almis personal blog

Bozen und die Ungargasse

In meinem Buch Geboren in Bozen (Werbung in eigener Sache) habe ich mir damit schwergetan, die Stadt Bozen zu beschreiben. Nachdem ich jetzt wieder mal reingeschaut habe, war ich generell sehr überrascht, wie anders mein Stil damals war, wie kurz ich mich gefasst habe, es war tatsächlich ein eher knappes Protokoll. Damals hab ich noch nicht soviel gebloggt, harhar. Ich glaube, da habe ich mich doch sehr weiterentwickelt.

Es gibt ein paar Verweise, zum Beispiel auf die Pizzaschnitten dort, das Licht auf den Straßen wie auf einer typisch italienischen Piazza und auf den Sprachduktus. Ich habe festgestellt, dass man bei den Südtiroler Ärzten und Pflegern oft nicht wusste, ob sie deutsch oder italienisch “native” sind, auch die Nachnamen waren oft nicht hilfreich; sie sprachen manchmal beide Sprachen so, als wären es Fremdsprachen für sie, das fand ich total interessant.

Ich habe von den angelehnten Fahrrädern am Bahnhof geschrieben, die alle vor dem Schild standen auf dem darauf hingewiesen wurde, dass man hier keine Fahrräder anlehnen dürfe. Ich habe das Merkantilmuseum in der Silbergasse kurz geschildert, das Ortsschild der Stadt, das direkt in einem Weinberg steht, den Bahnsteig, wo ich fast lautlos geweint habe, mit nur kleinen Geräuschen, wie ein Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt. Ich habe geschrieben, dass Bozen für meine Zimmerkollegin anders fremd war als für mich, sie kannte die Stadt und hatte festgestellt, dass sie fremd ist, für mich war sie fremd im Sinne von “unbekannt”.

Und ja, in der Nacht nach der Geburt des Kindes habe ich über Bozen geschrieben: “Ich löschte das Licht und draußen war Bozen. Mild und ruhig und dunkel lag es vor meinem Fenster, als läge es auf der Lauer. Als würde es mich bewachen.”

In meinem neuen Text wird Wien natürlich auch eine gewisse Rolle spielen. Ich habe in den letzten Tagen Malina von Ingeborg Bachmann gelesen, wegen der Inspiration, wegen ihres “Ungargassenlandes” und oh mein Gott wie experimentell und unzugänglich ist dieser Roman phasenweise, ich bin froh, dass ich den auf der Uni nie analysieren musste.

Nicht unzugänglich aber ist der Einstieg, eben das Ungargassenland, über das Bachmann – sogar ein bisschen pointiert – schreibt:

Es gibt, und das ist leicht zu erraten, viel schönere Gassen in Wien, aber die kommen in anderen Bezirken vor, und es geht ihnen wie den zu schönen Frauen, die man sofort ansieht mit dem schuldigen Tribut, ohne je daran zu denken, sich mit ihnen einzulassen. Noch nie hat jemand behauptet, die Ungargasse sei schön, oder die Kreuzung Invalidenstraße-Ungargasse habe ihn bezaubert oder sprachlos gemacht. So will ich nicht erst anfangen, über meine Gasse, unsere Gasse unhaltbare Behauptungen aufzustellen, ich sollte vielmehr in mir nach meiner Verklammerung mit der Ungargasse suchen (…)

Ingeborg Bachmann: Malina, Seite 16.

Ja, so macht man das.

Oslo Stories: Liebe

Gestern habe ich nun den dritten Film der Oslo Stories gesehen, er heißt Liebe.

Im Mittelpunkt steht die pragmatische Ärztin Marianne (Andrea Bræin Hovig), in ihren 40ern, Single und kinderlos, die von ihrem Arbeitskollegen, dem sensiblen homosexuellen Krankenpfleger Tor (Tayo Cittadella Jacobsen), in die Welt des Datings – oder eher des “Cruisings” – was er am liebsten auf einer Fähre von Nessoden, einer vorgelagerten Insel, nach Oslo praktiziert, eingeweiht wird. Marianne ist hochinteressiert, denn auch sie hat ein Thema mit “konventionellen” Beziehungen…

ACHTUNG SPOILER MÖGLICH

Bei der Recherche zu diesem Post, habe ich gerade festgestellt, dass Liebe zwar als erster Film angelaufen ist, tatsächlich aber der dritte Teil der Trilogie – nach Sehnsucht und Träume – ist. Und ich würde die Filme auch in dieser, ihrer ursprünglichen, Reihenfolge empfehlen wollen. Für mich ist Liebe der Teil, den ich tatsächlich am wenigsten stimmig finde. Das ist natürlich Jammern auf höherem Niveau, denn auch Liebe ist sehenswert, allerdings mangelt es ihm, meines Erachtens an Humor, der in den beiden anderen Teilen sehr präsent war und den ich gerade auch in Beziehungsfilmen sehr entlastend finde, und er ist mir auch thematisch zu unfokussiert.

Denn der eigentliche Sachverhalt, welche Beziehungsformen gibt es zwischen unverbindlichen sexuellen Begegnungen mit einer mehr oder weniger fremden Person und einer konventionellen, dauerhaften Paarverbindung, die Menschen “gewöhnlich” eingehen, wird mit dem irrsinnig schweren und komplexen Thema der Prostatakrebserkrankung (und ihren Folgen) verbunden; was ich in diesem Zusammenhang fast schon ein wenig moralisierend finde. Denn der unkonventionelle Tor verliebt sich in einen Patienten, und erstmals (?) tritt der körperliche Aspekt des Zusammenseins in den Hintergrund, weil er das zwangsläufig muss. Marianne wiederum trifft einen geschiedenen Mann, der Kinder hat und steht vor der Frage, wie viel Verantwortung sie, die prinzipiell gar lieber keine tragen möchte, zu übernehmen bereit wäre. Dazu kommt noch, anlässlich einer Feier der Stadt Oslo, etwas willkürlich das Thema Stadtverwaltung ins Spiel – Mariannes Freundin ist dort beschäftigt. Also…naja. Da hätte ich persönlich plottechnisch gerne etwas entrümpelt.

Was ich bei Liebe wieder sehr schön fand ist das Vermitteln von Stimmungen. Die Atmosphäre auf der Fähre bei der Überfahrt. Das abendliche Schwimmen vor der Insel Nessoden, obwohl es immer kalt wirkt in Oslo, es ist Sommer und es werden aber durchaus auch Pullover getragen. Eine Szene ist besonders interessant: Ein Datum wird eingeblendet, eine Augustsonntag-Nacht, es ist dunkel, wir sehen das Rathaus Oslo für ungefähr eine halbe Minute. Wir denken, ah es passiert sicher gleich irgendwas, aber: es passiert gar nichts. Schnitt. Neues Datum, neuer Tag. Einen Reim darauf kann man sich selbst machen.

Was alle Oslo Stories abseits der großen Themen, die sie besprechen, eint, ist die Figur des Bjorn, der in jedem Teil vorkommt – was mir ehrlich gesagt nicht aufgefallen wäre. In Sehnsucht ist er aber auch nur sehr kurz von hinten zu sehen. Alles in allem tolles norwegisches Kino, schön, diese Hauptstadt nach The Worst Person in the World wiederzusehen und noch näher kennenzulernen.

Frühstück bei mir: Andre Heller

Immer wenn es irgendwo eine Sendung, ein Interview mit Andre Heller anzuschauen oder hören gibt, dann verfolge ich das. Weil es für mich persönlich immer irrsinnig bereichernd und inspirierend ist, ihm zuzuhören. So auch letzte Woche in Frühstück bei mir. Heller sagt “Gnädige Frau” zu Claudia Stöckl, siezt sie und fragt sie, wie oft sie traurig ist.

Sie sprechen viel über Hellers Park ANIMA in Marokko. Pro Tag habe dieser etwa 500 Besucher, was auch so die Grenze ist, damit er nicht übervoll wird. Heller meint, die Leute gehen dorthin um sich “auszuzittern”, vielleicht zu weinen und auch wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Es haben ihm schon einige erzählt, dass sie im Park beschlossen haben, sich scheiden zu lassen oder den Beruf zu wechseln. Manche sagten ihm, sie seien beim Hinausgehen mutiger gewesen als ich beim Hineingehen. Heller begreift den Park als Ort der Heilung und eine Absage daran, sich selbst zu belügen.

Sich selbst belügen, das sei auch ihm nicht fremd; in jungen Jahren habe ihm ein Darmverschluss aufgrund seiner zeitweiligen Drogenabhängigkeit fast das Leben gekostet. Er sei er “ein rachitisches Knochenbouquet” gewesen, ohne Kraft, gleichzeitig aber auch größenwahnsinnig. Er beschreibt sich als “frech, gemein und unverschämt” zu sehr vielen Menschen. Er habe dann gemerkt, dass er sich ändern müsse. Überhaupt sei sein ganzes Leben bestimmt vom Lernen und der Weiterentwicklung. Er meint: “Wenn etwas Schreckliches ins Leben kommt, muss man sich fragen – warum kommt das?” Nichts passiere grundlos. Niederlagen gäbe es für ihn aber nicht, nur Erfahrungen.

Besonders interessant habe ich gefunden, was er bereut, das seien vor allem seine Feuertheater in Lissabon und Berlin (1983 & 1984) gewesen. Aufgrund der angespannten budgetären Situation habe man die Show nicht proben können, sondern nur einmal aufführen. In Lissabon sei alles so eskaliert, dass er ein paar Stunden gefürchtet hätte, es wären dabei Menschen ums Leben gekommen. Ein Zuseher, der in Berlin dabei war, habe ihm am Wiener Graben einmal geohrfeigt, weil er so in Panik geraten sei. Dazu Heller: “Ich habe die Ohrfeige total verstanden, habe ihn umarmt und wir haben uns gegenseitig vergeben.”

Launig erzählt er dann noch, dass er ein “Rausgeher” sei, aus Filmen, die ihm nicht gefallen, aus Opern und Theaterstücken. “Warum soll ich da sitzen bleiben? Da ist es doch gescheiter, ich geh im Stadtpark spazieren.” Und wenn jemand seine Programme verlässt? “Dann weiß er hoffentlich warum.” Das habe er aber nur einmal beobachtet: “Vielleicht hat er aber Durchfall gehabt, das kann ja auch sein.” Er persönlich kaufe immer nur Ecksitzplätze und er arbeitet an einem Theater, das nur aus Ecksitzen besteht. Harhar, das wär was für mich. Generell sagt er viele Dinge ab. Er gehe nicht zu Einladungen, wo er weiß, sie werden ihm nicht guttun und er führe auch aus diesem Grund viele Gespräche nicht.

Zeit sei das Kostbarste, findet er. Jeden Abend prüfe er: “Habe ich meine Talente sorgfältig genug genützt? Habe ich mich aufgeplustert, um jemand zu imponieren?” Dann mache er noch eine Stunde etwas sinnvolles und gehe mit einem guten Gefühl schlafen.

Wirklich ein sehr schönes Gespräch.

Literatur und Herkunft

Gestern habe ich es noch schnell ins Literaturmuseum mit freiem Eintritt geschafft.

Obwohl diese Aktion jetzt vorbei ist, kann ich die aktuelle Ausstellung Woher wir kommen. Literatur und Herkunft nur sehr empfehlen. Wie auch schon bei der Ingeborg Bachmann-Schau vor zwei Jahren ist das Thema ungeheuer interessant und auch umfangreich aufbereitet. Ich war fast eineinhalb Stunden dort und da war ich schon recht zügig unterwegs.

Ich, wie ich Christine Nöstlinger lausche – bei uns im Bau und nemau, Tia an Tia, lem Leid wia mia.

Das Thema Herkunft wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Sowohl auf die “Klassenzugehörigkeit” und die ökonomischen Möglichkeiten bezogen, wie auch auf die jeweilige Familiensituation/Konstellation, oder auch in Hinblick auf den kulturellen Background, einen etwaiger Migrationshintergrund bzw. Mehrsprachigkeit. Vorgestellt werden dabei verschiedende Autoren bzw. Autorinnen und ihre dazu passenden Texte (oft handschriftlich), wie auch Alltagsgegenstände und private Fotos, die das Thema illustrieren.

Mir gefällt das sehr gut, wie das Museum es schafft, auch visuell gewisse Stimmungen zu vermitteln:

Wir lesen, dass das Überwinden der eigenen Klassengrenzen ein Hauptthema bei der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux war. Wir lesen über die Südtiroler Autorin Anita Pichler, die über “die zwei Orte” reflektiert, zwei Sprachen, zwei Lebensweisen und wie sie diese Binärität auch in ihrem weiteren Leben immer wieder sucht. Wir erfahren natürlich über Ingeborg Bachmann und Klagenfurt, über Peter Handke und seine Rückkehr nach Griffen nach dem Suizid seiner Mutter. Die ganze Ausstellung dreht sich um die Pole: Ankommen, wegfahren, anderswo ankommen, zurückkehren. Herkunft wieder finden, von ihr fliehen.

Eine spannende Frage, die ich mir selbst tatsächlich so noch nie gestellt habe – also was den Ort betrifft

Es gibt auch sehr inkonventionelle Interpretationen von Herkunft. In einem Gedicht von Wilhelm Szabo heißt es: “Mein Vater der Regen, meine Mutter der Wind, ich bin des Nebels, des Graugewölks Kind. (…) Ich bin gebürtig aus jeglichem Land, entsprosse den Tundren, den Hainen, dem Sand.”

Lustig ist Ödon von Horvaths Kurzbeschreibung seines Lebens. Er schildert gewisse Ereignisse in Bezug zu seiner jeweiligen Körpergröße: “Mein Interesse für Kunst, insbesonders für die schöne Literatur, regte sich relativ spät, bei einer Höhe von 1,70 Meter. Mit 1,69 hatte ich mein erstes ausgesprochen sexuelles Erlebnis (…) Heute gehe ich nur mehr in die Breite, aber hierüber kann ich Ihnen noch nichts mitteilen, denn ich bin mir halt noch zu nah.”

Am Ende kann man noch über seine eigene Herkunft reflektieren:

Es gibt dann noch auf zwei Stöcken eine Dauerausstellung über die (österreichische) Literaturgeschichte, da war ich aber nur kurz, weil schon so voller Eindrücke. Ich werde sie mir mal separat ansehen.

Oslo Stories: Sehnsucht

Apropos Träume. Nachdem ich schon den 2. Teil der Oslo Trilogie, eben Träume gesehen habe, habe ich mir gestern Sehnsucht im Votivkino angesehen.

Zwei Rauchfangkehrer sitzen im Pausenraum ihres Unternehmens. Der namenlose Teamleiter (Thorbjorn Harr) erzählt dem namenlosen Arbeiter (Jan Gonnar Roise) von einem Traum, den er in der Nacht zuvor hatte. Daraufhin erzählt ihm der Arbeiter etwas sehr intimes und daraus entwickelt sich dann die Handlung harhar sorry, man kann kaum etwas zu diesem Film sagen, ohne zu spoilern. Wobei es bei diesem Film irgendwie egal ist, weil es nicht darum geht, was großartig verraten wird, sondern um die Gespräche, die sich daraus ergeben.

TROTZDEM AB HIER SPOILER

Im Traum des Teamleiters geht es darum, dass ihm David Bowie begegnet und ihn so ansieht, als wäre er, der Teamleiter, eine Frau. Im Erlebnis des Arbeiters geht es darum, dass ihn ein Kunde (männlich) gefragt hatte, ob er Sex mit ihm haben will und der Arbeiter hat dann eingewilligt. Beide Protagonisten sind heterosexuelle Männer in ihren 40-ern, schon lange verheiratet, mit Kindern im Teenageralter.

Das Schöne an diesem Film ist, obwohl er natürlich, wenn man so will, sehr queere Themen hat, von möglicher Bisexualität bis zu Geschlechtsdysphorie: er hat überhaupt keine Agenda. Das hat mich an Jaques Audiards Emilia Perez erinnert, auch wenn die Filme sonst gar nichts gemeinsam haben. Aber in beiden wird eine Geschichte erzählt, ohne irgendeine gesamtgesellschaftliche Diskussion anstoßen oder irgendjemand von irgendwas überzeugen zu wollen. Im Gegenteil, hier geht es ganz viel darum, selbst auzuloten, was eigentlich genau passiert ist, welche Gefühle man deswegen empfindet, ob sich diese Gefühle mit der bisherigen Lebensweise vereinbaren lassen und was eigentlich die eigenen Frauen so dazu sagen.

Obwohl der Falter geschrieben hat, das wäre der sperrigste Film der Trilogie, fand ich ihn, trotz der nicht ganz unproblematischen Thematik – die Frau des Arbeiters stürzt in eine schwere Krise – sowohl sehr poetisch, wie phasenweise auch extrem witzig. Speziell im Mittelteil gibt es einige Szenen, wo das ganze Publikum laut gelacht hat. Zum Beispiel die, als über Tattoos geredet wird und das Kind vom Abteilungsleiter seiner Ärztin erzählt, dass sich sein Lehrer “I love my familiy” auf den Arm tätowiert hätte. Diese daraufhin: “Oh, grausamer Phantomschmerz getarnt als Empathie” harhar. Schön fand ich, wie der Arbeiter dem Abteilungsleiter erzählt, dass seine Frau sich mit einer Freundin trifft, um mit ihr “die Situation” zu besprechen und, dass er Angst davor hat. Der Abteilungsleiter daraufhin: Was ist diese Freundin für ein Typ? Ist sie jemand, bei der die Welt größer wird, wenn man mit ihr redet oder bei der die Welt kleiner wird?” Finde ich einen total interessanten Gedanken. Der Arbeiter darauf: Bei ihr wird die Welt weder größer noch kleiner harhar.

Ich hätte es nicht erwartet, aber dieser Film ist ein kleines Highlight in diesem bisherigen Kinojahr, das für mich aus durchwegs eher so okayen Filmen bestanden hat. Mich haben sowohl die Gespräche, die so persönlich und voller tiefer Reflexionen sind, komplett abgeholt, wie auch die unspektakulären Alltagsbilder mit kleinen Details. Einmal schwenkt die Kamera etwa über den Herd der einen Familie, daneben steht ein Pfefferstreuer und ich denke mir so, wenn bei mir ein Pfefferstreuer neben dem Herd steht, dann ist meistens auch Pfeffer auf dem Herd verstreut (harhar), auch wenn das Kochen schon lange beendet worden ist. Und genau das sehen wir hier. Das gibt uns das Gefühl, dass wir wirklich einen Alltagsschauplatz beobachten und nicht nur ein Filmset.

Große Empfehlung jedenfalls. Zumindest wenn man “Laberfilme” mag. Jetzt muss ich mir Teil 3 (bzw. eigentlich Teil 1, Liebe) wohl auch noch ansehen.

Die Geschichten in uns, zwei

Diesen Sommer möchte ich ja endlich meinen Langtext fertigschreiben/redigieren; derzeit hat er 274 Seiten und 75.000 Wörter. Auch deshalb habe ich mir das, hier bereits kurz vorgestellte, Buch Die Geschichten in uns von Benedict Wells gekauft. Ich möchte hier immer wieder, quasi auch als Vorbereitung für mich, ein bisschen davon erzählen, wozu Wells Autoren rät und welche Tipps er für sie hat.

Ich bin ja schon auf Wells’ schwierige Familienverhältnisse eingegangen und die Art, wie er damit umgeht. Er erzählt davon, was ihm immer ein Trost ist: Telefonate bis tief in die Nacht (gut, das verstehe ich nicht harhar), Seinfeld (!) und Musik. Er zitiert Judith Holofernes von Wir sind Helden und den Song Kaputt – so fühlt Wells sich und so fühlt sich auch sein Leben an: “So viel kaputt, aber so vieles nicht, jede der Scherben spiegelt das Licht”. Erinnert auch ein bisschen an Leonard Cohen, der sang: “There’s a crack in everything, that’s how the light gets in.” Da ist dieses bewusste Wahrnehmen des Schönen (auch in Zerbrochenem), das es nun mal auch gibt; und deshalb hört Wells auch nicht auf zu schreiben.

Im Kapitel Werkzeuge bringt er uns alle mögliche Hilfsmittel näher, zunächst einmal die richtige Sprache zu wählen. Da musste ich irgendwie sofort an die Serie Braunschlag denken, die ich, als eine der wenigen Zuseherinnen, gar nicht mochte. Auch und vielleicht vor allem wegen ihrer Sprache. Weil in dieser Serie spricht jede Person, unabhängig von Background, Charakter und Bildungsniveau, absolut gleich in diesem strizzihaftem Pseudo-Niederösterreichisch. Ich habe ja die Vermutung, dass Schalko das so geschrieben hat, um der Serie einen hippen Sound zu geben, mich hat es aber komplett abgestoßen.

Wells bemerkt da etwas wichtiges, nämlich “(…) dass die Wahl der Sprache nicht uns und unserer Eitelkeit dienen soll, sondern der Geschichte und den Charakteren.” (S. 153) Er selbst schreibt mit Hard Land einen Roman über einen 17-jährigen, der auch so sprechen muss. Natürlich macht es Wells da ab und zu selbst Probleme, dass er sehr eloquente Gedanken streichen muss, weil ein Jugendlicher sich eben anders artikuliert. Das gelte auch für Situationsbeschreibungen – wenn etwas trauriges passiert, sollte man es sprachlich anders beschreiben, als wenn etwa eine Feier geschildert wird. Wells: “Im Idealfall klingen jede Figur und jede Geschichte verschieden – und nach sich selbst.” (S.153)

Noch schnell ein zweites Werkzeug, das “Schneiden” eines Textes. Wells lässt sich da vom Medium Film inspiriereny was mir ja sehr sympathisch ist. Er nennt es “nach vorne erzählen, nicht in die Breite.” (S.163) Das heißt, man sollte sich überlegen, ob jede Szene tatsächlich die Geschichte irgendwie voranbringt, oder ob man auch mal raffen kann, um Tempo hineinzubringen. Er hat selbst auch schon mal ganze 200 Seiten gestrichen und quasi in einem Satz zusammengefasst harhar, wobei mich das nicht so wundert, weil seine Romane sind generell ziemlich umfangreich.

Obwohl ich mich persönlich, denke ich, beim Schreiben eher “kurz fasse”, ist mir auch schon aufgefallen, dass manche Szenen einfach nicht funktionieren. Sie enthalten zwar Informationen, die wichtig sind, aber die Form stimmt nicht. Manchmal muss man dann wirklich gnadenlos streichen, zusammenfassen, einen zeitlichen Sprung einbauen etcetera. Aber das ist ja auch das, was das Schreiben für einen selbst so spannend und herausfordernd macht.

Casual Thursday

Gestern hatte ich ein bisschen einen ruhigeren Tag, weil das Wochenende wieder etwas arbeitsintensiver wird mit Skripten-Monatsdeadline, Review zu The Phoenician Scheme fertigschreiben und einem weiteren kurzfristig aufgetauchten Projekt.

Jedenfalls war ich mit L. im Hidden Kitchen (unbezahlte Werbung), diesmal zum Mittagessen und gegen eins ist dort richtig viel los. Und es war mit Abstand mein gesündestes Mittagessen dieser Woche. Es gab Zuchini Quiche mit Kichererbsen und Cashews, sowie dazu griechischen Salat und Karotten Tricolore mit Bröseltopfen, Minze und Multiseeds. Crazy diese Zusammenstellung, aber sehr schmackhaft.

Als Nachspeise habe ich mich für den Vanilla Buttermilk Cake mit Himbeeren und Jasmin Frosting entschieden, mhmm. Dazu Cappucino. Wir haben über den ESC, Bill und Tom Kaulitz, den Schulendspurt und noch vieles anderes gesprochen, danach sind wir wieder bis Wien Mitte zu Fuß gegangen, so nett!

Zuhause habe ich mit dem Kind geredet, der am Montag seine letzte Schularbeit in diesem Semester hat. Endlich, die 7. Klasse ist schon etwas zach. Ich so zu ihm, es wäre gut, würde er Note x kriegen, dann hätte er im Zeugnis xy (ich wahre die Privatsphäre harhar), er hat mich dann erinnert, dass ich selbst die 7. Klasse wiederholt habe, ich wusste, dass mir das irgendwann auf den Kopf fällt harhar. Ich so: “Wenn du so schlecht in der Schule wärst, wie ich es gewesen bin, würde ich auch überhaupt nicht auf diese Idee kommen” Harhar. Tatsächlich ist mir das Zeugnis eh egal, es geht mir nur ums Prinzip.

Am Abend habe ich dann wieder guilty pleasure-mäßig Germany’s Next Topmodell angeschaut, was gestern sehr amüsant war. Es gab nämlich ein Nacktshooting, für das die Modells Fake Tattoos bekommen haben. Und der Tattoo Artist meinte, sie müssten sich rasieren und zwar alles weg “vom Kinn abwärts”. Die Blicke der jungen Männer, göttlich, ich musste so lachen, allein am Sofa. Hab dann meiner Mama, die auch schaut, eine Whatsapp geschickt, weil ich so amüsiert war. Der Wiener Pierre meinte dann: “Wie kann es sein, dass ich am Arsch mehr Haarwuchs habe als im Gesicht”, harhar.

Mit diesen nachdenklichen Worte wünsche ich schon mal ein schönes Wochenende.

ESC 25 – unfassbar, zwei

Heute zwar früh ‘wach’ gewesen, aber nicht ausgeschlafen. Zuviel Adrenalin.

Ich wollte mir gestern Notizen zum Abend machen, habe aber nur genau eine Sache aufgeschrieben, nämlich, dass bei unserem ESC Event jemand gesagt hat, dass der italienische Song nach Urlaub klingt und jemand anderer drauf: Ja, aber wie der letzte Urlaubstag bevor man wieder heimfährt, harhar. Das war übrigens, glaub ich, die einzige Prognose, mit der ich letztendlich richtig gelegen bin, nämlich dass Italien besser sein wird als die Quoten vorhersagten, sogar am Ende Platz 5 für eine supersympathische, “kleine” Performance.

Na gut, was war sonst noch los? Hunziker war endlich da – eine Wohltat, nicht nur visuell (die Kleider meine ich!!). Sie hat im Greenroom mit dem italienischen Kandidaten gesprochen und die Deutschen interviewt. “Hallo Stefan” (Raab) hat sie gesagt, der saß neben Arbor und Tynna. Und dann so auf die Art, sie darf nicht zu parteiisch sein harhar. Celine Dion war hingegen nicht anwesend, obwohl am Nachmittag sehr viele Gerüchte gestreut wurden, sie wäre in Basel gelandet. Wer allerdings da war, war Nemo. Erstens, um seinen Siegersong vom vorigen Jahr noch einmal zu singen, fair enough, dann aber auch, um seinen neuen Song zu promoten, und sorry aber, das hat ja die Loreen Performance ihres Nachfolgesongs von Tattoo voriges Jahr noch um Längen getoppt an Skurrilität und Dings, wirklich extrem verstörend. Und warum Nemo in diesem Outfit auf die Bühne “darf”, während andere Künstlerinnen wegen Familienfreundlichkeit der Show ihre Kostüme ändern mussten, ist mir auch nicht vollends klar.

Dafür waren die Showacts sonst wirklich super – einerseits einige Schweizer ESC Kandidaten der letzten ja, 60 Jahre (Paola Felix, Luca Hänni etc), anderseits, besonders beliebt bei der Unter-25 Fraktion der Zuseher, zumindest in meinem Wohnzimmer, ein Mash Up der beiden Zweitplatzierten Kärija (Zweiter aus Finnland im Jahr 2023) und Baby Lasagna (Zweiter aus Kroatien im Jahr 2024). Sie haben, in einer Art Kampfring als Boxer stehend, ihre beiden Banger Cha Cha Cha bzw. Rim Tim Taga Tim performt, einzeln, dann durcheinander, das war schon sehr amüsant und mitreißend, ein richtiger ESC Moment, der wieder mal die Nationen schön geeint hat.

Bei den Kandidaten selbst entstand bei mir zumindest heuer der Eindruck, dass es wirklich sehr kurzweilig war. Recht wenig schiefe Töne, interessante Bühnenshows, “Comedy Acts” neben kleineren Indie Nummern, große Balladen neben Radiohits, quasi für jeden etwas dabei. Wie immer gabs Performances, die in den Semis besser gezündet haben als im großen Finale – bei Österreich wars Gott sei Dank umgekehrt. Natürlich spielt auch die Auftrittsreihenfolge eine gewisse Rolle. Und, wie auch immer, versteht man manches überhaupt nicht. Die Schweiz wurde zum Beispiel Jury-Zweiter, bekam vom Publikum aber exakt null Punkte. Schweden, bei den Wettquoten hochfavorisiert, wurde nur Publikums-Dritter. Und wieso bei Polen beim Schnelldurchlauf, wo alle Länder nochmal in einem kurzen Einspieler präsentiert werden, eine Stelle im Song gezeigt wird, in dem die Sängerin gar nicht singt, sondern nur an Ringen hängt, also das verstehe auch wer will.

Am Ende wars ein großer, verdienter Sieg von JJ. Oder wie das Kind sagte: Ganz objektiv gesprochen, er war der Beste. Harhar. Schön war, wie Conchita sich ehrlich gefreut hat (sah zumindest so aus harhar) wie die anderen Teilnehmer ihm gratuliert haben, es sind da schon Freundschaften entstanden, und dann bei seiner Performance mitgetanzt, das ist der Spirit von Eurovision. Und auch, dass jeder ESC Fan auch irgendwie alle Songs feiert, seine ganz persönlichen Favoriten hat, das hat immer schon etwas sehr verbindendes und das liebe ich an dem Bewerb.

P.S. Respekt für Marco Schreuder, der praktisch jedes Jahr den Sieger vorhersagt, so auch heuer.

P.P.S. Ich wurde gestern mit meinem obergescheiten Insiderwissen als “Heinz Prüller des Song Contests” bezeichnet und ich lasse das mal als Kompliment gelten, harhar.

ESC 25, Semi 2

So die erste Etappe ist geschafft:

Lange Zittern musste JJ nicht, die Freude ist auch auf diesem, vom mir erstklassig verwackelten Foto zu erkennen

Waren wir in Semifinale 1 noch alle überrascht, dass Portugal unvermutet weitergekommen ist, so kam man bei Semi 2 gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Speziell Litauen und Lettland waren meines Erachtens beides interessante Acts, die ich aber weder vom Song noch vom Staging her als besonders publikumswirksam empfand – und in den Semifinali gibt es ja keine Jurybeteiligung mehr. Die Bühnenshow von Lettland war im Prinzip der Schnürlvorhang von der Ikono Ausstellung. Harhar. Ein richtiger Schocker war das Ausscheiden von Tschechien. Kiss Kiss Goodbye war heuer sogar einer meiner persönlichen Favoriten. Marcel Stober von eurovision.de:

Ja mein Gott, das kann doch aber auch mal passieren in der Aufregung harhar. Jedenfalls ur schade, war in den Wettquoten auch in den Top 10 zuletzt.

Was war sonst noch so los? Deutschland. Puh, was soll ich sagen. Ich mag den Song sehr gerne. Auch das Staging war gut. Aber ihre Stimme ist halt schon ziemlich dünn und…ach ich weiß auch nicht. Frankreich entschied sich Bühnenshow-technisch für Sand, sehr viel Sand und ich kann sagen: Ja, nach drei Minuten haben wir alle kapiert, dass die Zeit sehr schnell verrinnt. Bei Israel hatte ich Angst, dass gleich jemand die Bühne stürmt. Das ist Gott sei Dank nicht passiert und wir sehen den Song auch nochmal im Finale. Tja und Finnland, also Andi Knoll hatte ziemlich Spaß damit, glaube ich. Ich komme (Songtitel) war ja der letzte Act gestern und Andi Knoll so: Und wer bis jetzt nicht gekommen ist, hat am Samstag nochmal die Chance dazu, harhar. Außerdem zu bemerken: Das Trickkleid ist zurück!

Der Intervall Act war diesmal eine schöne Idee und zwar hat man vier der “Lost Songs” aus 2020 auftreten lassen. Allerdings waren es mit Gjons Tears, The Roop et al Künstler, die 2021 eh auch nochmal aufgetreten sind, was ja nicht bei allen Ländern der Fall war, manche haben den Act ja geändert. Der Clou wäre hier natürlich gewesen, wenn man Island geholt hätte, die 2020 mit Thinking About Things ziemlich sicher in diesem Jahr gewonnen hätten; gut vielleicht hatte Dadi auch keine Zeit. Jedenfalls wars ein sehr stimmungsvolles Segment. Ganz am Ende hat Moderatorin Sandra Studer eher “random” Insieme von Toto Cutugno gesungen und hier merkt man, wie sehr der Song mit eben Cutugno verbunden war, no offense.

Nach diesem Semi traue ich mir, ehrlich gesagt, überhaupt keine Prognose mehr für Samstag zu. Ich dachte, dass Schweden, die im Finale ziemlich am Schluss drankommen, einen Vorteil haben, habe aber auch schon jede Menge anderer Verschwörungstheorien dazu gelesen. Österreich startet jedenfalls als Neunter. Und: Es werden tatsächlich insgesamt nur fünf Songs im Finale ausschließlich in englischer Sprache sein.

Ich freu mich jedenfalls sehr auf morgen.