Auf den Film Der schlimmste Mensch der Welt bin ich schon irgenwann im Frühling aufmerksam geworden und wollte ihn mir eigentlich gleich Anfang Juni anschauen, als er in die Kinos kam. Das hab ich dann nicht gemacht #ausgründen, und so war es tatsächlich dann bereits Ende August, als ich ihn im Burg Kino gesehen habe. Burg Kino ok dachte ich, also mit Untertitel, kein Problem. Tatsächlich wurde mir dann erst im Kino bewusst, dass es Norwegisch mit englischen Untertiteln sein würde, ähm. Machte aber irgendwie gar keinen großen Unterschied.
Als ich damals den Trailer sah, erwartete ich: Einen junge, unabhängige, orientierungslose Frau – hier Julie, dargestellt von Renate Reinsve – stolpert durchs Leben, sowas was in den USA Greta Gerwig spielen würde, schon nachdenklich und differenziert, aber doch auch relativ easy going und flapsig. Dabei hatte ich natürlich vergessen, dass skandinavische Filme in der Regel eben nicht so locker flockig sind, sondern oft eine gewisse Schwere in sich tragen. Also ging ich etwas zu blauäugig und diesbezüglich unvorbereitet in den Film.
Der schlimmste Mensch der Welt – ein Titel, der neugierig macht. Denn darunter stellt man sich natürlich Adolf Hitler und sowas vor, oder – wenn wir schon in Norwegen sind und in der Gegenwart bleiben wollen – jemand wie Anders Breivik. Natürlich ist Julie nicht der schlimmste Mensch der Welt. Sie weiß nur nicht so genau, was sie mit ihrem Leben machen will und sie verletzt dadurch Menschen, die sie lieben. Ist das “schlimm”, zu sich zu stehen, seine Pläne zu ändern und dabei wenig Rücksicht zu nehmen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen? Der Film versucht gar nicht, diese Frage abschließend zu klären und das ist auch gut so. Viele solcher und ähnlicher Fragen können nicht einfach so beantwortet werden, weil die Welt, das Leben und die Menschen nicht so schwarz/weiß funktionieren, weil alles seinen Grund hat, so unlogisch und unbarmherzig es für Außenstehende auch immer erscheinen mag.
Renate Reinsve ist großartig als Julie und das muss sie auch sein, sonst wäre der Film nicht so gut, denn er ist ganz und gar auf sie zugeschnitten. Eingeteilt in verschiedene Kapitel (sowas mag ich), die interessante Namen haben (sowas mag ich noch mehr) und in sich die Möglichkeit eröffnen, mit verschiedenen Stilen zu spielen. Es gibt etwa ein Kapitel, wo für Julie und ihren Freund die Welt (oder zumindest Oslo) buchstäblich stehenbleibt, nur die beiden agieren noch, alles andere ist “eingefroren”, das ist wunderbar surreal und romantisch. Denn frisch verliebt fühlt es sich tatsächlich manchmal an, als würde die Welt rundherum bedeutungslos werden, und man sich als Paar in einer eigenen Blase befinden und nur diese zählt, zumindest für einige Stunden.
In diesem Film gibt es viele solcher origineller Ideen, intelligenter Dialoge und letztendlich auch ziemlich viel food for thought. Als ich das Kino verlassen habe, konnte ich schwer sagen, wie ich mich fühle. Sowas ist immer spannend.