italienischen Stereotype gleichzeitig persifliert, wie auch manifestiert. Da ist von Kanarienvögeln in den Fenstern die Rede, den Spagetthi al dente, der Musik aus den Autoradios, den melancholischen Augen und vor allem von ihm selbst, mit der Gitarre in der Hand, der darum bittet, singen zu dürfen, weil er sei eben ein “echter Italiener”.

Der Song ist zeitlos gut, und ich habe ihn in meiner ESC Playlist, obwohl Cutugno mit einem anderen Lied gewonnen hat und zwar, nachdem er 1990 in San Remo ursprünglich nur Zweiter wurde (mit dem Song Gli Amori). Die Sieger wollten aber nicht zum ESC nach Zagreb fahren und so kam Cutugno zum Zug, der dafür einen speziellen Song komponierte. Es war das historische Jahr 1990 und der ESC war quasi ein Themenabend zum vereinten Europa und Songs mit Titeln wie Somewhere in Europe (Irland), Frei zu leben (Deutschland), Keine Mauern mehr (Österreich) oder Brandenburger Tor (Norwegen). Und eben Insieme: 1992 von Cutugno.

Man soll ja keine Klischees verbreiten, schon gar nicht in der heutigen Zeit, wo alles potentiell irgendwen offended, aber Cutugno ist schon mit der typischen italienischen Lässig/Wurschtigkeit nach Zagreb gereist, hat sich dort einen Chor von Einheimischen zusammengestellt und kam dann in Turnschuhen (damals nannte man die noch so) auf die Bühne, als es noch nicht “salonfähig” war.

Als er dann gewonnen hatte und Rom im folgenden Jahr den Bewerb austrug, moderierte er praktisch unvorbereitet. Gigliola Cinquetti, die andere ESC Gewinnerin für Italien (von 1964), co-moderierte und rettete, was zu retten war. Der gesamte Abend war mehr oder weniger auf Italienisch, so auf die Art, ja wer die Sprache nicht kann, hat eben Pech gehabt, das ist schon sehr badass. Und bei der Punktevergabe schwamm Cutugno dann nur noch, er wusste weder, mit welchen Juroren er sprach, noch wie viele Länder auf französisch ausgesprochen werden.

Vor einiger Zeit wurde der ESC 1991 im Rahmen von #eurovisionagain wieder ausgestrahlt und ESC Aficionado Marco Schreuder twitterte damals:

Ich denke, er hätte genau das gesagt. Weil er ist eben ein echter Italiener! Harhar.

Hier nochmal seine Sieger-Performance in Zagreb. RIP.