almis personal blog

Hard Truths

Diese Woche habe ich Hard Truths in OV gesehen, der ausschließlich und auch nur wenige Tage im Gartenbau lief.

Regisseur Mike Leigh porträtiert darin Pansy (Marianne Jean-Baptiste), eine Frau in mittleren Jahren die vom Leben frustriert ist und ihrer Wut Luft macht. Wenn sie den Mund aufmacht, dann spricht sie nicht, sie schreit. Sie streitet mit allen Menschen, denen sie begegnet – ob es die Kassiererin im Supermarkt ist, ihre Zahnärztin und die Verkäuferin im Möbelgeschäft. Ihr Mann Curtley (David Webber) und ihr erwachsener Sohn Moses (Tuwaine Barrett) haben aufgehört, zuhause zu sprechen, sie sitzen beim Abendessen nur schweigend daneben, wenn Pansy ihre endlosen Tiraden loslässt. Einzig ihre Schwester Chantelle (Michele Austin) scheint auf die Hintergründe von Pansys Unausstehlichkeit blicken zu wollen…

SPOILER MÖGLICH

Mike Leigh, mittlerweile 81, gilt als ein Regisseur, der sich mit Vorliebe dem sogenannten Kitchen Sink Realism widmet, also den Erzählungen über die “normalen” Menschen, oft aus der Arbeiterschicht, und deren Kämpfe im Leben. Deshalb habe ich auch noch nichts von ihm gesehen harhar. Ich gehe persönlich nicht so gerne ins Kino, um dort dann reine Sozialdramen zu verfolgen. Aber Hard Truths wurde als witzigster Film von Leigh angepriesen und das hat mich neugierig gemacht. Jetzt kann ich sagen: Ich hab schon mehr gelacht.

Das ist natürlich ein Film über Depression. Denn Pansys furchtbar nervige, oft auch gemeine Art anderen gegenüber ist klarerweise ein Zeichen dafür, dass bei ihr rein gar nichts in Ordnung ist. Ihre Wut ist eigentlich Trauer, die sie nicht anders zeigen kann. Worüber sie traurig, das erfahren wir so stückchenweise, vor allem in ihrer Interaktion mit Chantelle. Der Vater der beiden hat sich früh aus dem Staub gemacht, die Mutter musste die Familie über Wasser halten; Pansy hatte als ältere Tochter viel Verantwortung zu tragen, fühlte sich gleichzeitig aber von der Mutter ungeliebt. Curtley hat sie vor allem geheiratet, um nicht allein zu bleiben. Sie mag weder ihn noch den eigenen Sohn besonders gern. Vielleicht mag sie niemanden.

Irre witzig, was? Harhar. Ich habe kein Problem mit traurigen und auch schweren Themen. Aber wenn es, wie hier, nicht den Funken irgendeines Silberstreifs am Horizont gibt (ok einen winzigen gibt es, wenn auch nicht für Pansy) und sei er noch so schwach, wenn hier nur Elend abgebildet wird, dann, denk ich, muss ich das nicht unbedingt sehen. Dazu kommt auch noch, dass Leighs Film – ich möchte nicht sagen handwerkliche Schwächen, denn er wird wissen was er tut – aber sagen wir handwerkliche Besonderheiten hat, deren Sinn ich persönlich nicht verstehe. Es kommen nämlich Figuren nur für eine einzige Szene vor, die sonst absolut nichts mit der Handlung zu tun haben, und es gibt auch einige Szenen mit Nebendarstellern, die ins Nichts führen. Ich kann nicht nachvollziehen, was Leigh uns damit sagen will.

Letztendlich muss ich auch leider sagen: Ich kann den Schmerz von Pansy zwar nachvollziehen, aber ich finde es schwer, Sympathie für sie zu haben, wenn ich sehe, wie ihr 22 jähriger Sohn aufwachsen musste, was für einen Schaden er sichtlich davongetragen hat. Ich denke mir: Egal wie viel Schmerz ich empfinde, wenn ich mich für jemanden “zusammenreiße”, dann für mein Kind. Andererseits: Hurt people hurt people. Trotzdem tut mir Moses so leid, wenn er im Bett liegt und ein Buch namens “Everything about planes” oder so liest – anscheinend ein Buch aus seiner Kindheit. Das ist so, so traurig und man würde ihn am liebsten umarmen und trösten.

Damit dieser Eintrag nicht ebenso deprimierend endet, drei Kommentare, die ich auf letterboxd gelesen habe: “This was my first Mike Leigh movie. And also my last Mike Leigh movie.” Harhar. Und: “Would rather have watched a 9 hour version of The Brutalist instead”. Sowie “Someone get Moses out of that house and onto a plane.” Genau!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

5 × one =