almis personal blog

adventrituale

ich habe in diesem advent noch keine einkaufsstraße und keinen punschstand gesehen. dafür: 

…kekse und belegte brote essen, tee trinken in der gemütlichen küche einer freundin 

…täglicher spaziergang in der 16-uhr dämmerung mit dem kinderwagen

…zwei oder drei how i met your mother-folgen abends schauen

…online bestellte geschenke bequem an der haustür vom postler in empfang nehmen

…mich wie jedes jahr auf das falter-abschlußheft (best of gut und böse usw.) freuen

the drugs do not work, zehn

dann geht es eigentlich schlag auf schlag. 

adrian kann stundenweise weg vom cpap und bekommt mit sauerstoff angereicherte luft über den brutkasten. ich stehe davor und mir fällt auf, das irgendwas anders ist. dann erst bemerke ich: ich sehe erstmals seine nase ohne schläuche und kabel drumherum. es ist ein sonniger tag mitte november, die psychologin ist bei mir und dann kommt unser neonatologe vorbei. er berührt leicht meinen arm als wollte er mir sagen: "das ist ein großer moment".


in der hängematte, november 2007

zwei tage später können wir känguruhen. davon habe ich hier berichtet. es ist unfassbar, adrian endlich zu halten und berühren zu können. erstaunlicherweise muss ich nicht weinen. ich bin zu überwältigt von der situation. aber ich freue mich die ganze zeit über darauf, ihn nachher in wien anzurufen und ihm davon zu erzählen. die woche darauf hat er urlaub genommen. perfektes timing. so kann er auch känguruhen. einmal fahren wir mit dem auto den jaufenpass ab. es hat kurz zuvor viel geschneit und es ist bitterkalt. aber auch befreiend, für ein paar stunden alles hinter sich zu lassen.

inzwischen wieder telefonate mit mailand. adrian braucht ein passfoto für seinen notpass. dieses foto wird mit hilfe einer schwester im brutkasten gemacht. adrian hat noch eine magensonde gelegt, sichtbar neben seinem mund befestigt. aber das spielt keine rolle. in diesem fall sind die richtlinien für ein eu-konformes passfoto nicht ganz so streng. alles ziemlich bizarr. ein paar tage darauf kann ich den pass in bozen abholen. es ist wieder mild und sonnig und ich sitze am walterplatz und bin zufrieden, ausgeglichen. auch diese momente gibt es.

dann findet das entscheidende gespräch mit unserem neonatologen statt. er gibt sein ok für den transfer nach wien. wir müssen ein spital organisieren. man könnte meinen, dass das eine freudige nachricht ist. aber ich habe richtig schlimme gemischte gefühle. ich will nicht weg aus bozen, auch wenn es natürlich vieles einfacher macht. ich habe angst, zurückzukehren. angst, wieder von vorne beginnen zu müssen. in wien kennt uns niemand, kennt niemand unsere geschichte. niemand wird "schotzl" zu adrian sagen oder "piccolino". ich habe zweifel, dass er dorthin gehört. ich habe angst, um die geborgenheit und den rückhalt, den wir auf der terapia intensiva neonatale in bozen erfahren haben. ich mache mir nichts vor, die umstellung wird hart werden. 

adrian trinkt seine ersten schlucke per flasche. er wird vom hochintensiv-zimmer ins subintensivzimmer verlegt. am ersten sonntag anfang dezember ist es soweit. ein rettungswagen aus österreich kommt uns holen. adrian liegt im transportbrutkasten. er trägt einen weißen pulli mit der aufschrift a.s.bolzano (für azienda sanitaria = sanitätsbetrieb). unser neonatologe ruft über den gang der station alle zusammen: "der adrian fährt heim". ich bin gerührt, aufgeregt, es ist ein schwieriger abschied. der neonatologe sagt, dass alle adrian vermissen werden. er war mittlerweile zum längsten anwesenden patienten der station geworden. und adrians geschichte wird in eine studie über extremfrühchen mit geburtsgewicht unter 1 kilogramm aufgenommen. sein fall ist eine erfolgsgeschichte.

love is danger, love is pleasure

schon interessant, dass einer der neuzeitlichen xmas-song klassiker mit den worten "i’ll protect you from the hooded claw, keep the vampires from your door" beginnt.

ja genau, und von einer band stammt, die mit relax einen na ja, sagen wir kontroversiell diskutierten hit hatten. aber kontroversiell diskutierte songs sind ja oft spannend und in dem fall auch richtig gut.

im video zu the power of love werden unter dem motto "make love…your goal" die geschehnisse in bethlehem im jahr null nacherzählt. 

the drugs do not work, neun

so, im alten jahr möchte ich in den endspurt gehen…

an einem sonnigen sonntag ende oktober kommen wir auf die station und eine schwester begrüßt uns mit den worten: "heute ist ein schöner tag!". wir können es kaum erwarten, adrian zu sehen. er ist extubiert! unser neonatologe hat ihm zugetraut, dass er es schafft. und er schafft es.

endlich. nun wird er mittels CPAP beim atmen unterstützt, was zwar furchterregend ausschaut – im vergleich zum schlauch in der nase vorher ist das eine art sauerstoffmaske ("come un astronauta" – wie ein astronaut) – aber wesentlich harmloser ist. natürlich schwankt sein zustand noch, die schwestern und pfleger müssen anfangs alle paar minuten die beatmungsintensität anpassen, aber wie eine ärztin sagte: "besser instabil mit cpap als stabil mit intubation". ist es schon zeit durchzuatmen und zu denken, dass das schlimmste vorbei ist? ich traue mich nicht.

in ein paar tagen kann man auf der intensivstation von absoluter euphorie (wenn man sich die erlaubt) in tiefste verzweiflung fallen. an einem freitagnachmittag anfang november empfiehlt uns unser neonatologe nachhause zu fahren. das hat nichts mit adrian zu tun, aber die ereignisse in seinem zimmer sind zu schlimm, zu schwer zu verkraften, wir sollten das nicht mitansehen. das medizinische personal ist natürlich daran gewöhnt, aber wir nicht. es ist einfach nur schrecklich, was an diesem tag passiert. 

am nächsten tag hat auch adrian einen rückfall. eine infektion. er ist neuerlich intubiert, weil das atmen wieder zu anstrengend war und bekommt antibiotika. freunde von uns sind gerade zu besuch und unterstützen uns sehr. lenken uns auch ab. wieder einmal brauchen wir eine strategie, um mit den jüngsten ereignissen umgehen zu können. eine schwierigkeit der gesamten zeit liegt darin, sich schnell auf veränderte bedingungen einzustellen. eigentlich bräuchte man viel mehr zeit, das alles zu verstehen und zu verarbeiten. man möchte sich einmal in ruhe hinsetzen und das alles "fassen". aber die zeit hat man nicht, es geht eben schlag auf schlag.

nach einem neuerlichen schlimmen sonntag komme ich montag ins krankenhaus. jedesmal sehe ich auf die uhr, wenn ich die eingangshalle betrete, als könnte die mir schon irgendwas über adrians zustand verraten. ich weiß, ich werde es sofort wissen, wenn ich unseren neonatologen sehe. der war am wochenende nicht im dienst. mein herz klopft ganz schnell und ich bin völlig aus der puste, als ich die station betrete. unser neonatologe schiebt gerade ein ultraschallgerät über den gang. er lacht. uff. adrian habe "ein bisschen geschichten" gemacht. alles schon wieder unter kontrolle. 


endlich selbst trinken, bozen november 2007

der neonatologe war immer ehrlich zu uns. vom ersten tag an. langsam habe ich bei ihm das gefühl, dass er sich keine großen sorgen mehr um adrian macht. wir brauchen "nur geduld" sagt er. die zu haben, haben wir gelernt.

gedanken zu den globes

jedes jahr bin ich im dezember vor bekanntgabe der golden globe nominierungen aufgeregt und diese aufregung lässt sich nur noch durch die oscarnominerungen im jänner toppen. wie in einem atemlosen wahn verschlinge ich die lange liste und brauche dann erstmal etwas zeit, alles zu sortieren. 

zuerst mal: the curious case of benjamin button wird anscheinend der endgültige durchbruch von david fincher. und zeit wirds auch. fincher ist nicht mein lieblingsregisseur, aber er ist der regisseur meines nach wie vor lieblingsfilmes fight club. abgesehen davon zeichnet er für seven, the game oder auch zodiac verantwortlich, wurde aber für noch keinen der "großen" preise nominiert. sein hauptdarsteller ist wie bei fight club brad pitt und ich nehme mal an, dass beide zu den oscar-fixstartern dieses jahr gehören werden.

im gegensatz zu fincher hat sam mendes gleich mit seinem debüt, american beauty, voll eingeschlagen. 1999 bedeutete das bester film, regie, drehbuch, männlicher hauptdarsteller und kamera. da stimmte einfach alles und das legte die latte sehr hoch. der nachfolger, road to perdition, war ambitioniert, gut gemacht und trotzdem etwas blutleer, was mendes nachher selbst eingestand. auch jarhead blieb hinter den erwartungen zurück. und nun besetzt mendes in revolutionary road seine frau kate winslet neben leonardo di caprio (richtig, das hatten wir schon mal, titanic) in einem beziehungsfilm dessen tagline spannender ist, als di caprios statement zum film ("winslet küsst jetzt besser"), nämlich: "how do you break free without breaking apart". 

weiters interessiert mich besonders: der neue woody allen – vicky cristina barcelona (mit penelope, scarlett und javier bardem). the reader (nochmal mit kate winslet und vom regisseur von the hours). in bruges (eine schwarze komodie mit colin farell; klingt irgendwie wie ein widerspruch in sich, ist es aber offenbar nicht).

was fällt noch auf: tom cruises nominierung für eine selbstironische (und zugegebenermaßen gelungene) rolle eines durchgeknallten produzenten in tropic thunder. heath ledger natürlich, der joker in the dark knight. gut so, zweifelhafter hype hin oder her. wie schon erwähnt zweimal kate winslet. und natürlich judi dench, in einem fernsehfilm. man kann sich kaum eine nominierungsliste ohne dame dench mehr vorstellen. angelina jolie ist wie lebensabschnittspartner pitt nominiert, interessiert mich immer noch nicht. original score clint eastwood? da muss ich mal googlen.

diesmal keine österreich-nominierung, dafür der baader meinhof komplex, den ich nicht gesehen habe. im tv bereich warte ich jetzt wirklich darauf, dass 30 rock mit alce baldwin und tina fey (alias sarah palin) endlich mal bei uns anläuft. und für die filme, tja, da müssen babysitter her.

auf dem weg zum kleinkind…

nachdem adrian nun auch korrigiert bald ein jahr alt wird und damit auch offiziell in kürze ein kleinkind ist, ein paar betrachtungen was die "praktische" seite des lebens mit baby betrifft. 

am erstaunlichsten finde ich, dass beinahe alles, was den umgang mit einem baby betrifft, höchst umstritten ist. stillen oder flasche, früher beikostbeginn oder nicht, familienbett oder gitterbett, tragen oder kinderwagen, wippe oder laufstall, schreien lassen oder nicht, usw. ich denke, es tritt eher der weltfrieden ein, als dass es irgendwann mal bei diesen oder ähnlichen fragestellungen einen breiten konsens geben wird. ich kann nur sagen, dass man so einiges, was man sich in der schwangerschaft vornimmt, später dann verwirft. nicht nur, weil sich durch eine frühgeburt generell sehr vieles anders gestaltet (beispielsweise dass adrian von anfang an nur alleine schlafen wollte). sondern auch, weil vieles mit dem charakter des babys zusammenhängt.

man wird sich in den ersten monaten mit baby irgendwann mal so fühlen als wäre man gerade die protagonistin in einem von hera linds an den haaren herbeigezogenen plots über gestresste mütter, die nichts auf die reihe kriegen. meinen hera-lind moment hatte ich nachdem adrian ca. zwei wochen zuhause war. wir hatten einen termin zur physiotherapie und noch fünf minuten zeit vor dem weggehen. es war februar, es regnete, wir hatten noch den überwachungsmonitor, an den adrian auch im kinderwagen angeschlossen werden sollte und mir fiel ein, dass ich noch kein wasser abgekocht hatte, um unterwegs ein fläschen machen zu können.

das ganze sah also so aus: wasser aufsetzen, fläschen einpacken, wechselklamotten für adrian zusammensuchen, schnell noch neue windeln. nebenbei die anleitung für den regenschutz beim kinderwagen lesen. adrian neue elektroden für den monitor aufkleben. anziehen. wasser vom herd nehmen. in die thermoskanne umfüllen. regenschutz völlig falsch befestigen. nochmal gebrauchsanweisung durchlesen. endlich kapieren. blick aus dem fenster. es hat aufgehört zu regnen. regenschutz wieder ins wagerl stopfen. adrian in den schneeanzug packen. die elektroden durch die knopfleiste des schneeanzugs zu fädeln. mir selbst schuhe anziehen. babytasche in den kinderwagen. mütze aufsetzen. mir selbst eine jacke anziehen. monitor aufdrehen. monitor hat kein signal. schneeanzug wieder aufmachen. mir jacke wieder ausziehen. herumfummelei an den elektroden. pieps. pieps. elektroden sitzen endlich richtig. schneeanzug wieder zumachen. mir jacke wieder anziehen. adrian in den kinderwagen. schmusetuch suchen und finden. handyläuten ignorieren. im laufschritt die wohnung verlassen. wir kamen übrigens pünktlich.

darüberhinaus: man wird sich zum affen machen. man wird singen und tanzen und blödsinn reden, um das baby abzulenken, zum schlafen oder zum lachen zu bringen. eine freundin meinte letztens zu mir, als sie mich singen hörte (obwohl ich es nicht kann), sie wird das bei ihrem kind mal nicht tun, das habe sie auch schon ihrem partner gesagt. und ich: "glaube mir, du wirst singen." darauf würde ich eine menge geld verwetten. ich erzähle adrian sogar witze von stermann und grissemann, um ihn zu erheitern. was ist die lieblingsband von elchen? richtig, bluuuuur. kommt immer super an.