In meinem Buch Geboren in Bozen (Werbung in eigener Sache) habe ich mir damit schwergetan, die Stadt Bozen zu beschreiben. Nachdem ich jetzt wieder mal reingeschaut habe, war ich generell sehr überrascht, wie anders mein Stil damals war, wie kurz ich mich gefasst habe, es war tatsächlich ein eher knappes Protokoll. Damals hab ich noch nicht soviel gebloggt, harhar. Ich glaube, da habe ich mich doch sehr weiterentwickelt.
Es gibt ein paar Verweise, zum Beispiel auf die Pizzaschnitten dort, das Licht auf den Straßen wie auf einer typisch italienischen Piazza und auf den Sprachduktus. Ich habe festgestellt, dass man bei den Südtiroler Ärzten und Pflegern oft nicht wusste, ob sie deutsch oder italienisch “native” sind, auch die Nachnamen waren oft nicht hilfreich; sie sprachen manchmal beide Sprachen so, als wären es Fremdsprachen für sie, das fand ich total interessant.
Ich habe von den angelehnten Fahrrädern am Bahnhof geschrieben, die alle vor dem Schild standen auf dem darauf hingewiesen wurde, dass man hier keine Fahrräder anlehnen dürfe. Ich habe das Merkantilmuseum in der Silbergasse kurz geschildert, das Ortsschild der Stadt, das direkt in einem Weinberg steht, den Bahnsteig, wo ich fast lautlos geweint habe, mit nur kleinen Geräuschen, wie ein Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt. Ich habe geschrieben, dass Bozen für meine Zimmerkollegin anders fremd war als für mich, sie kannte die Stadt und hatte festgestellt, dass sie fremd ist, für mich war sie fremd im Sinne von “unbekannt”.
Und ja, in der Nacht nach der Geburt des Kindes habe ich über Bozen geschrieben: “Ich löschte das Licht und draußen war Bozen. Mild und ruhig und dunkel lag es vor meinem Fenster, als läge es auf der Lauer. Als würde es mich bewachen.”
In meinem neuen Text wird Wien natürlich auch eine gewisse Rolle spielen. Ich habe in den letzten Tagen Malina von Ingeborg Bachmann gelesen, wegen der Inspiration, wegen ihres “Ungargassenlandes” und oh mein Gott wie experimentell und unzugänglich ist dieser Roman phasenweise, ich bin froh, dass ich den auf der Uni nie analysieren musste.
Nicht unzugänglich aber ist der Einstieg, eben das Ungargassenland, über das Bachmann – sogar ein bisschen pointiert – schreibt:
Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien, aber die kommen in anderen Bezirken vor, und es geht ihnen wie den zu schönen Frauen, die man sofort ansieht mit dem schuldigen Tribut, ohne je daran zu denken, sich mit ihnen einzulassen. Noch nie hat jemand behauptet, die Ungargasse sei schön, oder die Kreuzung Invalidenstraße-Ungargasse habe ihn bezaubert oder sprachlos gemacht. So will ich nicht erst anfangen, über meine Gasse, unsere Gasse unhaltbare Behauptungen aufzustellen, ich sollte vielmehr in mir nach meiner Verklammerung mit der Ungargasse suchen (…)
Ingeborg Bachmann: Malina, Seite 16.
Ja, so macht man das.
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