almis personal blog

grüße von gutenberg

heute in einem leserbrief an den relaunchten falter (den ich mir diesmal aufgrund der cover-überschrift paul auster über die usa gekauft habe) gelesen:

"hat man gutenberg persönlich zur falter-umgestaltung engagiert? schaut so aus. nichts als serifen. zugeramtsche seiten. gestalterisches mittelalter."

harhar. (ich finde den neuen look btw. nicht so übel)

der himmel über meran, zwei

ich mag joseph zoderers art zu schreiben. ruhig, sachlich, unaufgeregt. aber dennoch (oder gerade deshalb) gelingt es ihm perfekt, stimmungen zu vermitteln.

wenn in zoderers erzählband der himmel über meran der wind weht, dann ist es auch schon mal "der wind eines anderen sommers". sofort weiß man, was der autor meint. wenn der dezember als "das lange trostlose jahresstück" bezeichnet wird, in dem der protagonist "nach nichts verlangt", auch. und erst recht, wenn jemand "zu aufgeregt und zu glücklich" zum essen ist. 

ein junger student genießt es "ohne zeitvorschrift aus dem haus treten zu können (…) und einbiegen in die nächste gasse, zwischen den häuserfronten zu flanieren, leute ansehen, frauen, schick gekleidete mädchen, und hinter der nächsten ecke sozusagen den sommer des mittelmeers riechen zu können, auch noch im späten herbst zwischen den standeln des bozner obstmarktes."

in der letzten und zugleich am wenigsten konkreten erzählung sagt der protagonist: "den himmel über meran kenne ich nicht. obwohl ich unter ihm geboren bin an einem novembermorgen". und dann "wenn der nebel so dicht wird, daß die dolomitengipfel und die sarner gebirgsrücken einer ebene scheinbar gewichen sind, ist mir manchmal die via ripetta in rom viel näher als an sonnentagen."

sowie: "ich gehe vor mich hin, als ob der himmel eigentlich unter meinen füßen wäre". und zuletzt: "unter diesem südtiroler himmel wandere ich mit dem bewußtsein, daß alles teil eines lebensabenteuers ist (…) mir gefällt das widersprüchliche und ich leide mit. wie oft wünsche auch ich mir das eindeutige, den einzigen klaren blauen himmel und weiß, wie unterträglich langweilig das auf dauer wäre".

schön.

der himmel über meran

seitdem ich ihn kenne, waren wir aufgrund der familiensituation häufig in südtirol

südtirol war für mich anfangs fremd, eine ganz andere, neue welt. das erste mal kamen wir mit der bahn in innsbruck an, wurden abgeholt und fuhren mit dem auto über den brenner. das muss 94 oder 95 gewesen sein. es war tiefster winter, der schnee lag – zumindestens gefühlterweise – meterhoh, mir war, als würde er die täler erdrücken und mich gleich mit dazu. ich verstand die sprache kaum, vor allem wenn sie junge leute sprachen, diesen jugendslang mit vielen italianismen. ein vierjähriger fragte mich, ob ich die "gitsch" (das mädel) von m. sei. ich hatte den ausdruck nie gehört, es war alles so ungewohnt. ich hatte nicht das gefühl, eine gitsch zu sein. der erste eindruck: hier gehöre ich nicht hin. der zweite besuch fand im sommer statt, das land zeigte sich von einer ganz anderen seite – mediteran mild, herrlich duftend, wir fuhren nach bozen eis essen und schaufenster bummeln, wir blickten auf den kalterer see, machten ausflüge nach trento, meran und verona. die annährung über die urbane seite gelang besser.

dann kamen wir immer wieder. oft zwei, dreimal im jahr. südtirol gefiel mir immer mehr, langsam verstand ich auch die sprache, aber fassen konnte ich das land nicht, es schien mir sehr widersprüchlich zu sein, sehr viele gesichter zu haben. bis zu den ereignissen im letzten september und meinem ununterbrochenen aufenthalt von fast drei monaten, dort. dadurch änderte sich grundlegend etwas – und wenn ich an vorsehung oder schicksal glauben würde, dann musste es wohl so kommen, diese zwangskonfrontation mit land und leuten. das gefühl, dass adrian nicht zufällig in bozen geboren wurde und damit immer mit der hauptstadt südtirols verbunden sein wird.

und jetzt, ein jahr später, denke ich oft an südtirol, an bozen. vermisse es manchmal, die brennerstraße hinunterzufahren, rechts und links umgeben von bergen. den klang der sprache. den geruch. den lifestyle. sehr viel hat sich in meinem leben seither verändert. ich lese derzeit viel über südtirol. gerade bin ich mit joseph zoderers der himmel über meran fertig geworden. dazu wollte ich heute eigentlich bloggen, aber das mache ich dann das nächste mal. 

impressionen vom wochenende

samstag sagte die wetterprognose freundliches voraus. also machten wir einen ausflug zum kahlenberg. dort oben konnte man die sonneneinstrahlung "drunten im tal" sehr gut beobachten:

kahlenberg, september 2008

 

sonntag dann gabs eine geburtstagsfeier – und adrians erste geburtstagstorte. bitte aber nicht nach dem rezept fragen, ich habe sie nicht gebacken. lecker wars jedenfalls:

Happy birthday

I’ve got nothing to do today, but smile (Simon and Garfunkel)

Heute vor einem Jahr, als ich ich den kreissaal gebracht wurde, dachte ich zwei Dinge. Erstens: wo ist mein Handy? ich muss ihn anrufen. Und zweitens: welches Datum ist heute?

Ich erinnere mich an viele Details: den Geruch meiner Bettdecke. Die Uhr an der Wand. Den Himmel über Bozen, der bewölkt war. Die laue Luft, noch sommerlich warm, aber es würde regen geben, bald. Das Italienisch-deutsche Stimmengewirr überall. Die Geräusche aus den anderen Kreissälen. Die Musik. Hallelujah. Das nasse Handtuch auf meinem Gesicht. Der Galgenhumor zwischen uns. Die Menschen, die kamen und gingen. Die für mich da waren. Die Situation so ernst nahmen, wie sie war. Aber mir trotzdem ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln konnten.

Der Moment, als Adrian geboren wurde. Unfassbar. Seine Stimme, ganz ganz leise. Als ich sie hörte, wusste ich, dass ich alles für ihn tun möchte.

Wir sind heute unendlich dankbar.

von ameisen und gewinnern…

gestern: fand im orf die – meines wissens – allererste "ameisenrunde" ever zur bevorstehenden nationalratswahl statt. 

eine ameisenrunde, das ist, per definitionem, das pendant zur "elefantenrunde", der diskussion der parteivorsitzenden der im parlament vertretenen parteien. die ameisen sind demnach parteien, die erst noch ins parlament gewählt werden müssen. keine ahnung, ob der begriff ameisenrunde gang und gäbe ist, oder ob das irgendeinem spaßvogel hierzulande eingefallen ist. bisher brauchte man sowas in österreich einfach nicht, da es hier so gut wie keine kleinstparteien gibt. wie gesagt, bisher. in sachen polemische aussagen und streitkultur standen die teilnehmer den großen in nichts nach – was übrigens kein kompliment ist.

heute: es gibt drei tage im jahr, da stehe ich morgens gerne auf.

nämlich aus neugierde. dann, wenn in der nacht zuvor die golden globes, oscars und emmys vergeben werden. letzteres geschah soeben; hier die gewinner.

what the f…

grummel. 

wem ist eigentlich eingefallen, die südosttangente am wochenende zu einer großaustelle zu machen, dazu diverse abfahrten zu sperren und dann im verkehrsfunk zuerst zu sagen, es kommt zu zeitverzögerungen und – wenn man schon mitten im stau steht – zu verlautbaren, dass man die tangente doch eher bis montag früh lieber ganz meiden sollte. 

herrlich, zur housewarmingparty damit gute 2 stunden zu spät aufzutauchen. da kann man nur froh sein, dass adrian das auto auch dann mag, wenn es sich nicht großartig weiterbewegt.

badefreuden

ich dachte ja, ich hätte mich in acht jahren badezimmer mit ausschließlich dusche von der badewanne entwöhnt. 

was für ein irrtum. gestern abend ein schönes vollbad, teelichter rundherum, gedämpftes licht. hach ja, das war sehr entspannend.

es fehlte nur noch ein überteuertes hochglanz magazin, das man richtig schön mit nassen händen aufweichen kann. das nächste mal dann.

the drugs do not work, sechs

die ersten tage verliefen also gut und dann kam alles irgendwie zusammen. 

es war freitag, adrian war zehn tage alt. unser neonatologe war auf urlaub. unsere zimmernachbarn bereiteten sich auf die entlassung vor. a. wurde mit ihrem sohn nach brixen verlegt. für ihn war es der vorletzte tag vor der rückreise nach wien. und adrian ging es schlechter.

nachdem seine beatmungsintensität die letzten tage kontinuierlich verringert werden konnte, tat er sich plötzlich wieder schwerer. er wirkte angestrengt und nicht so lebhaft wie sonst. wir waren bei einem beinahe-notfall dabei, als adrians o2 sättigung plötzlich extrem abfiel und erstmals auch den herzschlag beeinflusste. ein paar schwestern kamen gelaufen und wir verließen das zimmer. standen draußen auf dem gang. konnte nicht sprechen, sahen uns nur an. was war nur los? was passierte mit ihm? wie sollten wir damit umgehen? wieso konnten wir ihm nicht helfen? heimfahren an dem tag war furchtbar. daheim fragen zu beantworten war furchtbar. schlafen war furchtbar. der ganze körper schmerzte und brannte. wir lagen einfach am bett. nicht mal fähig, das licht abzuschalten.

samstag erfuhren wir, dass sich der ductus wieder geöffnet hatte. dabei war die linke lunge kollabiert und arbeitete nicht mehr richtig. wenigstens gab es jetzt eine erklärung. doch der zustand war kritisch. adrian wurde mit einer elektrischen zahnbürste massiert, damit sollte die lunge wieder angeregt werden. sonntag lagen wir nach dem krankenhausbesuch wieder auf dem bett herum, bevor er fahren musste. draußen spielte eine blasmusikkappelle, es war ein sehr sonniger, warmer oktobertag. aber uns ging es schlecht, wirklich schlecht. ich hatte wahnsinnige schuldgefühle. irrational. aber sie begleiteten mich noch viele wochen und monate. 

dann musste er fahren. wir standen in der garage herum. die katze hatte gemerkt, dass sie ihren platz wechseln sollte und sprang von der motorhaube unseres autos auf die motorhaube des autos neben uns und rollte sich dort zusammen. je kälter es wurde, desto mehr genoss sie die warmen autos, das beobachteten wir dann ende november sehr oft. jedenfalls musste er fahren. es würde bald dämmern. ich wusste nicht, wie ich die folgende nacht schlafen sollte. mein sohn kämpfte in bozen und er fuhr bald über den brenner und dann immer weiter weg. 

am nächsten tag dann mit einem alles oder nichts-gefühl nach bozen, mir war sehr übel. unser neonatologe war wieder im dienst und als er mich sah, rief er mir zu: "die lunge ist wieder ok". fast wäre ich im um den hals gefallen. der ductus müsse aber nun per operation verschlossen werden. noch diese woche. trotzdem fühlte ich mich enorm erleichtert.