almis personal blog

ESC UK 22

Die Musiknation hat beim ESC in den letzten – na ja, sagen wir 20 Jahre – nicht wirklich gut abgeschnitten. Ein fünfter Platz, ansonsten keine einzige (!) Top 10 Platzierung. Egal ob unbekannte Interpreten ausgesucht wurden oder auch Menschen wie Engelbert oder Bonnie Tyler. Kann mich noch an 2010 erinnern, wo ein gewisser Josh Dubovie That’s sounds good to me gesungen hat und damit Letzter wurde, was zum Kommentar führte: Europa war anderer Meinung. Harhar.

Wie auch immer, heuer tritt Sam Ryder mit Space Man an und im ersten Moment dachte ich an David Bowie. Und im zweiten Moment: Oje, das sind große Fußstapfen. Und dann hörte ich den Song und dachte mir: Hm das ist gar nicht so schlecht. Und dann hörte ich den Song noch zehnmal und mittlerweile finde ich ihn richtig gut!

Seine lange Haare triggern mich ein bisschen (wie es der Teenie ausdrücken würde) – aber ansonsten ist das endlich wieder mal ein schöner, konkurrenzfähiger Song aus dem vereinigten Königreich.

ESC Griechenland 22

Griechenland schickt heuer Amanda Georgiadi Tenfjord ins Rennen, die mit Die Together eine ordentlich creepy Message an das ESC Publikum sendet. Das letzte Jahr ihrer Beziehung sei furchtbar gewesen, so zieht sie Resümee, aber anstatt daraus Schlüsse zu ziehen, wie sich zum Beispiel von seinem Partner zu trennen, hat Frau Tenfjord die Idee, man könne doch genausogut gemeinsam sterben.

Zitat:

Cause if we die together now

We will always have eachother

I won*t lose your for another

Ok na ja, so kann man es natürlich auch sehen, aber liebe Frau Tenfjord, Sie sind vermutlich noch keine 30 Jahre alt und sein Leben für die erste große Liebe wegzuwerfen, das will wohlüberlegt sein. Da kommt noch was anderes nach, ehrlich, auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt. Aber die Protagonistin in dem Song hat überhaupt ein paar sehr na ja, psychotische Züge, wenn sie dem Freund zuerst eine Liebeserklärung abringen will, um ihn dann zu bitten im buchstäblich das Herz rauszureißen und zwar nicht im metaphorischen Sinn.

Lana del Rey wäre stolz! Und das ist in seiner Ästhetik des Grauens schon auch irgendwie faszinierend, aber halt eben auch ordentlich düster.

ESC: How to write a comedy song

Angelehnt an den 2018-er Alexander Rybak Song That’s how to write an song, stelle ich heute in den Raum: That’s how to write a comedy song. Ich habe dafür ein anschauliches Beispiel und ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht.

Kommen wir zuerst zum Positivbeispiel. Die Band Zdob si Zdub für Moldawien. Bereits zweimal haben sie am ESC teilgenommen, 2005 wurden sie Sechster, 2011 erreichten sie Rang 12. Ihr heuriger Song heißt Trenulețul und ist ein m.E. witziger und origineller Song, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt, dabei aber nie ein gewisses Niveau unterschreitet. Das Video ist sogar großartig. Die Musiker fahren mit dem Zug von Chișinău, der Hauptstadt von Moldawien, nach Bucharest, der Hauptstadt von Rumänien und singen über das, was die zwei Länder verbindet. Laut der Band: so einiges, Zitat: sind sie eins oder zwei? Wenn man ausssteigt, denkt man, man sei immer noch im selben Land usw. Das Video hat massive Grand Budapest Hotel Vibes und Optik.

Dem gegenüber: Die Band Citi Zeni für Lettland.

Mit dem Song Eat your salad verbinden sie in einer wahrscheinlich noch nie dagewesenen Symbiose den grünen Umweltgedanken mit extrem sexistischem Wording. Ja, ja, natürlich sind die Fridays for Future Anklänge an sich schon ironisch und im Merci Jury Podcast heißt es, dass lesbischen Frauen diesen Song auf TikTok feiern, aber die Lyrics: “Instead of meat, I eat veggies and pu***” muss man mögen. Ich mag es nicht und find es blöd und tief. “My sausage is bigger” ist auch nicht gerade der Gipfel an subtilem Witz, das ist eher Bierzelt-Schmäh. Und die Musik gefällt mir auch nicht, war noch nie ein Funk-Fan. Von mir aus muss das nicht ins Finale kommen.

P.S. Natürlich dürfen sie beim ESC nicht pu*** singen, sie singen stattdessen dann nichts. Na ja…

ESC Sweden 22

Schweden gehört zu den erfolgreichsten Nationen des ESC. Nicht nur, dass sie in den letzten zehn Jahren zweimal gewonnen haben, der Sieg von Loreen markierte quasi die Wiedergeburt des ESC oder das Ankommen in der Neuzeit, nachdem der Bewerb schon kurz davor war, sich selbst abzuschaffen. Im Merci Cherie ESC Podcast werden die Gäste immer nach ihren absoluten Lieblingsliedern des Bewerbs gefragt und wenn ich sagen würde, dass Euphoria jedes zweite Mal genannt wird, ist das eine glatte Untertreibung.

Anyway: Schwedische Songs sind sehr oft ziemlich massentauglich. Das ist aber auch gleichzeitig ihr Manko. Sie sind oft zu gut produziert, zu perfekt durchkomponiert, zu aalglatt. Oder wie Peter Schreiber in einer Merci Jury Folge 2021 gesagt hat: “Vielen ist Schweden ja zu polished und zu Baukasten. Die Schweden wissen How it’s done.” Ja, das wissen sie definitiv, das ist auch anzuerkennen, aber mögen muss man das dann nicht unbedingt (immer).

Mir geht es heuer ein bisschen so mit Cornelia Jakobs, die eine tolle Stimme hat. Der Song Hold me closer ist aber irgendwie das zu musik-gewordende Billy Regal. Nix gegen Billy-Regale, ich hab selber welche. Hübsch, solide, gute Qualität und man weiß, was man kriegt. Aber originell oder überraschend ist da jetzt halt auch nichts.

Die Buchmacher haben das derzeit auf Platz 3 (hinter Ukraine und Italien) und das wird ziemlich sicher auch in die Top 5 kommen.

ESC Croatia 22

Na bitte, ich hab noch einen Song gefunden, der mir gefällt, Kroatien:

Ok, der Anfang hat was von House of the rising sun, und der Song an sich kommt mir auch irgendwie bekannt vor, aber nachdem ich jetzt einen halben Tag gegrübelt habe und ich nicht draufkomme, an was mich das erinnert, denke ich mir: Solange dauert das Grande Finale nicht, wenn man nicht sofort dahinterkommt, ist es wohl kein Plagiat, harhar.

Zum Video ist zu sagen: Der Tänzer ist irgendwie etwas hyperaktiv, aber ich bin ehrlich gesagt neidisch – ich hab auch mal Akrobatik gemacht, aber so gut war ich nie! Und: Frau Dimšić hat schöne Beine, die auch sehr gut zur Geltung kommen und sind das tatsächlich Doc Martens aus Lack? Ach wär ich nochmal 25, ich würde mir die auch kaufen. Disclaimer: Doktor Märtens zahlt mir nichts für Werbung. Ach ja und der Song, ja der ist süß und federleicht, ein kleines stimmiges Lied, bezaubernd vorgetragen.

P.S. So richtig gut war Kroatien in den letzten Jahren jetzt nicht, ich würde ihnen wünschen, dass sie mit Guilty Pleasure wieder mal ins Finale kommen!

ESC Germany 22

Deutschland und der ESC nun ja. Den besten Song, den unser Nachbarland seit dem Sieg von Lena 2010 im Rennen hatte, wäre m.E. nach Violent Thing von Ben Dolic gewesen – wäre, weil das eben leider auch der Song war, der 2020 angetreten wäre, also quasi einer der “Lost Songs” des ESC. Ich konnte mich auch nicht sonderlich für den immerhin viertplatzierten Michael Schulte 2018 erwärmen. Und Jendrik mit I don’t feel hate voriges Jahr kann man – wie die Leute von Wiwibloggs – als “very Vaudeville, very Cabaret” bezeichnen, aber ehrlich gesagt klingt das besser als das kleine Liedchen tatsächlich war.

Heuer tritt Malik Harris mit Rockstars an, der den deutschen Vorentscheid gewonnen hat. Ich habe die Sendung nicht gesehen, kann also zu den anderen Titeln nicht sagen, aber Rockstars ist wieder mal so gar nicht meines.

Es beginnt mit Betroffenheitsrock, danach schließt sich eine Art Gutenachtgeschichte an, zumindest vom Sprachduktus her, die in eine Anklage mündet, die offenbar von Eminem inspiriert wurde, um danach wieder zum Betroffenheitsrock zurückzukehren. Abgesehen davon, dass das ziemlich viele durchaus widerstrebende Elemente für ein drei Minuten Lied sind: Für mich ist an diesem Song nichts neu, eigenständig, oder auch nur konsistent, ich glaub ihm da nix. I don’t feel hate. Aber – wie der Teenie sagen – würde: Ich fühle das nicht.

ESC Norway 22

Ich muss zugeben, so richtig in ESC Stimmung bin ich heuer noch nicht und so wirklich überzeugt haben mich auch noch nicht viele Songs, die nun einer nach dem anderen veröffentlich werden.

Aber dann kam Norwegen, mit der Band Subwoolfer (sic!).

Bei Give that wolf a banana stimmt schon sehr viel. Ein Titel, der neugierig macht, weil er so unlogisch erscheint. Warum soll einem Wolf eine Banane angeboten werden? Der gesamte Text ist sehr schräg und skurill, quasi Rotkäppchen upside down und recht dadaistisch. Der Wolf wird einmal Keith und einmal Jim genannt, was auch die Namen der Sänger sind, die ansonsten anonym bleiben wollen. Gemeinsam mit den Kostümen bzw. Masken verbreitet das einiges an Daft Punkt Vibes.

Und natürlich, am wichtigsten: Die Musik. Eingängig, aber nicht billig und ziemlich contemporary. Der Song macht einerseits Spaß, ist andererseits aber kein Blödelbeitrag – was auch anzuraten ist, denn Blödelbeiträge beim ESC sind ziemlich vorbei – sondern cool und würde auch ohne ESC Kontext funktionieren.

Norwegen tritt mit “uns” im ersten Semifinale am 10. Mai an.

ESC Austria 22

Gestern wurde unser Lied für Turin vorgestellt und es fällt mir schwer, mich dazu zu äußern, weil ich keine klare Meinung dazu habe.

Einerseits denke ich: Wow professionell gemacht, catchy und ein Chartstürmer. Andererseits denke ich: 90-er Eurotrash mit bestenfalls gulity pleasure Appeal. Jemand schrieb als Kommentar auf Youtube “Halo schreibt man doch mit Doppel-L” harhar. Also Halo ist natürlich der Heiligenschein, und es gibt ja schon einen ziemlich bekannten Song, der auch so heißt, und den Beyonce singt, was ich immer etwas eigenartig finde, wenn man sich keinen “neuen” Titel ausdenkt, aber ok. Hier mal das Video:

Meine erste Assoziation zu dem Video war ja ganz klar Falco, Junge Römer. Die Assoziation ist wiederum einerseits gut, weil Junge Römer mein Lieblings-Falco Song ist, andererseits auch wieder schlecht, weil Lumix und Pia Maria da natürlich gar nicht mithalten können.

Also sagen wir so: Halo ist schon ok, hat auf jeden Fall Potential fürs Finale und wenn man an die letzten Jahre österreichische ESC Songs zurückdenkt gefällt es mir auf alle Fälle besser als Nathan Trent und Paenda. Ich kenne sogar jemanden, der das schon in den Top 5 sieht, was ich eine mutige Prognose finde. We will see.

Brividi

Also folgendes. Gestern war das Finale von San Remo und wir wissen ja: Die SiegerInnen von diesem 5 tägigen italienischen Musikfestival, das viele, viele Stunden dauert, fahren in der Regel zum Song Contest (außer sie wollen das explizit nicht). Das musikalische Niveau auf diesem Festival ist immens hoch, was ja auch das Abschneiden von Italien beim ESC belegt. In den letzten zehn Jahren war Italien beim ESC acht Mal unter den Top 10, fünfmal davon sogar unter den Top 5, ein Sieg, voriges Jahr.

Mahmood war der Sieger von San Remo 2019 mit Soldi, meiner Meinung nach einem der besten ESC Songs der jüngeren Geschichte. Er wurde letztendlich Zweiter, m.E vor allem deshalb, weil Soldi zwar ein ungeheuer toller Song ist, aber nicht unbedingt ein optimaler Song für eine Bühne. Schwer rüberzubringen, ist ihm auch leider nicht ganz gelungen beim ESC. Heuer ist Mahmood wieder in San Remo angetreten, diesmal mit einem 19jährigen Sänger namens Blanco und dem Song Brividi. Und was soll ich sagen? Ich habe das Lied vor drei, vier Tagen das erste Mal gehört – gleich “Live” also auf der San Remo Bühne und war echt begeistert. Er ist nicht unbedingt so hip wie Soldi das war, aber so ein richtiger Cantautore Song, ich finde ihn wunderschön, und er ist defiintiv ein Song für eine große Bühne. Ach ja, und sie haben gewonnen.

Jetzt ist es so, dass Mahmood im Mai eine Italientour hat. Huch. Aber interessanterweise gibt er einen Tag vorm Grand Finale in Turin ein Konzert in …. Turin. Ganz schön praktisch.

Ach ja, Brividi heißt übrigens Schüttelfrost. Ich gebe aber zu, dass mein Italienisch nicht gut genug ist, um das zu wissen, ich hab das auch googlen müssen. Ging es bei Soldi um die schlechte Beziehung Mahmoods zu seinem arabischen Vater (zumindest semi-autobiografisch) handelt Brividi von jemanden, der lieben möchte, aber das irgendwie nicht schafft: “E ti vorrei amare, ma sbaglio sempre” – ziemlich undurchsichtig ingesamt, die Lyrics, aber soo poetisch, zumindest so weit ich das verstehe – die deutschen Übersetzungen, die ich bisher gefunden habe, tun sich auch ziemlich schwer. Oder es ist halt einfach ein Text, der sehr viel Spielraum für Interpretationen lässt.

Gewinnen wird das wohl nicht – und ich glaube auch, dass Italien nicht scharf darauf ist, den ESC zweimal hintereinander auszutragen, aber in die Top 5 sollte das schon kommen. Und selbst wenn nicht, ist es (wiedereinmal) ein wunderbarer italienischer Song.

Spotify Charts

Alles beim alten, was meine Spotify Jahrescharts betrifft. Nummer 1 ist das:

Hab ich es doch richtig vorhergesagt. In den Top 20 praktisch auch nur ESC-Songs. Und den ESC Merci Cherie Podcast hab ich 64.000 Minuten angehört. Was vermutlich daran liegt, dass ich dabei immer einschlafe…