Adrian wird bald ein Jahr alt, also will ich wieder mal unsere Geschichte weitererzählen.
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatten wir bereits drei lange Tage Praxis darin, was es heißt, ein Extremfrühchen bekommen zu haben. Wir hatten viel über die möglichen Komplikationen erfahren, wir mussten nach ausführlicher Beratung gewisse Entscheidungen treffen, was die Behandlung betraf und wir lernten gleich zu Beginn, dass jeder Tag eine neue Situation bedeuten kann. Stündlich kann sich der Zustand des Babys ändern. Außerdem haben wir im Krankenhaus die Geburt gemeldet. Ein Gang, der eigentlich große Freude bedeuten sollte. Für uns war er, vorsichtig gesagt, eine ambivalente Sache. Danach in der Eingangshalle des Bozner Krankenhauses sitzen. Nichts interessiert einen, das Leben draußen ist nicht mehr von Belang, der Schmerz ist einfach zu groß und die Hilflosigkeit. Dazu die Angst, so gerne man sein Kind sehen will, wieder rauf zu gehen, auf die Intensivstation.
An Adrians 3. Lebenstag – meine Eltern waren gerade wieder abgereist – saß ich also wieder mal auf der Neugeborenenstation um abzupumpen. Es klappte anfangs nicht richtig und war auch sehr unangenehm. Ich hatte mich in einen Nebenraum verkochen, weil ich niemanden sehen wollte, schon gar nicht andere Mütter mit ihren Babys. Da stand plötzlich einer der Neonatologen vor mir. Er hatte mich schon gesucht. Ob er lieber später vorbeikommen sollte. Ich verneinte. Er hatte ja sicher einen Grund, mit mir sprechen zu wollen. Die Sache wäre die, dass Adrian eine Bluttransfusion bräuchte. Er möchte mit uns drüben auf der Station dazu ein Beratungsgespräch durchführen, denn dazu war unsere Unterschrift notwendig.
Es war wie eine Filmszene. Ich saß da und sah ihn an. Die ganze Welt um mich herum schien im Boden zu versinken. Ich nickte nur und sagte irgendwas, ich weiß nicht mehr was. Jetzt ist alles aus, glaubte ich. Es war, als hätte mir jemand mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen, ich konnte gar nicht mehr denken. Diese Situation wiederholte sich in den nächsten Wochen immer wieder einmal. Meistens stand ich dabei auf zwei Beinen, was immerhin schwieriger war als zu sitzen. Ich überlegte, wie ich es ihm am besten beibringen sollte, ohne, dass er dabei so einen Schock bekommt wie ich. Möglichst beiläufig. als wüsste ich alles über Bluttransfusionen bei Babys. Es gelang, na ja, mäßig.
Später auf der Station erfuhren wir, dass eine Bluttransfusion für Frühchen relativ normal ist, und auch nicht die Nebenwirkungen hervorruft, wie sie das bei erwachsenen Menschen tut. Es ist natürlich auch viel weniger Fremdblut notwendig. Das Gute war, dass man auf der Terapia intensiva neonatale immer auführlich informiert wurde. Und aufgefangen. Man fühlte sich dort geborgen. dass wir in Bozen waren, in dieser Situation, war einer der Glücksfälle im Leben.