almis personal blog

Der Kinoherbst

Apropos Bücherherbst, im fm4 Filmpodcast wurden die kommenden Filme der nächsten Monate besprochen und es wurde aber auch festgestellt, dass es dieses Jahr keinen eindeutigen Frontrunner für die Oscars gibt. Letztes Jahr war ja Oppenheimer quasi schon der universelle Gewinner. Aber so gut ich Oppenheimer auch fand, es ist auch mal spannend, wenn alles etwas unklarer ist.

Pia Reiser meinte dann, weil das Oscarrennen noch so offen ist, könnte es sein, dass sogar der Film Conclave von Edward Berger mitmischen könnte. Ein Film über eine Papstwahl, laut Reiser “ungefähr das uninteressanteste, was es überhaupt gibt”, weil nur Kardinäle, fast keine Frauen, Schauplatz Vatikan. Die Hauptrolle spielt hier Ralph Fiennes und Pia Reiser weiter: “Der schöne Ralph Fiennes. Eine Verschwendung von diesem wunderschönen Mann, in einem ur schiachen Kardinalkutten-Dings.” Harhar.

Einige Filme, die mich interessieren, habe ich eh schon anlässlich Venedig erwähnt. Aber es kommt noch so viel mehr. Unter anderem wird die Besessenheit von Essen nun durch die Besessenheit von Architektur abgelöst. Nicht nur in The Brutalist ein Thema, sondern auch in Megalopolis von Francis Ford Coppola, der sehr polarisierende Kritiken hatte, was ja auch interessant ist. The Substance ist der Comeback-Film von Demi Moore, der zwar horrorlastig ist, aber generell auch sehr innovativ sein soll. Anora, der Film von Sean Baker über eine Sexarbeiterin hat dieses Jahr die goldene Palme erhalten. Emilia Perez ist ein Musical über einen mexikanischen transsexuellen Drogenbaron (sic!!). Und auch The Outrun, mit der tollen Saoirse Ronan als trockene Alkohlikerin werde ich mir ansehen.

Natürlich muss man auch Gladiator 2 erwähnen. Nur: Ich mochte Gladiator nicht, ich bin auch kein großer Ridley Scott Fan und Denzel Washington spricht in diesem Film angeblich einen auffälligen New Yorker Akzent. Das erinnert mich daran, wie über Mel Gibsons The Passion of the Christ vor 20 Jahren im Stadtmagazin City geschrieben wurde: “Alle sprechen Latein, eine tote Sprache, die leider von lebenden Akzenten entstellt wird.” Das war so super formuliert, dass ich es mir bis heute gemerkt habe.

Der Bücherherbst

Dieser September bringt einige sehr bemerkenswerte Buch-Neuerscheinungen mit sich (unbezahlte Werbung!).

Da wäre zunächst mal Mein drittes Leben von Daniela Krien. Krien kenne ich durch eine persönliche Empfehlung der Buchhändlerin von der Buchhandlung am Spitz. Ich habe einmal zwei Bücher bei ihr gekauft Once upon a time in Hollywood von Quentin Tarantino und Die Nachricht von Doris Knecht. Es war Coronazeit, wir hatten also Masken auf, sie sah nicht mal wirklich mein Gesicht, aber sie meinte, ich solle warten, sie könne mir da noch ein Buch empfehlen. Und sie holte dann Der Brand von Daniela Krien und meinte, das wäre eine Beziehungsgeschichte, die mir sicher gefallen würde. Ich habe das Buch dann gekauft und tatsächlich war es das beste der drei Bücher, was mich bis heute verblüfft (alle drei Bücher waren gut). Insofern bin ich sehr gespannt auf diesen neuen Roman, auch wenn es eher alles andere als feelgood sein wird, es geht um den tragischen Todesfall eines Kindes und wie die Protagonistin damit weiterlebt.

Ein Buch, das mich ebenfalls anspricht ist Das Glühen im Dunkeln von Musiker und Journalist Christian Fuchs. Der Untertitel sehr pathetisch – wie er gestern selber sagte – Wie Filme mir das Leben retteten. Ich kenne Christian Fuchs vom fm4 Filmpodcast, den ich irrsinnig gerne höre und die meisten Folgen auch gleich mehrfach, beim Spazierengehen. Zwar teile ich eher die filmischen Vorlieben von seiner Co-Moderatorin Pia Reiser – ihr Hassgenre: Sci-Fi Western harhar – während Fuchs gerne doch auch Horror und Splatter und Terrence Malick mag, einen Regisseur, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann. Aber ich höre Fuchs gern zu, bei seinen Erklärungen und deshalb werde ich mir diese Betrachtung des Medium Films an sich zwischen zwei Buchdeckeln nicht entgehen lassen.

Außerdem erscheint ein Buch einer Autorin, von der ich ein echtes Fangirl bin und bisher jeden Roman gelesen habe, nämlich Sally Rooney. Es geht bei der jungen Irin immer irgendwie um Künstler, um Leute, die schreiben, schauspielen, Musik machen und die über alles mögliche nachdenken, vor allem über sich selbst und die Unmöglichkeit ihrer Beziehungen. Oft geht es auch um Geldmangel und Klassenunterschiede. Es geht um Menschen, die oft latent verloren in der Welt sind, manchmal dabei auch depressiv. Wenn man sowas mag, die Beschäftigung mit dem, was im Inneren von Menschen passiert, was sie lieben, woran sie glauben, was ihnen Angst macht etcetera, dann ist man bei Sally Rooney immer richtig. Ihr neuer Roman heißt Intermezzo und es geht um zwei ungleiche Brüder, die gerade ihren Vater verloren haben, und sich so wieder miteinander auseinander setzen müssen und die – man ahnt es – generell in ihrem Leben gerade nicht weiterwissen. Auf diesen Roman freue ich mich ganz besonders.

Die Lehren von Venedig

Im Moment laufen die Filmfestspiele in Venedig, auf Uncut kann man schon einige Reviews lesen. Dieses Jahr ist es sehr spannend, weil – zumindest für mich – sehr viel interessantes am Programm steht.

Beispielsweise der neue Film von Pedro Almodovar, The Room next door mit Tilda Swinton und Julianne Moore, sein erster Film auf Englisch gedreht; und auch ein neues Werk von Luca Guadagnino – Queer, wo Daniel Craig einen Homosexuellen spielen darf und die Kamera, wie man liest, nicht sooft “wegschwenkt” wie bei Call me by your name. Außerdem der dritte Teil der Pablo Larrain leidende Frauen-Serie, diesmal Maria mit Angelina Jolie als Callas. Auch Joker 2 – Folie a deux mit Joaquin Phoenix und Lady Gaga hat in Venedig Premiere. Einen Film, den ich mir allerdings eher nicht anschauen werde, weil ich beim ersten Teil nur etwa 20 Minuten geschafft habe, weil er mir wirklich viel zu bitter war.

Vielversprechend finde ich The Brutalist mit Adrien Brody; die Lebensgeschichte eines ungarischen Architekten, der in die USA auswandert und dessen (real existierendes) Vorbild nebenbei mal eine Michelangelo Statue zerstört hat – ich weiß nicht, ob sich der Filmtitel darauf bezieht, ob das überhaupt vorkommt, oder auf die architektonische Richtung, eventuell auch beides. Und jetzt schreibe ich etwas, was bald alle schreiben werden: Das ist vielleicht der Film, der Brody seine zweite Oscarnominierung einbringt und seinem extrem eigenartigen Karriereverlauf eine unverhoffte Wendung geben könnte.

Denn, wir erinnern uns, mit The Pianist, einem soliden Roman Polanski Film, in dem Brody aber so unheimlich gut war, dass er damals mit 29 Jahren der jüngste Oscarpreisträger in der Kategorie männliche Hauptrolle wurde – neben ihm waren Jack Nicholson, Michael Caine, Daniel Day Lewis und Nicolas Cage nominiert, I mean! Ich war echt begeistert von ihm in dieser Rolle eines jüdischen Musikers – und sein Vorname hat mir auch sehr gut gefallen. Nach diesem großen Erfolg wurde es komisch, bzw. Brody suchte sich Projekte aus, die zumindest im nachhinein betrachtet zu viele red flags enthielten; er drehte mit Peter Jackson King Kong, der eher wenig erfolgreiche Film nach Jacksons Hauptwerken Herr der Ringe; und er drehte The Village mit M. Night Shyamalan, dem auch eher weniger erfolgreichen Film nach dem Kultfilm The Sixth Sense. Dann wirkte Brody quasi komplett out of character in weiteren eher obskuren Horror- und Sci Fi B-Movies mit, bevor er dann in den letzten Jahren auf gute, aber kleine Rollen in Wes Andersons Euvre abonniert war.

Was er 20 Jahre nicht gemacht hat, war das, was ihn ursprünglich berühmt gemacht hat und was mich begeistert hat: Eine große, ernsthafte, dramatische Rolle so komplett auszufüllen, dass es alle wegbläst. Zumindest erhoffe ich mir das jetzt auch. Und falls es so sein wird, dann denkt an meine Worte! harhar.

Blink Twice, zwei

ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER! ACHTUNG SPOILER!

Zoe Kravitz wollte ihren Film ursprünglich Pussy Island nennen, einen Titel, den sie nicht durchgebracht hat, worüber sie eigentlich froh sein sollte, denn auch dieser Titel verrät im Grunde viel. So sympathisch Slater King auch erscheint – er erzählt gleich zu Anfang Frida recht freimütig, dass er an seinen Defiziten arbeitet, dass er in Therapie ist usw. – wir sollten uns eher daran orientieren, dass wir zu Anfang erfahren haben, dass er Probleme wegen Machtmissbrauch hatte und uns nicht von seiner Entschuldigung einlullen lassen. Auch wenn nie klar wird, was genau er getan hat. Natürlich spielt Kravitz hier auf Epstein Island an und an Figuren wie Harvey Weinstein, es ist ihr aber zugute zu halten, dass sie keinen schnarchigen Konzept-#metoo-Bewegungs-Film gemacht hat. In erster Linie will sie ganz offensichtlich unterhalten, in zweiter Linie hat dieser Film aber so viele Schichten, dass er eben doch anders ist als der herkömmliche 08/15 Blockbuster.

Denn wir haben gleich zu Anfang eine wunderschöne Aschenputtel Anspielung – ein Stöckel von Frida Schuh bricht ab und ihr “Prinz” eilt zur Hilfe. Wir haben pittorske Bilder: die stylische Inselwelt, kristallklares Wasser, idyllische Kerzenmeere, wunderbare Drinks und Speisen. Wir haben ein Spiel mit Farben: das gelbe Feuerzeug von Jess, das immer wieder hin und her geworfen wird und später noch eine weitere Bedeutungsebene gewinnt, die gelben Schlangen; die blutroten Blumen auf Kings Insel, blutrote Himbeeren, die blutroten Willkommensackerl, die weiße Kleidung von allen, die später auch blutrot – na lassen wir das. Harhar. Wir haben das Thema “Macht und Geld korrumpiert” – und das nicht nur in der offensichtlichen Weise, nämlich bezogen auf Slater selbst, sondern auch hier gibt es noch einige interessante Twists und wir haben einen super-eigenartigen Cast.

Der Cast besteht nämlich auf männlicher Seite vor allem aus 1990er Jahren has-beens, die da wären Christian Slater (Robin Hood, Interview mit einem Vampir), Kyle MacLachlan (Twin Peaks) und erinnert sich noch jemand an das kleine Kind aus Sixth Sense, Haley Joel Osment? Der hat jetzt einen Vollbart. Harhar. Die weibliche Hauptdarstellerin kannte ich noch nicht, aber hier trifft man auch wieder auf Adria Arjona, die gerade eben eine eher eindimensionale Rolle in Hit Man hatte und hier viel mehr zeigen kann, was tatsächlich in ihr steckt. Und wir haben Geena Davis – lange nicht gesehen und hier irgendwie ultra-schrullig.

Leichte Schwächen sehe ich bei den Dialogen, hier hätte es noch mehr Raum für Tiefgründigkeit und Charakterzeichnung sein können, aber das ist ein Debütfilm, auch ein quasi Drehbuch-Debüt. Kravitz ist ein Auteur, von der man hoffentlich noch viel mehr sehen wird. Insgesamt macht der Film, wie gesagt, viel Spaß trotz des argen Themas und hinterlässt einen damit, darüber zu grübeln, wie genau das alles Sinn ergibt, was man in den vergangenen 100 Minuten gesehen hat, und das ist mehr als man über die meisten Sommer-Blockbuster sagen kann.

Und eigentlich habe ich jetzt gar nicht so viel verraten wie ich verraten hätte können.

Blink Twice, eins

Ich kenne das schon, wenn ich dem Kind einen Film vorschlage, den wir uns gemeinsam im Kino anschauen könnten, dann kommt nie die Frage: “Worum geht es?” Oder “Wer spielt mit?”, sondern immer: “Ab wie vielen Jahren ist der?” Je höher die Altersgrenze angesetzt, desto besser natürlich. Harhar. Insofern war Blink Twice, der Debütfilm von Zoe Kravitz, ja, Tochter von Lenny) für ihn ein Deal, denn der ist ab 16 Jahre freigegeben (im Burgenland sogar erst ab 18, warum auch immer).

Wie öfters muss ich hier eine SPOILERWARNUNG setzen. Wenn man nichts über den Film erfahren will, sollte man sich aber auch den Trailer nicht anschauen, der viel verrät – ich habe ihn erst nach dem Film angesehen. Ich kann den Film jedenfalls empfehlen, das Kind auch; es ist ein erstaunliches unterhaltsames, auch ambitioniertes Debüt, wenn man Lust auf ein Sommer Popcorn-Movie hat.

Die Tagline: “Zweimal Blinzeln, wenn ich in Gefahr bin”, verrät uns aber trotzdem, dass das keine beschwingte Komödie ist, auch wenn sie wie eine beginnt. Disclaimer: Es ist aber auch kein Horrorfilm im klassischen Sinne, das sage ich gleich dazu, weil das ein Genre ist, das ich nicht besonders gerne mag, weil ich immer den Eindruck habe, es ist verschenktes Potential. Und weil es mir auch zu grauslich ist.

Die Ausgangslage: Die Kellnerin Frida (Naomie Ackie) himmelt aus der Ferne den Tech-Milliardär Slater King (Channing Tatum) an, der gerade öffentlich sehr charmant um Verzeihung für einen nicht näher definierten “Machtmissbrauch” in seinem Unternehmen bittet. Frida schleicht sich mit ihrer Freundin Jess (Alia Shawkat) an ihrem Feierabend zu der Charityveranstaltung von King und erregt seine Aufmerksamkeit in der Art und Weise, dass er sie und Jess einlädt, mit ihm und seinem Freundeskreis auf seine (sehr einsame) Insel zu fliegen. Jess ist skeptisch und zögerlich, aber Frida ist richtig euphorisch. Sie sagt sogar zu Kings Therapeuten, er solle zweimal blinzeln, sollten sie in Gefahr sein; dieser nimmt seine Brille ab, und tut es tatsächlich, aber Frida hält das für einen Scherz. Sie fliegen mit. Der Urlaub auf der Insel besteht aus: Am Pool liegen, sich nächtelang an diversen Substanzen berauschen und der schönen Seite des Leben zu fröhnen. Oder…?

Dieser Film ist zunächst mal eine eindringliche Warnung: Nicht mit Fremden mitgehen oder -fliegen! Die jüngere Filmgeschichte vermittelt uns auch immer wieder (siehe The Menu, siehe Triangle of Sadness): Wenn du mit einem Boot irgendwohin fährst und es zum Abendessen keine Speisekarte gibt, sondern der Koch dir irgendwelche Gaga Haute-Cuisine Gerichte aufzählt und vielleicht auch noch schildert, wie er diese zubereitet hat, dann nimm deine Beine in die Hand und renne! Anscheinend ist das eine Art neuer filmischer Trope für “Gefahr im Verzug”.

Auch ein schlechtes Zeichen für mich persönlich: auf der Insel werden alle weiß eingekleidet, als wären sie Mitglieder einer Sekte. Und schließlich (das kennen wir auch aus Shutter Island und Get Out): Wenn du irgendwo hinkommst, wo du noch nie warst und niemanden kennst, und das Personal schaut dich extrem komisch an, dann hat das einen triftigen Grund.

/ to be continued.

How to have Sex, zwei

SPOILERWARNUNG

Im zweiten Teil wird es düster. Plötzlich herrscht eine unheimliche Stille. Es ist früher Morgen, wir sehen eine menschenleere Straße voller Müll, die Spuren der letzten Nacht. Diese Szene könnte auch aus einem Horrorfilm sein, weil sie so bedrohlich wirkt, obwohl eigentlich nichts passiert. Etwas später ist Tara, die von ihren Freundinnen schon vermisst wird – von Em allerdings deutlich mehr als von Skye – auf dem Weg ins Hotel. Sie hat eine falsche Entscheidung getroffen. Bzw. trägt sie die Verantwortung für das, was geschehen ist? Wer trägt Verantwortung? Und jetzt wird der Film sehr vielschichtig interpretierbar, auch die transportierte Botschaft kann und wird jeder Zuseher anders beurteilen.

Was allerdings klar wird: Die mehr oder weniger unbeschweren Ferien sind entzaubert, die Oberflächlichkeit des eigenen Lebens oder vielmehr der Gruppendruck wird nur sehr kritisch betrachtet und stark hinterfragt. Auch die Bindung zu den Freundinnen, ihrem Charakter. Was man als Zuseher schon geahnt hat: Skye meint es nicht so gut mit Tara. Etwas, was vorher in kurzen Momenten nur angedeutet wurde – dem aufmerksamen Publikum aber nicht verborgen geblieben ist – manifestiert sich nun, wenn auch ebenfalls sehr subtil. Müsste man sich als Frau entscheiden, man sollte immer Em als Freundin wählen.

Mia McKenna-Bruce ist genial in ihrer Darstellung, denn geredet wird kaum über das, was geschehen ist. Das meiste spielt sich in ihrem Gesicht ab, in ihren Augen, den Gesten, der Art, wie sie sich bewegt. Der Wandel wird auch äußerlich vollzogen, als Tara alleine mit einem der Hotelnachbarn ist, der – vorher auch ein hedonistischer Partymensch – sich als erstaunlich integer und empathisch herausstellt. Sie zieht ihr enges Kleid aus, schlüpft in ein übergroßes Shirt, sie schminkt sich ab, der Schmuck wird weggelegt; schließlich schläft sie an seine Schulter gelehnt ein: die Party ist für lange Zeit vorbei.

Was soll man nun mitnehmen aus How to have Sex? Auf letterboxd habe ich gelesen, dass für manche User klar ist: So sind die Männer, deshalb hassen wir sie, etcetera. Aber ich hoffe nicht, dass uns das die Regisseurin vermitteln will, dazu ist alles auch viel zu ambivalent geschildert. Vielleicht möchte sie uns mitgeben, dass sie den Kampf kennt, als Jugendliche dazugehören zu wollen, dass es aber in erster Linie wichtig ist, zu entscheiden, was will ich wirklich selbst, wenn niemand zuschaut, was ist mir als Mensch, als Frau wichtig. Die Selbstermächtigung, authentisch zu sein, wenn man so sagen will.

Jedenfalls hat mir an How to have Sex genau das gefallen, dass es ein Film ist, der den Sehererwartungen zuwiderläuft und keine einfachen Lösungen anbietet.

How to have Sex, eins

Kürzlich habe ich den Film How to Have Sex von Molly Manning Walker nachgeholt, der in Cannes 2023 uraufgeführt wurde und dort den Un Certain Regard Award gewonnen hat. Ich habe ihn im Kino nicht angeschaut, weil ich ehrlich gesagt nichts damit anzufangen wusste. Ich habe in letzter Zeit nämlich ein paar Coming of Age Filme, die sich vor allem mit Party-machenden Jugendlichen beschäftigen – Booksmart und Bottoms – begonnen anzusehen, aber bald wieder abgebrochen. Let’s face it: Ich bin zu alt dafür. Meine Befürchtung war, dass How to have Sex ein ähnlich gelagerter Film ist, das ist er aber in keiner Weise.

MILDE SPOILERWARNUNG

How to Have Sex wirkt zwar, als wäre er eine typische Jugendliche-haben-Sex Komödie, doch erstens ist der Film absolut keine Komödie, und zweitens geht es nicht einmal wirklich um Sex. Zumindest wenn man Sex als etwas anderes empfindet als den rein mechanischen Akt. Die Freundinnen Tara (Mia McKenna-Bruce), Em (Enva Lewis) und Skye (Lara Peake) reisen von England nach Kreta, um dort sowas wie ein (ursprünglich amerikanisches) Spring-Break zu feiern. Während Skye und die lesbische Em schon Erfahrungen gesammelt haben, will Tara dort ihr erstes Mal erleben. Alle drei freuen sich auf “den besten Sommer ihres Lebens”, wozu auch Party und viel Alkohol gehört…

Bereits die erste Szene setzt die Segel für die Ambivalenz des Filmes. Die drei jungen Frauen wollen nachts im Meer baden, das haben sie sich wie das ultimative Auskosten der Freiheit vorgestellt, aber wie sie übereinstimmend feststellen: Das Meer ist eiskalt. Ihre Zigaretten werden nass. Überall an ihnen klebt Sand. Die drei kommen mit überzogenen Ideen und jede Menge Illusionen auf eine südliche Insel und sollten schon anhand des ersten Eindrucks erkennen und in weiterer Folge auch gewarnt sein: Idealvorstellung und Wirklichkeit liegen fast immer ganz schön weit auseinander.

Bald darauf hören wir I am the One and Only von Chesney Hawkes, die Mädels versuchen sich in Karaoke, und für einen Moment frage ich mich, ob der Film wohl in den 1990er Jahren spielen soll, denn ich erinnere mich daran, wie meine Freundin, die sehr gut singen konnte, das Lied früher auch gern gesungen hat als wir im Alter der Protagonistinnen waren. Aber schon werden die Smartphones gezückt – mit langen, hippen Ketten verziert – und wir sehen, der Film spielt doch in unserer Gegenwart. Gleichzeitig erinnert die Szene aber auch daran, dass die Art und Weise wie Jugendliche konzertiert “ausbrechen” wollen, sich über die Jahrzehnte zwar an aktuelle Technologien adaptiert, aber sonst anscheinend nicht großartig geändert hat. Zumindest empfindet es die Regisseurin wohl so.

Der Film besteht im Grunde genommen aus zwei Teilen. Der erste Teil ist für jeden, der keine 20 mehr ist, sehr anstrengend. Hektik, Lärm, Besäufnis, Übelkeit, aggressive Fröhlichkeit, zu wenig Schlaf, Geschrei, wieder Lärm etcetera. In fast dokumentarischem Stil gelingt es Manning Walker hier, die Atmosphäre eines durch und durch kommerzialisierten Feriendorfes, das von konsumorientierten jungen Menschen frequentiert wird, beklemmend anschaulich zu schildern. Alkohol, Zigaretten, Musik, Sex, Party – alles ist hier ist bedeutungslose Ware, zum reinen Gebrauch bereitstehend, ohne tieferen Sinn und im Grunde genommen auch ohne besonderes Genuss.

Der zweite Teil – nun ja, das schreibe ich morgen. Cliffhanger!

Marcello Magnifico

Ich glaube, das Metrokino hat meinen Blog gelesen! Zwar gibt es keine Fellini Retrospektive im engeren Sinn, aber es gibt dafür Marcello Magnifico100 Jahre Mastroianni. Eine Filmschau von 9. September bis 16. Oktober, die im Nonstop-Kinoabo enthalten ist, anlässlich des 100. Geburtstags des italienischen Schauspielers am 28. September. Unbezahlte Werbung, ich bin wirklich so begeistert.

Diese Retrospektive beinhaltet auch drei Fellini Filme, nämlich 8 1/2 (Hurra!), La Dolce Vita und Ginger und Fred, ein wohl sehr melancholisches Fellini-Spätwerk mit Fellinis Ehefrau Giulietta Masina, das ich aber auch noch nicht gesehen habe. Außerdem die Trennungserzählung La Notte von Michelangelo Antonino, Divorzio All Italiana (Scheidung auf Italienisch), wohl auch eine Trennungserzählung, dann u.a. noch Lo Straniero von Visconti und eine filmische 194 Minuten (!) lange Autobiografie Mastroiannis, namens Mi Ricordo, Si, Io Mi Ricordo (wir erinnern uns harhar, das heißt: “Ich erinnere mich”). Über drei Stunden ist zwar echt lang, aber interessant wäre es sicher, der Film wurde von Mastroiannis langjähriger Lebensgefährtin gestaltet.

Mastroianni gehört ja zu den Menschen, die alle paar Jahre völlig anders aussahen finde ich, aber in der Phase, als er gerade 8 1/2 drehte, nicht mehr jung, mit dieser Nerdbrille und den grauen Haare, da finde ich ihn attraktiver als die allermeisten anderen “Schauspielstars”, die einem da so einfallen mögen, weil er da sowas geheimnisvolles, subversives an sich hatte. Und, was ich gar nicht wusste, er hält den Record für Oscarnominierungen als bester Schauspieler, der in einer Fremsprache spricht, nämlich drei.

Alltagstauglich

Apropos alltagstaugliche Filmzitate: Eines der berühmtesten Filmzitate überhaupt ist vielleicht das aus Der weiße Hai, wo sich drei Männer per Boot auf die Jagd nach eben diesem Hai machen und als der Polizeibeamte den Hai das erste Mal entdeckt (eine tolle Szene, denn wir Zuseher sehen den Hai nicht, wer sehen nur seinen Blick) sagt er paralysiert-lakonisch zum Kapitän: “Sie werden ein größeres Boot brauchen.” Aber dieses Zitat kann man im Alltag ja eher schwer anwenden.

Es gibt allerdings noch ein paar Filmzitate, die in meinen persönlichen Sprachgebrauch übergegangen sind. Von Fight Club könnte man ja quasi jeden zweiten Satz übernehmen. Ein Film als Ettikettenschwindel, ums Kämpfen geht es ja nur peripher, vielmehr sind die Mono- und Dialoge über das Leben an sich brilliant.

Im Film treffen sich der Erzähler (Edward Norton) und Tyler Durden (Brad Pitt) im Flugzeug, reden miteinander und dann sagt der Erzähler zu Tyler, dieser sei wohl der interessanteste “portionierte Freund”, den er je gehabt hat. Tyler versteht nicht ganz und so erklärt ihm der Erzähler stolz seine Theorie, dass beim Reisen ja alles portioniert ist, die Seife, die Butter, das Cordon Bleu etc. Daraufhin fragt Tyler: “Funktioniert das gut für dich, so clever zu sein?” Der Erzähler antwortet: “Ja, sehr gut” Tyler: “Sehr schön, dann bleib dabei.” Super für den Alltagsgebrauch.

Auch gut, die Szene in Harry und Sally, als die beiden sich einige Jahre nach ihrem ersten Zusammentreffen wiedersehen. Harry sagt Sally, dass er sie bei ihrer ersten Begegnung gar nicht mochte. Sie wäre so verbissen gewesen und nun sei sie viel sanfter. Daraufhin sagt Sally, dass sie solche Kommentare hassen würde: “Es klingt wie ein Kompliment, aber in Wahrheit ist es eine Beleidigung.” Habe ich schon sehr oft verwendet.

Und schließlich der Satz, den Julia Roberts in Pretty Woman zu Richard Gere sagt, als er sie vom Hollywood Boulevard aufliest und mit ihr nach Beverly Hills fährt, aber mit der Schaltung des ausgeborgten Lotus nicht zurechtkommt: “Schönen Gruß vom Getriebe, der Gang ist drinnen.” Hab ich mir selbst oft gedacht, als ich noch Auto gefahren bin harhar.

High Fidelity

Letztens habe ich auch High Fidelity von Regisseur Stephen Frears wiedergesehen, das war für mich ein persönlicher Kultfilm im Jahr 2000.

Ich habe damals das Buch von Nick Hornby gelesen und das ist eine der Verfilmungen, die der Romanvorlage tatsächlich gerecht werden, obwohl mindestens zwei Dinge dagegen sprechen. Zum einen wurde die Handlung von London nach Chicago (!) verlegt (und das obwohl der Regisseur selbst aus Großbritannien stammt) und obwohl Cusack permanent die vierte Wand bricht und das Publikum direkt anspricht, was auch sehr leicht schiefgehen kann, denn normalerweise sagt man bei Filmen: Nicht erklären, zeigen. Aber High Fidelity ist eben ein Roman der quasi ein langer innerer Monolog ist und das setzt der Film erstaunlich gut um.

John Cusack spielt Rob Gordon, einen Mann Anfang 30, der ein Plattengeschäft besitzt und Musik über alles liebt. Aktuell hört er aber wieder einmal traurige Songs, weil er – auch wieder einmal – verlassen wurde. Er fragt dabei: “What came first, the music or the misery? Did I listen to pop music because I was miserable or was I miserable because I listened to pop music?” Diesmal hat sich Laura (Iben Hjlje) von ihm getrennt und weil ihn das mehr schmerzt als er zugeben will, denkt er über seine “Top 5-Trennungen” nach – so wie er sonst über seine “Top 5 Songs für einen Montagmorgen” nachdenkt, und versucht herauszufinden, wieso ihm keine langfristige Beziehung gelingen will….

Obwohl das eher deprimierend klingt, ist High Fidelity eine Komödie und zwar eine ziemlich lustige. Rob hat nämlich zwei Angestellte, den introvertrierten Dick (Todd Louiso) und Jack Black – als Barry – also das komplette Gegenteil. Die Streitgespräche im Laden sind super, so gut, dass ich eine Redewendung sogar in meinem allgemeinen Sprachgebrauch übernommen habe. Sie sprechen da über einen Song, den zwei Bands gecovert haben, Dick präferiert ein anderes Cover als Barry, Barry goutiert das überhaupt nicht und als Rob vermittelnd eingreift, sagt Barry den Satz: “Since when did this shop became a fascist regime?” – In der Synchro: “Seit wann ist hier der Faschismus ausgebrochen”. Der Satz ist wirklich vielseitig einsetzbar, ich verwende ihn regelmäßig, harhar

Sehr witzig ist auch, als Rob seine Ex-Freundin Charlie (Catherine Zeta-Jones) besucht, die für ihn immer eine Liga über ihm selbst gestanden hat. Zeta-Jones ist da absolut brilliant gecastet, weil sie so eine Aura hat, die genau das vermittelt. Bob hat sie für ihre Klugheit, ihren Witz, ihre Souverenität immer bewundert. Als er sie dann gut zehn Jahre später wiedersieht merkt er, dass sie eigentlich nur oberflächlich und egozentrisch ist. Und so lernt Rob durch sehr viel Selbstreflexion, was eine Beziehung tatsächlich ausmacht und was nicht.

Am Ende des Filmes performt Barry zur Überraschung von Rob, der in ihm nie einen erfolgreichen Musiker gesehen hat (während wir im Jahr 2024 natürlich alle wissen, dass Black super singt) Let’s get it on von Marvin Gaye. Genau an solchen leichtfüßigen, aber doch intelligenten Komödien, die in den 90er und 2000er Jahren noch fast am Fließband produziert wurden, mangelt es dem Kino in der Gegenwart sehr.