almis personal blog

Semesterferien, vier

Zum Abschluss der Ferien waren wir dann vergangenen Sonntag noch in der Mira Lobe/Susi Weigel Ausstellung Das kleine Ich bin Ich im Wien-Museum.

Das kleine Ich bin Ich ist ja so etwas wie nationaler Lesestoff für alle Kindergartenkinder. Es handelt sich dabei bekanntermaßen um ein Tier, das nicht weiß, was es eigentlich ist. Es trifft viele verschiedene Tiere, mit denen es jeweils ein paar Eigenschaften teilt, letztendlich ist es aber weder ein Frosch, noch ein Pferd, Fisch oder ein Hund. Es ist ganz verzweifelt, weil es nirgends dazugehört, bis es letztendlich draufkommt, natürlich gibt es mich, denn Ich bin ich. Hach. Eine schöne Botschaft.

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Die Ausstellung beschäftigt sich aber nicht nur mit dem, wenn man so will, Hauptwerk der Autorin Lobe und ihrer bevorzugten Zeichnerin Susi Weigel, sondern gibt auch einen Einblick darüber, wieviele andere Bücher die beiden zusammen verfasst haben. Ich selbst besitze sehr viele Bücher der beiden (Der Dackelmann hat recht, Der kleine Drache Fridolin, Das Städchen Drumherum, Die Omama im Apfelbaum, Lollo, Morgen komme ich in die Schule…) und sie haben alle diesen unverwechselbaren Charme und Witz, und geben einem nie das Gefühl, die kindliche Leserschaft irgendwie von oben herab zu betrachten.

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Die Ausstellung beinhaltet “hängende Bücher” mit darunterstehenden kleinen Sesseln, wo man Bücher lesen und auch vorlesen kann, Interviews und Beiträge zum hören mit Kopfhörern, viele Skizzen, biografische Informationen und – am wichtigsten für Adrian und einige andere anwesende Knider in seinem Alter: eine echte Schreibmaschine, an der man selber tippen kann. Was an dieser Ausstellung tatsächlich noch zu verbessern wäre: eine zweite Schreibmaschine bereitstellen!!

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To sum it up: Das waren wohl die schönsten Semesterferien meines Lebens. Eigne mich wohl eher zum Elter, denn zum Kind…

Ein bisschen Bachmann

Vorbei sind die Zeiten, in denen ich tagelang nonstop vor dem TV gesessen bin, 3 sat aufgedreht und den Bachmannpreis quasi in voller Länge verfolgte. Damals noch mit Gerd Scobel, den fand ich auch cool. Heute ist es so, dass ich gegen zehn, wenn das Kind endlich schläft, die Videos im Internet ansehe und zwar meistens zuerst die Jurydiskussionen. Vergesst die Jurys in den diversen Castingshows, beim Bachmannpreis gehts wirklich ab! Oder wie Daniela Strigl bissig bemerkte: “Hubert Winkels ist wie immer klüger als der Autor.”

Da werden die Texte der Aspiranten ordentlich zerpflückt: der neue Juror Arno Dusini (übrigens Germanistikprofessor an der Uni Wien, meine Freundin belegte ein thematisches Proseminar über Kafka bei ihm und hatte zu leiden) machte gleich am ersten Tag mit der Äußerung über Olga Flors Text von sich hören. Und zwar geht es bei Flors Text um zwei ehemalige Liebende, die sich nach Jahren wieder treffen und das Knistern beginnt von neuem. Dusini dazu: “(…) ob es ausreicht, dass ein österreichisch-franz. Arschfick Literatur macht, das ist mir nicht klar.”

Natürlich weiß Herr Professor Dusini, das man das auch anders ausdrücken könnte, etwas blumiger, dezenter, er weiß aber auch, dass ein beim Namen nennen ihm eine deutliche Erwähnung in der Berichterstattung garantiert und “quod erat demonstrandum”. Genau das wurde natürlich tags darauf überall zitiert. Gratulation.

Wie immer, und auch vom FM4 bei seinem Bullshit-Bingo erwähnt, dauert es nicht lange, bis Thomas Bernhard ins Spiel kommt. Zwar ging es im präsentierten Text um Schreibabies, aber es handle sich dabei auch um eine “Suada”, und stehe damit quasi in der Bernhard’schen Tradition, und (wieder Dusini): “Man kann auch mit Bernhard Probleme haben.” Denn Bernhard sei eben auch nicht “sakrosankt” – ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber genau wegen solcher Sätze lieben wir doch den Bachmannpreis.

Da unterhalten sich tatsächlich viele erwachsene Menschen tagelang über Literatur und mögliche Interpretationen und machen etwas zum Mittelpunkt, was in unserer Gesellschaft selten Mittelpunkt ist; und auch wenn der Preis und das Prozedere natürlich durchaus kritikwürdig ist (ich habe mich im Rahmen meiner Diplomarbeit ausführlich mit Literaturkritik beschäftigt) – es ist und bleibt für mich sehens- und hörenswert.

Beautiful boy

Letztens haben wir uns Mr. Peabody und Sherman angesehen – der Film ist wirklich gleichermaßen witzig wie niedlich. Obwohl die vielen Zeitreise Anspielungen für Kinder unter – sagen wir – 10 Jahren nicht verständlich sein werden, tut das der Begeisterung keinen Abbruch. Und für größere Kinder und Erwachsene ist es eine zusätzliche reizvolle Ebene.

Sehr gelungen war auch, wie der IMO hinreißende John Lennon Song Beautiful Boy im Film eingebaut wurde. Lennon hat Beautiful Boy für seinen kleinen Sohn Sean geschrieben und als ich ihn erstmal bewusst hörte, war ich vielleicht 14 oder 15. Ich hab mir ein Zitat aus dem Song rausgeschrieben und an die Kinderzimmertür gehängt, nämlich Life is what happens to you while you’re busy making other plans. Damals wusste ich noch nicht, wie wahr das ist. Als ich einige Zeit später, mit 17, also kurz vor der Matura, eine Klasse wiederholen musste, bekam ich eine Ahnung davon, was das Leben wohl alles für einen unvorhergesehenes bereithalten kann.

Für die Englisch-Schularbeit in der 7. Klasse Gymnasium (kurz vorm Durchfallen, aber nicht in Englisch, da war ich sehr gut) mussten wir ein Buch lesen (jeder ein anderes, ich hatte was von Somerset-Maugham) und die Aufgabenstellung war folgende: “Describe how the dictum Life is… is true for a particular character in your book.” Das passt natürlich auf jedes Buch, denn ein Buch, das seinen Protagonisten nicht in die schwierigste Situation seines Lebens bringt, wird kaum verfasst werden. Ich jubilierte über die Aufgabenstellung, die ich sehr spannend fand, aber auch darüber, dass unser Englischprofessor mein Zitat verwendet hatte.

Weiterer Lesestoff

Mittlerweile gehen wir fast wöchentlich in die Bücherei. Adrian hat großen Spaß daran, vorgelesen zu bekommen.

Nur bei manchen Büchern, die wir ausborgen, bin ich etwas herausgefordert. Beispielsweise wollte er unbedingt das Buch Warum wir keine Tiere essen ausleihen. Nun ja. Ich esse Tiere. Zwar esse ich eher selten Fleisch, liebe aber Huhn und mag auch Faschiertes sehr gerne, ganz auf Fleisch verzichten möchte ich nicht. Aber gut, es ist ja auch wichtig, den Kindern einen gewissen Meinungspluralismus nahezubringen. Das Buch war dann auch ganz gut aufgebaut und hat auch von den Missständen bei der Tierhaltung berichtet – die Schlußfolgerung: deshalb essen wir nie wieder Fleisch, kann ich zwar nicht teilen, aber ok.

Ein anderes Buch, das recht interessant war, ist dieses hier:

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Gut, der Titel könnte einem schon eine Warnung sein. Harhar. Es geht um kleinere und größere Tabuthemen, Dinge eben, die kleinen Kinder noch nicht bekannt sind, die geheimnisvoll oder lustig anmuten. Zum Beispiel warum manche Erwachsene ihre Zähne nachts in ein Glas legen, warum man einen Bauchnabel hat, warum manche Haare in der Nase, aber nicht am Kopf haben und was Mama und Papa manchmal im Schlafzimmer machen. Öhm ja. Natürlich sehr kindgerecht geschrieben und gezeichnet.

Das amüsiert Kinder offensichtlich sehr und wirft natürlich auch eine Menge Fragen auf. Allerdings Fragen, die eben altersgerecht sind. Das ist noch keine lückenlose Aufklärung gefordert. Oder wie meine Freundin L. meinte, die Kinder fragen erst dann näheres, wenn sie dazu bereit sind. Das stimmt offenbar! Ich hoffe, ich bin dann auch bereit. Harhar.

Rotkäppchen reloaded

Adrian hat vom Nikolo ein witziges Rotkäppchen Buch bekommen, die Zeichnungen sind sehr originell. Der Wolf ist schon böse, macht aber irgendwie einen auf cooler Gangsta. Wie er da am Baum steht und Rotkäppchen abpasst:

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Das Ende der Geschichte ist dann auch etwas abgemildert, für den Wolf. Wahrscheinlich erschien der Illustratorin mit Steinen im Bauch dann doch nicht mehr ganz so zeitgemäß – oder es ging ihr zu sehr in die Splatter-Richtung.

In der Bücherei

Als die erste längere Herbstkrankheit überstanden war, haben wir Ende letzter Woche die Nachbarfamilie recht spontan zur Bücherei Floridsdorf begleitet.

Gut, es war schon mal spannend, mit vier Kindern (zw. 1,5-6 Jahren) an der alten Donau entlang und dann am Bahnhof Floridsdorf vorbei, “anzureisen”. Am Bahnhof verweilten wir etwas, weil dort ein Klarinettist spielte, Adrian und E. tanzten und ihre kleinen Brüder setzten sich direkt vor ihn und schauten ihm fasziniert zu.

Na gut, irgendwann kamen wir in der Bücherei an und ich war erstaunt und erfreut, wieviel Auswahl an Kinderbüchern dort vorhanden war. Für alle Alterstufen, zu sehr vielen Themenbereichen (Natur bis Technik) geordnet, dazu gibts auch Hörbücher auf CDs, es gibt Kassetten und DVDs, und – für uns praktisch – ganz viele Vorlesebücher. Die Kinder stürzten sich gleich ins Getümmel und suchten sich einiges zum mitnehmen aus. Dann wurde mit den Mamas verhandelt, welches Buch jetzt noch unbedingt mitmuss und welches dann das nächste Mal (beim nächsten Mal werde ich auch sicher eine größere Tasche mitnehmen!)

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Wir erstanden übrigens drei neue Zilly-Bände und Das kleine Ichbinich, außerdem ein witziges Buch namens Das Froschl und u.a. auch ein Hörbuch von Geschichten von Michel, gelesen von Robert Stadlober (!). Außerdem habe ich ein Buch namens Adrian Adrenalin entdeckt. Hat mein Sohn seine Biografie geschrieben?

Jedenfalls kann man dann für ein Kind einen eigenen Ausweis lösen, der gratis ist. Man kann sich damit bis zu 25 Medien gleichzeitig ausborgen und das für vier Wochen. Kann dann aber auch noch verlängern. Außerdem kann man die Bücher in jeder anderen Bücherei Wiens auch zurückgeben. Die Kinder können unter drei verschiedenen Ausweiskarten wählen und bekommen noch ein Gratislesezeichen dazu. Sehr nett.

Anmerkung am Rande: die Bücherei in Floridsdorf ist besonders kinderfreundlich!

New hood, zwölf

In unserem neuen Wohnhaus hat tatsächlich ein Nachbar Der Mensch erscheint im Holozän gelesen! Wahnsinn. Nicht mal ich habe Der Mensch erscheint im Holozän gelesen und ich hatte bei meinem Rigorosum Max Frisch als Spezialgebiet.

Hüstel. Ich hoffe, meine Doktormutter liest nicht mit. Dafür hätte ich einmal dank meiner Vorliebe für Frisch die Millionenfrage bei Wer wird Millionär beantworten können, bevor die Antwortmöglichkeiten eingeblendet waren. Ist doch wichtiger, praktisch anwendbares Wissen quasi.

Laut dem Nachbarn ist Der Mensch… übrigens sehr schräg. Dachte ich schon. Wir haben uns dann noch über Montauk, Mein Name sei Gantenbein und Homo faber unterhalten. Ja die habe ich selbstverständlich alle gelesen. Klar.

Besser

Jetzt habe ich also Doris Knechts zweiten Roman gelesen, er nennt sich Besser. Sehr mutiger Titel, wenn man erahnen kann, was Rezensenten mit solchen Titel gerne kalauern (“Wäre er doch nur besser gelungen usw…”)

MINIMALE SPOILER MÖGLICH

Ich liebe Knechts Kolumnen, vor allem im Falter und natürlich ihre zu Büchern gepressten Kolumnensammlungen. Ihren hochgelobten Erstling Gruber geht kenne ich nicht, aus dem Grund, weil mich das Thema (Krebserkrankung) abschreckt und ich auch nach der Leseprobe am Kindle nicht so leicht hineingefunden haben, in den Stil. In Besser findet man dagegen relativ unmittel rein, weil die erste Szene eine ausführlich beschriebene Sexszene ist. Harhar.

Nein, es ist von der ersten Seite an eine vertraute Welt, in die Doris Knecht uns da führt, diese Welt kennen wir aus ihren Kolumnen. Es geht um ein gutsituiertes Paar im besten Alter aus Boboville (in Wien, oft 2. Bezirk), sie haben Kinder, sie haben intellektuelle Freunde, essen kroatische Ziegenwürste und Bregenzerwälder Bergkäse und trinken Rotwein (was Knechts Hauptfigur auch selbstironisch als “wie aus dem Bobo-Handbuch” bezeichnet). Einmal baut sie sogar eine Art Wissensquiz für ihr Publikum und die geneigte LeserIn errät vielleicht das Video, das Knechts Hauptfigur sich gerade ansieht (für mich wars einfach: Arcade Fire, Suburbs, oute ich mich damit als Bobo?). Übrigens ein toller Song, welche Relevanz er für den Plot hat, wird mir nicht ganz klar.

Und da haben wir auch m.E. schon den Pferdefuß des Textes. Das alles ist eine nette, oft witzige, meist auch sehr hellsichtige Beschreibung einer Gesellschaftsschicht, eines Menschenschlages, eines städtischen Biotops. Das liest sich amüsant und flüssig. Doch darüber vergisst Knecht ihre Hauptfigur Antonia Pollak, und wie man weiß, ist das Ziel eines Buches halt eben doch, die Hauptfigur in die schlimmstmögliche Situation ihres Lebens zu bringen und sie dann ordentlich strampeln zu lassen. Habe man das nicht vor, so las ich einmal, dann wäre es keine Romanform wert.

Antonia Pollak strampelt nicht, sie tänzelt vielleicht da und dort etwas nah an den Abgrund, aber einen wirklichen (innerlichen) Kampf erlebe ich als Leser hier nicht. Was sind die Schatten ihrer Vergangenheit, welche Dämonen bekämpft sie wirklich? Und wieso manifestiert sich ihr Vorleben so wenig in der Gegenwart? Ich fürchte, ein Buch, dass das Thema Drogensucht beinhaltet, kann man nur glaubhaft schreiben, wenn man selbst Erfahrungen in dieser Richtung oder sehr viel drüber recherchiert hat. Frau Pollak hat angeblich Bedrohliches erlebt, aber irgendwie floatet sie dafür zu relaxt mit, in dieser sie stetig umspülenden liberalen Strömung.

Doris Knecht kann schreiben. Sehr gut sogar. Einzelne (kurze) Kapitel von Besser sind sogar regelrecht poetisch geraten, dass man den Atem anhält. Zahlreiche Metaphern wunderschön. Ob die Form eines Romanes hier die passende ist und ob Antonia Pollak die faszinierende Hauptfigur ist, wie es uns hier weisgemacht werden soll? Das bezweifle ich eher.

Das N-Wort

Nachdem sich Österreich im Zuge einer Volksbefragung am Sonntag für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ausgesprochen hat (lediglich in Wien waren die Berufsheer-Befürworter in der Mehrzahlt) und Vizekanzler Spindelegger in der ZIB2 gefragt wurde, ob man jetzt daran denke, das Zivildienst auf 6 Monate zu verkürzen (und dem Wehrdienst anzugleichen), da lehnte dieser ab und auf die Frage warum, antwortete er mit dem schönen und nicht nur später auf Twitter viel diskutierten Satz: “Weil es immer so war”.

Unter dem Hashtag #weilsimmersowar machten sich dann zahlreiche Twitterati darüber lustig, welche Dinge man noch mit #weilsimmersowar “argumentieren” könnte, da kamen dann so Sätze wie “Die Erde ist eine Scheibe #weilsimmersowar”, oder “Hände falten, Goschn halten #weilsimmersowar”.

Heute ist mir aufgefallen, dass man die Diskussion über Wortänderungen in Büchern, die ja auch schon seit einiger Zeit durch die Medien geistert und man manches, was da geäußert wird, auch unter diesem Hashtag subsummieren könnte. Warum zb. das N-Wort ausgetauscht werden soll, weil es eben nun mittlerweile als “offensive” gilt. Ich möchte mich jetzt gar nicht bezüglich politcal correctness überschlagen; es wird sicher manches Mal über das Ziel hinausgeschossen und ja auch ich finde, man kann es zuweilen übertreiben, aber ein Kommentar der von mir an sich sehr geschätzen Autorin Christine Nöstlinge zum Thema “Der Neger bleibt ein Neger” lässt mich dann doch etwas kopfschüttelnd zurück.

Nöstlinger empfindet es nämlich als Zensur an ihrem Werk, wenn der “Neger” nun zum Schwarzen würde, denn Kinder würde das nicht stören und eigentlich wäre das nur eine verkopfte Erwachsenenidee. Als Beispiel bringt sie, dass “erotische Abschnitte” ihrer Bücher in Italien zb. wegstrichen werden. Was das betrifft, stimme ich zu, das ist Zensur und abzulehnen. Ein Wort allerdings, über das man sich gesellschaftlich geeinigt hat, es nicht mehr zu verwenden (aus gutem Grund), gegen ein anderes (mit gleicher Bedeutung) auszutauschen, das ist für mich nicht Zensur sondern der Wandel der Zeit und der Fortschritt. Sprache ändert sich, Begriffe werden durch andere ersetzt, fragwürdige und diskriminierende Ausdrücke verschwinden. Und wieso sollte das nicht so sein? Nur weils #immersowar? Wir sprechen heute auch nicht mehr mittelhochdeutsch, weil es immer so war.

Auf Twitter hat heute jemand auch ein gutes Argument dafür gebracht, warum der Ausdruck Neger ersetzt werden sollte: Als Nöstlinger über Neger schrieb, war das ein ganz normaler, unverdächtiger Begriff, den jeder ohne böse Absicht benutzt hat. Wenn eine Figur in ihren Büchern das zu einer anderen sagte, so meinte diese Figur das nicht beleidigend. Wenn Kinder heute das Wort in einem Buch lesen, dann ist der Kontext ein völlig anderer, dann wirkt es so, als würde eine Figur die andere verletzen wollen oder absichtlich diskreditieren. So komisch das klingt, gerade die Beibehaltung dieses Wortes würde den Kontext verändern.

Man kann und soll darüber diskutieren, ob PC immer und überall ihren Zweck erfüllt oder nicht und auch intensiv darüber, welche Begriffe man in Büchern ändert, aber gerade was das N-Wort betrifft, kann ich mich Nöstlingers Ansicht hier nicht anschließen.

Noch etwas zu Tante Jolesch

Übrigens geht die Torberg-Anekdote von neulich noch etwas weiter.

Auch Sigmund Freud hat man später erzählt, dass Julius Wagner-Jauregg der angesprochene Patient vorgestellt wurde, es Wagner-Jauregg aber nicht schaffte, an ihn heranzukommen. Daraufhin meinte Freud nur: “Ich bitte Sie, was versteht ein Goi (=Nichtjude) von meschugge?”

Wagner-Jauregg erhielt 1927 übrigens den Nobelpreis für Medizin und überraschte mit seiner Rede auf einem Bankett damit, der nächsten Generation (eben Freud und Co.) zu wünschen, auch einmal den Nobelpreis in Händen halten zu dürfen. Nach einer kurzen Pause – und Staunen im Publikum – fügte er hinzu: “Natürlich den für Literatur”. Was gar nicht so abwegig war, wenn man an Freuds teilweise sehr literarische Schreibweise und seine “Verwandtschaft” zu Arthur Schnitzler denkt.

Diese und ähnliche Geschichten finden sich übrigens in Torbergs Tante Jolesch Büchern, eine Sammlung von Geschichten des jüdischen Lebens in der Zwischenkriegszeit. Sehr kluge und pointierte Bücher.