almis personal blog

Gespräche mit Freunden

Jetzt habe ich Gespräche mit Freunden von Sally Rooney gelesen und ich bin hellauf begeistert.

Das Buch spielt großteils in Dublin und handelt von Frances, einer Literaturstudentin Anfang 20, die gemeinsam mit ihrer Freundin Bobbi – mit der sie früher zusammen war – als Poetry Slammerin auftritt. Im Zuge dessen lernen sie das Paar Melissa und Nick kennen. Sie ist eine arrivierte Journalistin, er Schauspieler, beide sind mehr als zehn Jahr älter. Es folgen mondäne Einladungen mit gutem Essen und viel Alkohol, intellektuellen Gesprächen und auch eine Menge an sexueller Anziehung. Die extravertierte Bobbi fühlt sich zu Melissa hingezogen, die reservierte Frances – “Frances ist bisexuell”, wie Bobbi einmal klarstellt – verliebt sich in Nick.

Der Roman ist das, was er vorgibt zu sein. Es geht um Gespräche mit Freunden, die Auseinandersetzung mit dem Leben, mit Arbeit und Berufung, mit Politik und Gesellschaft, vor allen Dingen aber mit Beziehungen. Das Mindset von Frances und ihrem Circle, was Partnerschaften angeht ist, dass Monogamie kein “sine qua non” ist. Auch in der Ehe ist sie das nicht. Also muss man fühlen und ausdefinieren, welche Art von Beziehung man mit wem führen will. Oder muss man das gar nicht? Lässt man geschehen, was passiert, ohne Bewertung und Einordnung? Um Fragen wie diese ringt der Roman. Und wie Frances nicht weiß, was sie mit ihrem Leben tun will, außer lesen und schreiben – oder wie sie einmal sagt: “Manchmal kam es mir so vor als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren”; so weiß sie auch nicht, was sie mit ihren Gefühlen machen will, wie sie diese bewerten soll, wo Freiheit aufhört und wo Eifersucht und eine Art Besitzdenken einsetzt.

Das alles ist so spannend und diese Welt so faszinierend, dass man eigentlich immer weiterlesen will, über Frances und ihre Freunde, was sie tun, was sie denken, alles ist mit einer enormen Liebe zum Detail und einer Liebe zum Witz beschrieben, dass es wirklich eine Freude ist. Etwa als Frances Middlemarch liest und beschreibt:

Das Cover zeigte eine traurig blickende Dame aus vikorianischer Zeit, die sich an irgendwelchen Blumen zu schaffen machte. Ich bezweifelte, dass vikorianische Frauen wirklich so oft Blumen anfassten, wie es die Kunst aus dieser Zeit nahelegte.

Zwischen Gespräche mit Freunden und Normale Menschen gibt es einige Parallelen: Geheimnisvolle Beziehungen, Sinnsuche, sexuelle Grenzerfahrungen, savoir-vivre in großzügigen Villen am Meer. Die Gespräche haben mich insgesamt noch eine Spur mehr beeindruckt. Und bald soll der dritte Roman von Sally Ronney erscheinen. Das sind großartige Neuigkeiten, bitte schnell!

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Was ist der Unterschied zwischen einem Kleinkind und einem Jugendlichen? Ein Kleinkind kann um 5.30 aufwachen, unausgeschlafen und grantig sein und sich dennoch strikt weigern, nochmal ein Auge zuzutun. Darunter müssen alle leiden. Mir tut jetzt noch jeder Knochen weh vor Schlafmangel, wenn ich dran denke. Ein Teenie hat um 8.55 eine kurze Videokonferenz, legt sich ins Bett und pennt eineinhalb Stunden bis zur nächsten. Faszinierend! Der Schlaf vor Mitternacht ist dafür allerdings sehr unpopulär geworden.

Ich war bei Thalia und habe mir meine vorbestellten und bezahlten Bücher aus dem Schließfach geholt, dazu muss man nur seine Abholnummer eingeben, dann öffnet sich wie von Geisterhand die Lade mit dem Buch. Ist schon sehr praktisch, quasi “kontaktlos” in Reinkultur. Und auch hier handelt es sich wieder nicht um bezahlte Werbung. Folgende Bücher habe ich erstanden, mit meinem eigenen hart verdienten Geld:

Auch ein Fall für #frauenlesen auf Twitter, merke ich gerade. Rachel Cusk und Danach hab ich schon fertig. Ich muss erst noch mehr drüber nachdenken, bevor ich mich hier näher dazu äußere, es ist auf eine sehr distanzierte Art und Weise geschrieben, dafür, dass es um ein so persönliches Thema wie Trennung geht, aber sprachlich hat es mich sehr angesprochen. Mehr dann ein andermal.

Normale Menschen, eins

Nachdem ich weniger Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen möchte, hab ich wieder mit dem Lesen angefangen.

Als Kind und Jugendliche habe ich Bücher geliebt. Ich habe viele Wochenend-Nachmittage im Bett verbracht und habe stundenlang gelesen und war in einer ganz andere Welt. Das hatte diverse Gründe. Dann habe ich Literatur studiert. Aber das Lesen ist mir mit den Jahren mehr und mehr abhanden gekommen. Oder es hat sich transformiert, ich habe andere Dinge gelesen. Teilweise, weil mir die Ruhe für Romane gefehlt hat, teilweise, weil ich eine sehr anspruchsvolle Leserin bin. Wenn ich nicht in die Sprache und Gedankenwelt des Autors kippe, lege ich das Buch ganz schnell wieder weg. Ich bin nicht der Typ der, weil er ein Buch angefangen hat, es um jeden Preis fertig liest, nein denn: wozu? Wem will ich damit etwas beweisen? Das ist ja kein Wettbewerb in Durchhaltefähigkeit.

Gerade würde ich also gerne wieder lesen und ich habe Glück. Wie schon geschrieben, habe ich mir Normale Menschen von Sally Rooney bestellt. Ich war anfangs skeptisch, was ich mit einer Coming of Age Liebesgeschichte anfangen soll. Nur um Missverständnisse auszuschließen: ich lese am liebsten Beziehungsgeschichten. Aber ich bin fast 45 Jahre alt. Ich interessiere mich eher für Beziehungsgeschichten von Leuten in meinem Alter. Oder zumindest ab 30. Denn ich hatte die Vorstellung, dass junge Menschen, die erst an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehen, noch wenig (Beziehungs)Erfahrungen haben, sie haben auch keine Narben, sie haben einfach sehr viele Dinge noch nicht erleben können, die Menschen später im Leben schon geprägt haben. Und die mich interessieren.

Und ja, Marianne und Conell, die Protagonisten in Normale Menschen sind jung und in gewissen Dingen unerfahren; dennoch ist ihre Geschichte von der ersten Seite an packend und tiefergehend. Und die Beobachtungsgabe von Rooney, ihre Fähigkeit, Stimmungen zu beschreiben ist faszinierend. Und für mich, die ich auch schreibe, auch sehr inspirierend.

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Vor Silvester durfte ich Irene in Irland zu einer ihrer legendären Wien-Erkundigungen begleiten. Jetzt ist sie (leider) wieder in Dublin.

Aber Ende des Jahres war sie noch in Floridsdorf und da war ich dabei, Corona-konformer Ausflug, nun auf ihrem Blog nachzulesen. Es war wirklich sehr interessant und nett, sie hat mir auch alle Infos zu den beiden Standorten vorgelesen. Sowohl die Wallfahrtskirche Klein Maria Taferl, als auch die Pfarrkirche Stammersdorf stehen unter Denkmalschutz.

Außerdem hab ich mir heute u.a. Normale Menschen von Sally Rooney bestellt. Weil mich L. darauf aufmerksam gemacht hat, dass es dazu eine Serie gibt. Und weil ich dieses Jahr wieder etwas aktiver werden möchte, in Sachen Kolumnentätigkeit für Uncut.

Noch einen schönen Feiertag!

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Der Frauenfragen Podcast hatte letzte Woche endlich Dirk Stermann zu Gast. Ich wusste, dass er Gast sein wird, weil er mit Host Mari Lang befreundet ist. Das Gespräch war dann auch ziemlich interessant, Stermann, Vater einer erwachsenen Tochter, hat vor vier Jahren noch einen Sohn bekommen, den er auch häufig alleine betreut, da er wegen Corona ja derzeit mehr daheim ist als seine Partnerin. Er hat etwas erstaunliches zum Thema Kinderhaben gesagt:

Die, die keine Kinder haben, können nicht begreifen wie das ist, wenn du Kinder hast. Darum ist es auch so sinnlos, Leuten ohne Kinder zu erzählen, was es bedeutet, ein Kind zu haben. die, die ein Kind haben, wissen alle wie das ist ein Kind zu haben. Die beiden Welten werden sich nie treffen.

Ich denke oder fürchte, dass das wirklich stimmt. Andererseits macht uns jede Erfahrung, die wir machen, reicher und “weiser” und wenn ich beispielsweise nie reise, dann verstehe ich auch vieles nicht, was ein Reisender erlebt. Wenn ich eine bestimmte Krankheit habe, werde ich Spezialist für eben diese Krankheit und gewinne eine Perspektive, die jemand anders eben nicht hat.

Apropos Erfahrung, die andere nicht machen, ich weiß wie es ist, ein Extremfrühchen bekommen zu haben und habe darüber ein Buch geschrieben und weil Weihnachten ist, gabs in einer Facebook Gruppe eine Buchverlosung, u.a. meines Buches Geboren in Bozen (falls noch wer ein Geschenk braucht harhar) und jemand hat mein Buch gewonnen und freut sich hoffentlich darüber.

Paul Celan. 100.

Heute wäre der 100. Geburtstag von Paul Celan – eigentlich Ancel, sein Name ist ein Anagram.

Ich habe auf der Uni ein thematisches Proseminar zu Paul Celan besucht, es hieß “Wahr spricht, wer Schatten spricht – Lyrik und Poetologie bei Paul Celan”. Und dann noch ein anderes Proseminar, das sich nicht nur um Celan drehte, aber auch einen Zitat aus einem seiner Gedicht im Titel hat: “Gelobt seist du Niemand – Psalmen im Zeitalter des Nihilismus.” Ja und genau deshalb hab ich Germanistik studiert, wegen dieser und ähnlicher abgedrehten Seminare. Ich hab auch den Briefwechsel zwischen Nelly Sachs und Paul Celan gelesen. Über ein Treffen mit ihr hat Celan das Gedicht Zürich, zum Storchen geschrieben.

Ja, jeder kennt die Todesfuge, sie wurde wahrlich genügend analysiert in den Gymnasien, aber Celan ist soviel mehr. Er ist schwer zu rezipieren, aber seine Lyrik ist unheimlich eindrucksvoll, auch wenn man ihn gar nicht zu verstehen versucht: seine Sprache ist mächtig und beklemmend zugleich. Und wunderschön-traurig.

Wie im Gedicht Sprich auch du.

Literatur-Nobelpreis

Mit dem Literatur-Nobelpreis verbinde ich lustige Erinnerungen.

2004 gewann Elfriede Jelinek den Nobelpreis, was damals noch via Zettel am Germanistikinstitut ausgehängt wurde. Ich hatte ein schönes Telefonat mit meinem Papa, den ich anrief, um ihn raten zu lassen, wer wohl den Preis gewonnen hatte. Und vor allem: um seine Reaktion zu hören. Denn ich wusste, wie er reagieren würde.

Er: “Na hoffentlich nicht der Handke.”

Ich: “Nein, DER nicht.”

Er: “Aber jemand aus Östrreich?”

Ich: “Ja.”

Er: “Oh mein Gott…”

Und weil er soviel Glück hat, hat dann bekanntermaßen Peter Handke letztes Jahr auch noch den Preis bekommen.

Heuer, bei der Verkündigung des Preises, wieder die alte Frage: Ist das noch Schwedisch oder war das schon der Name? Heuer aktueller denn je, denn als ich den Namen hörte, hab ich ihn zuerst mal falsch gegoogelt. Nämlich Klik. Tatsächlich heißt die Dame allerdings Louise Glück.

Jemand hat mal geschrieben, dass manche Literatur-Nobelpreisträger gleichsam aus der Welt gefallen sein (aka: niemand kennt sie) und das fand ich brilliant formuliert. Le Clezio etwa oder Tomas Tranströmer. Und ich denke, Louise Glück verdient dieses Prädikat auch. Denn:

Langsam langsam, nicht so schnell

Doris Knecht, das ist ja vielen vermutlich bekannt, ist Kolumnistin des Falter. Und Buchautorin. Ich liebe ihre Schreibstil, aber ich mag ihre Kolumnen viel lieber als die Belletristik. Weil ich denke, dass ihr die kurze, “alltägliche” Form mehr liegt als “the great austrian novel”.

In der Bücherei hab ich mir ihre Kolumnensammlung Langsam langsam, nicht so schnell, vom Leben unter Teenager, ausgeborgt. Wieder einmal geht es um ihre Zwillingstöchter, die Mimis, die langsam die Volksschule abschließen, und ins Gymnasium kommen und die Zeit danach. Das passt ja gut für mich, hab ich schließlich auch einen (fast) Teenie zuhause.

Als Mama erkennt man sich wieder, zum Beispiel in dieser Passage:

“Längst hat sich das familiäre Gute-Nacht-Kuss-Ritual umgedreht: Abends kommt der Nachwuchs ins Schlafzimmer und küsst die schon halbschlafende alte Mutter zur Nacht, um danach munter weiterzuteenagern bis ich weiß nicht wann. Keine Ahnung. Ich schlafe da schon längst”

Es ist sooo wahr. Ich mein, da gewöhnt man sich als Jung-Mama mühsam an, früh schlafen zu gehen, weil a) die Nacht eh dauernd unterbrochen wird und b) man mitunter dann trotzdem vor sechs aufstehen muss und dann plötzlich findet der Nachwuchs es unzumutbar, vor Mitternacht ins Bett zu müssen und ist am Morgen nicht aus selbigem zu bekommen.

Knecht schreibt aber nicht nur über die pubertierenden Mädels, sondern auch über sich selbst in einer neuen Rolle. Der Mann ist abhandengekommen, dafür gibt es jetzt ein Haus im Waldviertel, wo man die Wochenenden verbringt, selbst Gemüse anbaut und in den Himmel schaut. Sich fragt, was kommt noch alles und was kommt nicht mehr. Und was ist ok, wenn es nicht mehr kommt. Wie es einem halt so geht mit 40 plusplus.

Die Kolumnensammlung ist also wirklich empfehlenswert, etwas genauer hätte man vielleicht beim Lektorat sein können, und ein paar Dinge (wie zb. “wie letzte Woche hier im Falter zu lesen war” streichen). Aber sonst ideal für heißere und auch weniger heiße Sommertage.

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Wenn ich Urlaub zuhause will, gehe ich zb in die Bücherei. Das bringt mich komplett runter, eine zeitlang in den Regalen zu stöbern, Inhaltsangaben zu lesen, in die Romane rein zu schmökern und mich dann für ein paar Bücher zu entscheiden, die ich mit heim nehme.

In der Bücherei muss man sich beim Reingehen die Hände desinfizieren. Die Bücherei Weisselbad in Floridsdorf ist sehr großzügig und hat sogar einen kleinen Garten, es standen alle Türen offen und es war also gut durchgelüftet. Es war sehr wenig los, aber die meisten der Besucher trugen einen MNS, weshalb ich meinen dann auch verwendete. In der Bücherei gibt es keine Babyelfanten, sondern:

Ich bin eine sehr anspruchsvolle Leserin. Wenn ich mir ein Buch aussuche, dann informiere ich mich zuerst über den Inhalt. Sagt der mir zu, lese ich die ersten Zeilen eines Buches, und dann noch etwas aus der Mitte. Wenn mich der Schreibstil nicht anspricht, dann nehme ich das Buch nicht mit. Ich lese auch kein Buch fertig, das mich nicht packt. Am liebsten lese ich über menschliche Beziehungen, Partnerschaften, Familien-Konstallationen. Es muss nichts großartiges passieren, was die Handlung betrifft, es muss nur den richtigen Ton treffen.

Heute hab ich mir folgendes ausgesucht:

TDDL, drei

Der dritte Lesetag hat echt oarg begonnen. Ich saß quasi noch beim Kaffee am Sofa, da drehte Lydia Haider auf. Ein Wienerischer Text übers Hundevergiften (oder so) – ich muss ehrlich sagen, ich hab kaum etwas verstanden. Also akustisch schon, aber sonst wars sehr. Ich weiß es nicht. Jedenfalls gut zum Aufwachen, wenn man noch schläfrig war.

Laura Freudenthaler anschließend kam bei den Juroren sehr gut an. Das Kind taumelte aus seinem Zimmer und meinte: “Die ist so unmotiviert. Sie sollte mitreißender sein.” Und ich muss ihm da ein bisschen zustimmen. So richtig warm geworden bin ich mit dem Text nicht. Im Gegensatz zum nachfolgenden von Katja Schönherr. In ihrem Text ging es unter anderem darum, dass im Zoo ein Affe ein Schild hochhält, wegen dessen Text alle eskalieren, nur wird bis zum Ende nicht verraten, was auf dem Schild steht. Da musste ich an Pulp Fiction denken und den Koffer, wo niemand wusste, was drinnen war.

Der letzte Text von Meral Kureyshi hinterließ mich wieder mal eher ratlos. Aber ein Satz ist mir in guter Erinnerung geblieben, weil schön absurde Formulierung: “Er prallte in das Auto vor ihm, niemand wurde verletzt, nur der rote Mercedes hatte einen Totalschaden und mein Vater war tot.”

Jetzt muss ich überlegen für wen ich beim Publikumspreise abstimme. Meine Favoritinnen (kein Binnen I notwendig) dieses Jahr sind: Helga Schubert, Hanna Herbst und Katja Schönherr.