almis personal blog

Drei Werke

Nachdem ich so begeistert von dem Film Saltburn war und im fm4 Prodcast gehört habe, dass die Drehbuchautorin (und Regisseurin) Emerald Fernell die zwei Romane Die geheime Geschichte von Donna Tartt und Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith quasi als Inspiration für ihren Film herangezogen hat, habe ich mir beide Bücher bei medimops (unbezahlte Werbung) gebraucht bestellt und mittlerweile gelesen.

Der talentierte Mr. Ripley hab ich damals in Kino gesehen, konnte mich aber ehrlich gesagt kaum daran erinnern, die Filmversion ist auch etwas anders, verändert ein paar Handlungsstränge. Beide Werke (und Saltburn) verbindet tatsächlich einiges, zum Beispiel das Personal, das bedeutet, die Protagonisten sind alle aus gehobenem Haus, ziemlich “wealthy”, studieren und/oder betätigen sich künstlerisch, es sind alles Intellektulle, die das das Leben genießen und es damit übertreiben. Es gibt in allen Werken aber auch einen jungen Mann, der nicht dazu passt, der aus der eher unteren Mittelschicht kommt, aber immer die Sehnsucht verspürt, “dazuzugehören”. Das bedeutet zwangsläufig, es muss immer Lügen geben, Lügen nicht nur aus einer Not heraus, um sich aus einer prekären Lage zu befreien, aus einer gefährlichen Situation, sondern Lügen, die nur dazu da sind, etwas darzustellen, was man nicht ist.

Es werden viele Drogen genommen, in diesen Büchern. Bei Donna Tartt vor allem Alkohol, die Menschen sind fast dauer-betrunken, aber sonst auch Tabletten oder Koks oder was halt sonst verfügbar ist. Wenn gegessen wird, dann erstaunlich oft Lammkotellets und “süße Brötchen” (was soll das sein, sowas wie eine Topfengolatsche? Harhar. Oder ein Striezel?). Europa ist ziemlich präsent, also ja Ripley spielt eh zum Großteil in Italien, obwohl die Protagonisten Amerikaner sind, Saltburn in Großbritannien, aber auch die Donna Tartt-Menschen leben an der Ostküste, in Neuengland quasi schon einen ziemlich europäischen Lifestyle, wo zum Beispiel Los Angeles als Ort quasi so wie “bei den Wilden” verstanden wird. Außerdem werden Reisen nach Europa unternommen. Die Charaktere verbindet außerdem der Hang zu obsessiven Beziehungen, viele sind homosexuell/queer bzw. man weiß nicht so genau, wer mit wem (selbst Inzest steht im Raum). Und natürlich passieren echt arge und illegale Dinge, mehr will ich nicht sagen, wegen Spoiler.

Ich habe gelesen, dass Die geheime Geschichte schon zweimal verfilmt hätte werden sollen, aber das nicht geklappt hat, was mich sehr überrascht. Oft liest man ja einen guten Roman und weiß sofort, der wäre aber kaum verfilmbar. Bei Die geheime Geschichte ist das gar nicht so, das Buch wäre m.E. sogar absolut ideal zu verfilmen und hätte mit Neuengland im Herbst/Winter auch ein tolles Setting, also wäre ich Drehbuchautorin, ich würde das sofort adaptieren, ich stell mir das echt pittoresk vor und die meisten Szenen könnte man in einem Film super verwenden, ich hab da Bilder im Kopf… Naja, vielleicht macht das irgendwann doch noch jemand. Ansonsten muss man derweil Saltburn schauen, was auch keine schlechte Idee ist.

Nochmal Milch

Apropos umstrittene Kuhmilch: Dagegen hatte ja Joaquin Phoenix eine Rede gehalten, als er seinen Oscar für The Joker erhalten hat. The Joker habe ich vor kurzem nach 20 Minuten abgebrochen, weil wenn ich ihn weiter angeschaut hätte, hätte ich vermutlich meinen Lebenswillen verloren. Na ja, jedenfalls hat Phoenix damals im Zuge einer eher schwer nachvollziehbaren Assoziationskette moniert, dass wir Menschen den Kälbern die Milch wegtrinken. Das fanden damals viele ganz toll. Mich hat es eher ratlos zurückgelassen.

Es gab da ja diesen Eröffnungsmonolog von Ricky Gervais bei den Golden Globes, in dem der sehr freche Gervais – nachdem er alle die Anwesenden quasi auf ihre Freundschaft mit Jeffrey Epstein angesprochen hatte, was nur wenige lustig fanden – die nun folgenden Preisträger ersuchte: “Do not use this as a platform to make a political speech. You know nothing about the real word”. Denn: “Most of you did spent less time in school than Greta Thunberg and are in no position to lecture the public about anything.” Zusammenfassend: “So if you win, come up, accept your little award, thank your agent and your god and f*** off. Okay?” Das fand ich herrlich.

Sonntags im Kino

Als ich am Sonntag im Gartenbau Kino war, sind zwei Dinge passiert.

Vor einigen Tagen hab ich auf Facebook einen Post gelesen, in dem es darum ging, wieso man nicht “normale” Milch und Hafermilch sagen soll, weil Kuhmilch mittlerweile auch verpönt ist und man soll sie nicht zum Maß aller Dinge machen. Während ich das Posting las, tauchte quasi oberhalb von mir so eine Comic-Denkblase auf, in der in großen Buchstaben “What the fuck” geschrieben stand. Tut mir leid, aber die Diskurse derzeit pack ich teilweise echt nicht mehr. Na jedenfalls habe ich an der Bar des Kinos gehört, wie der alternativ aussehende Hipster Barista seinen Kunden fragte: “Wollen Sie Hafermilch oder normale?” Und das fand ich wunderschön. Harhar.

An der Kinokasse hat die Dame vor mir gefragt, ob es noch Maestro spielt und wann wieder und die Kassiererin konnte ihr keine zufriedenstellende Auskunft geben und war jetzt auch nicht unbedingt motiviert, über Vorstellungen in anderen Kinos nachzudenken. Da ich aber quasi täglich das Programm des Votivkinos scanne – es ist wirklich zu meinem Lieblingskino geworden, weil es sich aus verschiedenen Gründen geborgen für mich anfühlt – weiß ich, dass der Film dort noch auf dem Programm steht. Ich wundere mich also einerseits ein bisschen, dass es Menschen gibt, die weder mit der Kulturtechnik der Internetsuche, noch mit der oldschool Zeitungsrecherche vertraut sind, checke aber trotzdem schnell mein Handy und gebe der Dame die Information weiter, wann der Film dort auf dem Programm steht. Sie ist dankbar und fragt mich, ob ich den Film empfehlen kann. Die Verantwortung überfordert mich etwas, aber ich versichere ihr zumindest, dass er mir gefallen hat.

Ach ja, ich habe im Gartenbau Groundhog Day (nochmal nach 30 Jahren) gesehen und hatte die extrem amüsante Szene vergessen, in der Phil (Bill Murray) Rita (Andie Mac Dowell) fragt, was sie studiert hat und diese mit “19th Century French Poetry” antwortet und er prustend: “What a waste of time”. Aber nachdem wir wissen, dass der Film eine Karthasis mittels einer Zeitschleife ist, wissen wir, dass Phil dann perfekt französisch lernt und irgendwann Jaques Brel im Original zitiert. Habe gestern übrigens nachgelesen, dass Phil schätzungsweise mindestens 30 Jahre, eher länger, in dieser Schleife feststeckt. Uahh, das war mir nie so bewusst.

Blick in den Stadtpark, 4. Februar 2024

Lanthimos/Payne

Weil im letzten Monat neue Filme von Yorgos Lanthimos (Poor Things) und Alexander Payne (The Holdovers) herausgekommen sind, habe ich – wie bei Sofia Coppola – zwei ältere Filme von beiden angesehen, quasi zum Vergleichen.

The Favorite, der vorletzte Film von Lanthimos, läuft gerade auf Netflix und für Lanthimos-Verhältnisse ist er schon recht mainstreamig. Aber nur für dessen Verhältnisse. Nach normalen Maßstäben gemessen, ist der Film extrem desolat, abseitig und sperrig. Natürlich ist er (wieder verhältnismäßig) lustig, aber mir ist es bisher bei jedem seiner Filme außer Poor Things so gegangen, dass sie mich wahnsinnig hinuntergezogen und deprimiert haben. The Favorite ist sehr künstlerisch und hat mit Emma Stone, Olivia Colman und Rachel Weisz beeindruckende Schauspielerinnen, die alle für den Oscar nominiert waren (Stone, Weisz) bzw. ihn auch gewonnen haben (Colman). Und wie Pia Reiser im FM4 Filmpodcast gesagt hat, “erstaunlich, dass das jemand finanziert hat, drei Lesben und keine Männer” harhar. Er hat tolle Bilder und Stimmungen – und doch muss ich den Film echt nicht nochmal sehen, er ist in keiner Weise “uplifting” und ich hab es ja schon sehr gerne, wenn ein Film mir auch irgendwie etwas Positives mitgibt, auch wenn es nur ein Hauch der Hoffnung ist. Da hat sich Lanthimos bei Poor Things sehr verändert, den ich wirklich auch als sehr untypisch lebensbejahend und selbstermächtigend empfunden habe.

Von Alexander Payne hab ich mir Sideways im Votivkino angesehen, da gab es ein kleines Payne-Special. Es hat geschüttet und ich war waschelnass, als ich ins Kino gekommen bin, habe mich dann an der Kinoheizung gewärmt und als ich heimgefahren bin, hat es wieder geschüttet und ich war noch nasser, aber der Film hat trotzdem so ein schönes wohliges Gefühl bei mir hinterlassen. Ich habe Sideways 2004 im Kino schon mal gesehen, konnte mich aber an wenig erinnern, außer daran, dass es um eine Fahrt von zwei Freunden durch die kalifornischen Weinberge geht, dabei lernen sie zwei Frauen kennen und es ist alles recht weird. Aber nicht in der Lanthimos-Schrägheit, sondern mehr so schrullig und sehr menschlich. Miles, der von Paul Giamatti in Sideways gespielt wird, ist ein netter Mensch mit Abgründen. Er schreibt seit Jahren an einem 700 Seiten Roman, trinkt zu viel, er liest fragwürdige Magazine, er kommt über seine Scheidung nicht hinweg. Er kämpft mit dem Leben. Paul, den Giamatti in The Holdovers spielt, ist im ersten Moment ein Unsympathler, bis man draufkommt, dass er eben genauso mit dem Leben kämpft, auch trinkt, auch traurig ist, er zeigt es nur anders als Miles. Aber weil es Payne ist, gibt es immer dieser Silberstreif am Horizont, der uns sagt, es wird vielleicht nicht alles super werden, aber besser, besser wird es werden. Ich mag das.

Oscar Nominierungen

Nach den Oscar Nominierungen sind selten alle zufrieden. Das ist jedes Jahr so und liegt in der Natur der Sache. Heuer fand aber diesbezüglich ein ganz besonderer Shitstorm statt und ich schwanke zwischen dem Gedanken, dass das vollkommen lächerlich ist und dem, dass es zumindest toll ist, wenn öffentlich über Filme diskutiert wird (wenn auch das Niveau zweifelhaft ist).

Es geht darum, dass Margot Robbie nicht für ihre Hauptrolle in Barbie nominiert wurde und Greta Gerwig nicht für die Regie, und diese “Snubs” haftet somit etwas frauenfeindliches an. Dabei wird vergessen, dass die fünf Personen, die anstatt von Robbie nominiert wurden, ja ebenfalls Frauen sind und, dass es auch in der Regie-Sparte eine Frau gibt, die nominiert wurde (Justine Triet für Anatomie eines Falls). Außerdem ist es ja nicht so, dass Barbie nirgends nominiert wurde, insgesamt sogar achtmal und Robbie und Gerwig eh auch – halt als Produzentin bzw. Drehbuchautorin. Also wirklich ein unfassbarer Skandal, der sogar von Hillary Clinton unnötig kommentiert wurde, während Whoopi Goldberg den non-brainer rausgeschossen hat: Nicht jeder kann nominiert werden.

Mich persönlich hat ja eher die Nominierung von America Ferrera (beste Nebendarstellerin) gewundert, sie hat die mit Abstand am wenigsten selbstironische Rolle in Barbie, ich bin eh schon kein großer Fan von dem Film und von ihrer Rolle noch weniger.

Die Nominierung ist wahrscheinlich aufgrund einer Szene zustande gekommen, in dem sie einen Monolog hält, den wahrscheinlich die meisten Frauen, vor allem Mütter zwischen 30 und 40, schon einmal irgendjemand – potentiell dem eigenen Ehemann, der Mutter oder der besten Freundin vorgetragen haben. Ich glaube, ich habe Teile davon auch schon mal gesagt harhar. Zusammengefasst: Eine Frau kann nie etwas richtig machen, egal was sie tut. Nun kann man meinen: Ah endlich sagt das auch mal jemand in einem Hollywoodfilm. Oder man kann sagen: Boah, das ist so ausgelutscht, ich möchte eigentlich im Kino eher neue Ideen oder Perspektiven präsentiert bekommen, ich will schon einen Schritt weiter sein. Ich tendiere da zu zweiterem. Ferrera repräsentiert den Teil in Barbie, den ich einfach platt und nichtssagend fand oder wie Natalie Brunner im Fm4 Filmpodcast sinngemäß sagte, er transportiert einen binären Mann gegen Frau Feminismus, der heute nicht mehr zeitgemäß ist.

Lost in Translation

Weil gerade der neue Sofia Coppola Film Priscilla herausgekommen ist, machen manche Kinos ein kleines Coppola-Special. Und das Nonstop Kino Team hat eine Mail rausgeschickt, dass Lost in Translation leider nicht im Abo inkludiert ist und dass wir keine Hate-Mails schicken sollen. Naja, ich war schon ein bisschen in Versuchung ehrlich gesagt harhar. War aber dann im Stadtkino, wo es als Mittagsfilm nur sieben Euro gekostet hat.

Ich habe LIT damals so sehr geliebt, dass ich sogar immer noch das Filmplakat in der Wohnung hängen habe. Ein bisschen hatte ich auch Angst, dass ich den Film 20 Jahre später vielleicht nicht mehr so gut finde, denn ich bin viel älter (nona), in einer komplett anderen Lebensphase etc. Aber ich kann Entwarnung geben, der Film hat mir vielleicht sogar noch eine Spur besser gefallen als damals.

Es geht ja um den alternden Schauspieler Bob Harris (Bill Murray) und ich tu mir wirklich schwer, das zu schreiben, weil er war halt so um die fünfzig harhar, und um die junge Charlotte (Scarlett Johansson damals “in echt” erst 17 Jahre!), die gerade ihr Philosophiestudium beendet hat. Sie ist mit ihrem Mann, einem (sehr oberflächlichen) Werbefotografen in Tokio, wo auch Bob ist, der dort einen Whiskeywerbespot drehen soll. Beide leiden aktuell unter extremen Jetlag und generell am Verlorensein in der Welt. Charlotte weiß nicht, was sie mit ihrem Leben tun möchte, Bob hinterfragt das eigene, in dem er zwar kommerziell erfolgreich, aber künstlerisch unzufrieden ist; seine Ehe ist auch ein Krisenherd. Und so freunden sie sich an und führen sehr ehrliche Gespräche miteinander.

Vieles ist wunderbar in diesem Film. Die Schauspieler und die Chemie der Protagonisten miteinander. Das Thema platonische Liebe, das man im Kino jetzt nicht unbedingt sooft präsentiert bekommt. Die Darstellung der für beide fremden Kultur, ihre Versuche des Verständnisses. Der feinsinnige Humor, die Musik, ja natürlich die Karaokeszene, in der Murray More than this von Roxy Music singt, einer der allerbesten Songs der 1980er Jahre, der die Melancholie von Lost in Translation perfekt widerspiegelt. Die Bilder, die Stimmungen, auch wenn eigentlich gar nichts passiert, was ein Trademark von Sofia Coppola ist, quasi plotlos zu erzählen.

Und natürlich auch die letzte Szene, wo Millionen von Menschen seit 2003 versucht haben herauszufinden, was flüstert Bob Charlotte ins Ohr? Ich hab es natürlich auch wieder nicht verstanden, was eh beabsichtigt ist, aber die Endszene hat mich wieder trotzdem voll erwischt, auch wenn ich ja schon weiß, was kommt. Wenn Just like honey von The Jesus and Mary Chain einsetzt, so als Song an sich vielleicht eher unscheinbar, aber in Verbindung mit diesem Moment im Film unschlagbar. Da sind mir wieder die Tränen gekommen, weil es so schön ist. Magisches Kino einfach.

About last weekend

Hidden Kitchen Frühstück als Belohnung für die Woche
Pink Egg Florentine (mit roten Rüben Zeugs), das ich immer esse, wenn mir nicht versehntlich grün gebracht wird (was Erben-Minzzeugs wäre)
Achtung Warnung: Das Eislaufen ist hier lebensgefährlich!
Buzz Quiz oder: endlich ein Playstation Spiel, bei dem ich gut bin, vor allem wenn ich die Kategorie “Theater und Kunst” auswähle, wofür mich alle hassen
Nostalgiekino mit “Lost in Translation” <3
Kinofrühstück all by myself, bröselig und unordentlich, wie ich das mag, harhar

Wie immer alles unbezahlte Werbung!

Leave the World behind

Netflix hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr rund um Weihnachten die fröhliche Apokalypse zu feiern.

2021 gab es Don’t look up, 2022 White Noise und 2023 jetzt Leave the World behind. Ich weiß nicht genau, wie ich den Film als Film finden soll, der CGI-Einsatz ist nicht unbedingt virtuos, und man kann sich auch an diversen Klischees stoßen (zb. dass Leute sich teilweise auf die dümmstmöglichste Art und Weise verhalten), als Angsteinflößer hat er bei mir aber hervorragend funktioniert. Ich habe mich die ganze Zeit soo unwohl und latent bedroht gefühlt. Wollte schon das Kind rufen. Harhar.

Worum geht es? Eine Familie aus der gehobenen Mittelklasse, bestehend aus Amanda (Julia Roberts) und Clay (Ethan Hawke), sowie ihren beiden jugendlichen Kindern Rose und Archie, ansässig in New York, mietet sich spontan ein Air BnB auf (mutmaßlich) Long Island, um “ein bisschen raus zu kommen”. Aber schon der erste Tag des Getaways verläuft eigenartig, die Internetverbindung bricht zusammen und als sie am Strand sind, passiert auch einiges unvorhergesehenes (keine Spoiler hier, aber es ist ARG). Am späten Abend, als die Kinder schon schlafen, klopfen plötzlich G.H. (Mahersala Ali) und seine 20-something Tochter Ruth (My’hala) an die Tür und geben sich als die Besitzer des Luxushauses aus. Sie seien eigentlich in New York in der Oper gewesen, aber es gäbe einen Blackout und nun wären sie also hier. Amanda ist sehr skeptisch, da sie keine Ausweise bei sich haben, aber sie lassen die beiden dann doch hineinkommen…

Geschildert wird danach eine beginnende Ausnahmesituation plus eben der Tatsache, dass nun zwei Familien quasi aufeinander zurückgeworfen sind, die wahrscheinlich sonst keine Berührungspunkte gehabt hätten. Natürlich wird suggeriert, dass Amanda aus (latent) rassistischen Motiven – denn eigentlich ist sie Demokratin – derart skeptisch ist, allerdings darf man nicht vergessen, dass sie in einem Anwesen fernab von allem sind (der nächste Nachbar ist zehn Minuten entfernt) und es keine Beweise gibt, dass die Menschen tatsächlich das sind, was sie vorgeben. Nachdem Amanda schon in der Anfangsszene sagt: “Ich hasse Menschen” denke ich nicht, dass es nur daran liegt, dass die beiden schwarz sind. Bzw. wäre es echt mal originell, die umgekehrte Situation zu sehen – eine schwarze Familie, die von einer weißen überrascht wird. Ich jedenfalls hätte Mahersala Ali tendenziell alles geglaubt, weil er halt wirklich so nett und vertrauenserweckend wirkt, nur wenn man sich ehrlich ist, ist Clay in seiner jovial-verständnisvollen Art doch auch ziemlich naiv.

Leave the World behind ist kein Horrorfilm, wo man dauernd irgendwelche Splatterattacken oder sonstigen Brutalitäten ausgesetzt wird. Alles ist viel subtiler und deshalb – zumindest für mich – um einiges bedrohlicher. Friedliche Waldtiere spielen dabei eine erstaunlich beklemmende Rolle, wie auch weiße Teslas und Flugzeuge (die mir sowieso immer suspekt sind), ebenso die Serie Friends, die als eine Art dramaturgische Klammer wirkt. Rose wollte nämlich gerade die letzte Folge sehen als das Internet ausfiel. Und während alle rundherum die Nerven wegschmeißen, geht es ihr nur darum, irgendwie herauszufinden, ob Rachel und Ross im Finale zusammenkommen. Interessant ist außerdem, dass die eher links-liberalen Protagonisten angesichts der immer prekäreren Lage an ihre Grenzen kommen und der Einzige, der der Situation Herr zu sein scheint, der Verschwörungstheorie-Prepper von nebenan ist, der eh schon immer mit dem Schlimmsten gerechnet hat.

Viel mehr kann ich nicht verraten, ich würde mir auch den Trailer nicht anschauen, weil der viel zu viel spoilert; interessant ist vielleicht noch, dass Barack Obama Mitproduzent dieses Films war – weiß er irgendwas, was wir nicht wissen, frage ich mich? Nun, ich hoffe nicht.

Anatomie eines Falls

Nachdem vermutlich nächste Woche wieder einmal eine nicht-englischsprachige Schauspielerin für einen Schauspieloscar nominiert werden wird – ich hoffe, ich verschreie es jetzt nicht – möchte ich noch über Anatomie eines Falls berichten, einen Film, den ich schon im November gesehen habe und der mich sehr beeindruckt hat.

Die Schriftstellerin Sandra (Sandra Hüller), ursprünglich aus Deutschland kommend, lebt mit ihrem Mann Samuel und dem stark sehbehinderten Sohn Daniel (sehr beeindruckender Kinderdarsteller, Milo Machado Graner) in einem Chalet bei Grenoble. Der Film beginnt damit, dass Sandra zuhause ein Interview geben möchte, dieses aber abbrechen muss, da Samuel im Obergeschoss die Musik so laut aufgedreht hat, dass eine Unterhaltung unmöglich wird. Gemeinsam mit der Journalistin verlässt auch Daniel das Haus, um eine Runde mit dem Blindenhund zu gehen. Als er zurückkommt, findet er Samuel tot im Schnee liegen. Verzweifelt ruft er nach Sandra, die genauso schockiert ist wie er. Bald stellt sich heraus: Bei diesem Sturz handelt es sich nicht um einen Unfall, es war entweder Suizid oder Mord. Weshalb sich Sandra bald vor Gericht verteidigen muss…

Der Titel ist schon recht zwei- oder sogar mehrdeutig, denn es geht um einen Kriminalfall – große Teile des Filmes spielen sich in einem Gerichtssaal ab -, um einen Sturz aus großer Höhe und um den Niedergang einer Partnerschaft, einer Familie. Samuel und Sandra haben aus verschiedenen Gründen keine glückliche Ehe mehr geführt, in erster Linie weil sich Samuel Sandra allumfassend unterlegen fühlt. Sie ist kreativer und erfolgreicher, sie verdient viel mehr Geld, zudem hat sie Affären mit anderen (auch Frauen). Dazu kommt, dass Samuel sich irrationale Vorwürfe bezüglich Daniels Beinahe-Erblindung macht. Sandras Anwalt Vincent (Swann Arlaud) ist ein enger Vertrauter, wie eng genau, wird nicht ganz klar, der ihr zu verstehen gibt: Es geht nicht darum, ob sie die Tat begangen hat oder nicht, es geht darum, eine gute Geschichte für das Gericht und die Presse zu entwickeln.

Anatomie eines Falls greift ganz verschiedende Themen auf wie eben die Frage, ob es sowas Wahrheit gibt, ob es überhaupt möglich ist, der Wahrheit in einem Gerichtssaal auf die Spur zu kommen bzw. ob das tatsächlich das Anliegen der Justiz ist und ob in weiterer Folge ein Urteil gerecht sein kann. Hier ist besonders interessant, wie ungut und schon fast aggressiv der Staatsanwalt (Antoine Reinartz) dargestellt wird – er sieht mit seinem kahlrasierten Kopf auch ein bisschen aus wie ein Radikaler; was dazu führt, dass man sich als Zuseherin vielleicht etwas mehr an die Seite von Sandra stellt. Doch auch Sandra ist sehr ambivalent gezeichnet, keine besonders einnehmende oder zugängliche Person, die wenig liebeswertes an sich hat und eigentlich alle auf Distanz hält, der man auch als Zuseher nicht wirklich näher kommen kann. Alles an diesem Film ist komplex, widersprüchlich (der fast blinde Sohn als der einzige “Augenzeuge”), verschließt sich einfachen Deutungen und voreiligen Schlüssen, das hält die Spannung bis zur letzten Minute aufrecht. Und Hüller zieht einen in ihren Bann, sie trägt diesen Film, dessen grobkörnige Optik genau die Rauhheit widerspiegelt, die diese Frau ausmacht.

Obwohl an diesem Film wirklich nichts lustig ist, fand ich doch amüsant, dass der Song, der am Anfang des Filmes so penetrant laut und repetitiv gespielt wird, mutmaßlich um Sandra zu ärgern, eine Instrumentalversion von 50 Cents P.I.M.P ist, die einem wirklich schnell schwer auf die Nerven geht. Im Gerichtssaal wird Samuel quasi posthum Misogynie vorgeworfen, weil die Lyrics so problematisch wären. Darauf ein kleinlauter Einwurf: “Aber er hat ja die Instrumentalversion gespielt”.

Empfehlenswert ist, sich Anatomie eines Falls in OmU anzusehen, weil die Vermischung zwischen Französisch und Englisch ein integraler Bestandteil der Handlung ist. Sandra fühlt sich nicht fähig, sich auf Französisch adäquat auszudrucken (und damit zu verteidigen), aber auch Englisch ist nicht ihre Muttersprache. Tatsächlich hören wir Sandra niemals in ihrer eigenen Sprache sprechen, diese Problematik schwebt als ein weiteres Thema in der Luft, gerade auch, weil ihr als Schriftstellerin Sprache so wichtig ist.

Hier der Trailer:

Priscilla, Elvis und Co., zwei

Ok, also Baz Luhrmann. Seinen Film Moulin Rouge habe ich fast auswendig mitsprechen gekonnt, in einer Phase meines Lebens hat er mir sehr viel bedeutet. Entgegen meiner Erwartungen fand ich es ganz wunderbar, wie Nicole Kidmann und Ewan Mc Gregor in Paris der Jahrhundertwende miteinander singen. Ja, Moulin Rouge ist so überladen und voller Pathos und man kann das auch cheesy finden, gleichzeitig ist es aber auch herrlich selbstironisch und ich war wirklich hin und weg, ich habe ja so einen kleinen soft spot für gegen-den-Strich gebürstete Filmmusicals, mit Menschen, die nicht eigentlich keine Sänger und Tänzer sind (siehe La La Land). Denn eines hat Luhrmann mit Sofia Coppola gemeinsam, er setzt auch gerne moderne Musik in ganz andere Zusammenhänge – in Moulin Rouge mischt er Whitney Houston, Elton John, Sting, Beatles, David Bowie und noch einige andere zusammen und macht dann doch etwas ganz anderes daraus.

Jetzt füllt sein Elvis genau die Leerstellen, die bei Priscilla entstanden sind. Während Priscilla eigentlich fast ausschließlich die schwierige Beziehung zwischen eben Priscilla und Elvis zeigt und sonst wenig aus Elvis’ Leben, beleuchtet das Baz Luhrman Werk die toxische Verbindung von Elvis und seinem Manager Colonel Tom Parker – Tom Hanks angelegt am Rande einer Karikatur. Dieser Colonel kommt bei Coppola nur am Telefon vor, nie im Bild, während er in Elvis quasi der Erzähler ist, der sich unschuldig am Tod von Elvis wähnt, definitiv aber eine ziemlich zwielichtige Rolle in seinem Leben gespielt hat und ganz sicher nicht alle Entscheidungen zu dessen bestem getroffen hat.

Und auch wenn mich Elvis als Person wie gesagt eher weniger interessiert und ich ihm auch in diesem Werk kaum näherkomme, mag ich diesen unverkennbaren Luhrman Stil immer noch, dieses over-the-top, die Kamera, die das Bild einmal im Kreis dreht, seine vielen kleine originellen Ideen – über Gebäuden steht zum Beispiel in riesigen stylischen Lettern, wo wir uns befinden, und auch das Klotzen statt Kleckern, was sonst nicht unbedingt so meines ist. Der Film ist so modern und jetzig, während Priscilla komplett im Stil der späten 60ziger und frühen 70-er verhaftet bleibt. Wie erwartet haben die beiden Filme praktisch gar nichts miteinander zu tun. Aber man bekommt ein umfassenderes Bild, weil der Zugang so unterschiedlich ist.

Viel mehr Parallelen finden sich erstaunlicherweise von Priscilla zu Maestro, von und mit Bradley Cooper. Maestro erzählt ja kaum etwas vom Musiker und Dirigenten Leonard Bernstein – wenn einen die musikalische Komponente ins Kino lockt, ist man bei TAR viel besser aufgehoben – sondern es geht hauptsächlich um die Beziehung zwischen Bernstein und seiner Frau Felicia. Wie wir jetzt alle wissen, war Bernstein bisexuell und hatte nebenbei Beziehungen zu Männern und das ist das Hauptthema des Films. Und eigentlich ist es , wie bei Prisicilla, oft auch ein Film über die Frau an der Seite von einem sehr berühmten Mann, wobei die Problemlage der beiden Ehen natürlich unterschiedlich gelagert ist. Und obwohl der Film Maestro heißt, gilt der erste Monolog in diesem Film Felicia, ebenso das letzte Bild, mit dem man dann das Kino verlässt.