almis personal blog

eine neue perspektive

adrian hat sich heute im laufstall das erste mal aus eigener kraft in den stand gezogen.

er ist total begeistert von seiner neuen fähigkeit, für die er schon seit tagen unermüdlich trainiert hat. er weiß genau, was ihm da gelungen ist. selbstständig sitzen kann er seit gut zwei wochen. es geht derzeit entwicklungsmäßig also schlag auf schlag.

in 5 tagen ist er korrigiert (das alter errechnet ab dem tatsächlichen geburtstermin) 10 monate alt.

i used to have a scene with him

in einigen wochen erscheint das neue the killers album. freu.

auf dem letzten, sawdust, coverten die killers romeo and juliet von den dire straits. ja, sakrileg und wie, aber es ist doch das 2. beste cover dieses songs, das man sich denken kann. das beste lieferte v., eine italienische bekannte von mir, die sich selbst auf der gitarre begleitete und einen wirklich hübschen italienischen akzent oben drauf packte. es war 1991, wir kamen gerade von einem ausflug zum caldonazzosee zurück und draußen schüttete es, als sie es sang. ihre kleine schwester f. kam dazu und tanzte. es war zauberhaft.

die killers habens aber auch nicht schlecht drauf. romeo und juliet, das ist ein völlig kitschfreies und darum umso berührenderes liebeslied. "a lovestruck romeo" singt: "you and me, babe, how about it?" und juliet ist eher die coole "he la, my boyfriend is back". da muss er sie schon erinnern: "when we made love you used to cry" und insistieren: "all i do is miss you and the way we used to be."

brandon flowers sagt, die dire straits wirken so, als wären sie aus der wüste (wie die killers selbst), "i cannot image the clouds of england hanging over their songs". das ist wahr. 

the drugs do not work, acht

nach der gelungenen operation kehrt so etwas wie normalität ein. 

wir haben lust auf kino und es wird ein ritual an den samstagabenden. zwei stunden abschalten. wir besuchen das deutsche kino in brixen oder das in bruneck. bruneck ist zwar etwas weiter entfernt, aber es ist schön, nachts über die recht verlassene bundesstraße zu fahren. einmal schneit es sogar. es ist schön, vom auto zum kino durch den schnee zu stapfen. die dame an der kinokasse ist auch schwanger. ihrem bauch nach zu schließen, hätten wir wohl ungefähr zur gleichen zeit termin gehabt, ende dezember/anfang jänner. das ist ein ganz eigenartiges gefühl. irgendwie habe ich den impuls, ihr zu sagen, dass ich auch schwanger bin, obwohl das seit einigen wochen ja nicht mehr der fall ist. aber oft fühlt es sich noch so an.

wir gehen regelmäßig zum eurospar nach bozen süd einkaufen. wir haben ein kleines lokal in der nähe des krankenhauses gefunden, wo wir mittags manchmal essen. wir sehen uns die leerstehende wohnung einer bekannten nahe der bozner altstadt an. ich spiele mit dem gedanken, nach bozen zu "übersiedeln" (dann würde ich mir jeden tag vier stunden fahrzeit ersparen), aber nach einer nacht gebe ich w.o. ich habe keinen fernseher und vor allem kein internet, kann mich mit niemandem austauschen. ich sitze abends um 19 uhr alleine in der wohnung, ich lese ein buch aus, dann ist es noch nicht mal mitternacht, es ist kühl, ich wickle mich in allen möglichen decken und schlafe schlecht. morgens dann wieder alleine, die besuchszeit beginnt erst gegen mittag. ich "flüchte" mit sack und pack.


"non dimenticare di larvarti le mani" – händewaschen nicht vergessen, intensivstation bozen oktober 2007

adrian wird derweil mit koffein behandelt. das ziel ist, ihn möglichst bald extubieren zu können. eine lange beatmungszeit hat verschiedene nachteile, einerseits kann ein zuviel an sauerstoff die augen schädigen und im schlimmsten fall zur erblindung führen, andererseits kann sich eine sogenannte "beatmungslunge" entwickeln. eine lange intubation kann auch später das schlucken erschweren, was schwierigkeiten beim essen und trinken machen kann.

es gibt gute tage und es gibt weniger gute tage. an guten tagen habe ich eine gewisse routine. das piepsen und klingeln der monitore ist nicht bedrohlich. das desinfizieren der hände und anziehen des mantels geht ruck-zuck. beschriften und abgeben der milchflaschen. dann halte adrians hand und plaudere ein bisschen mit der psycholgin. die sonne scheint herein, sonst tut sich nichts. die weniger guten tage haben immer etwas mit atemproblemen zu tun. adrian kriegt schlecht luft oder macht eine längere atempause, die schwestern kommen. es ist fallweise schwer mitanzusehen. manchmal ist schon die bloße berührung seines arms zuviel und er kommt aus dem gleichgewicht. ich merke dann wie ich versuche, mich gefühlsmäßig von ihm zu distanzieren. das fühlt sich natürlich falsch an und klappt auch nicht wirklich, ist aber manches mal einfach selbstschutz, um mit der situation umgehen zu können.

immer wieder bin ich beeindruckt von der menschlichkeit der krankenhausangestellten. die seelsorgerin spricht jede woche mit mir, ebenso wie die psychologin. ich kann ihnen zwar nicht sagen, wie es mir geht, das klappt nur bei ganz wenigen menschen, aber dennoch hilft es. die schwestern von der geburtshilfe-abteilung winken mir zu, wenn sie mich sehen. der schönste moment ist vielleicht, als meine hebamme, die auch meinen namen trägt, viele wochen nach der geburt auf die station kommt, mich hinter dem brutkasten nicht sieht, zu einem pfleger geht und fragt: "e come sta adrian?" (= und, wie gehts adrian?). darüber bin ich sehr gerührt.

peymann von a bis z

auf der frankfurter buchmesse wurde eine art peymann-bibel vorgestellt, peymann von a-z, peymann unter anderem in unzähligen zitaten. einige kostproben:

"das burgtheater war fest im griff der idiotischen lodenbrigaden und des dirndl mobs aus sievering und döbling."

"in österreich werden zuspitzungen und übertreibungen, die in der kunst geschehen, sehr leicht geglaubt, weil es ein verbreitetes gefühl gibt, dieses land sei ja ohnehin das pure kabarett. die österreicher haben einen theaterknall. die sind selber eine art daueroperette. sie sind durch das theater so stark verführbar, weil sie sich selber ständig als mitspieler empfunden. darum ist das land für jeden theatermenschen interessant."

"heutzutage tobt ein wettstreit um die ausgefallensten regieeinfälle, die den geplagten theaterkritiker aus seinem überdruss hochschrecken sollen. die blasen dann jede kleine begabung zum shootingstar auf, und der glaubt, er müsse sich jedes mal selbst überbieten. diese leute inszenieren dann innerhalb von zwei monaten das, wofür frühere regisseure ihr halbes leben brauchten: hamlet, beide faust-teile und als zugabe den lear."

"marcel reich-ranicki hat dem dichter handke empfohlen ‘sich möglichst schnell in die obhut eines sanatoriums zu begeben.’ die forderung nach psychiatrie ist nazi-sprache. (…) wenn es einen menschen gibt, der völlig unsensibel ist für die literatur, dann ist es reich-ranicki. wir haben den absoluten deppen zum literaturpapst ernannt."

bei aller polemik, überzeichnung, schielen nach provokation und skandal: das buch klingt nach perfekter unterhaltung.

buchstabensuppe

gestern brachte mich willkommen österreich dazu, über mögliche wörter des jahres nachzudenken.

stermann ist grissemanns lebensmensch. umgekehrt allerdings nicht. lebensmensch ist höchstwahrscheinlich jetzt schon eines der wörter des jahres in österreich. zwar erst seit gut zwei wochen in allen medien, aber dafür mit umso mehr getöse. oder doch "nebenwitwe"?

grissemann und stermann präsentieren interessante neue bücher für der frankfurter buchmesse. alexander van der bellen: nichtraucher in siebzig jahren. arabella kiesbauer: meine besten starmania moderationen von 2000-2008. (grissemann: "ein schmales bändchen"). und das beste – karel brückner: die frühen trainerjahre 1890-1895. ist "gesprochene übertragung" vielleicht das neue unwort des jahres? eine solche gesprochene übertragung wurde den zusehern beim match färör gegen österreich zugemutet. der orf bekam keine live-bilder und sendete so zwei stunden ein standbild des wenig spektakulären färör’schen fußballstadions. 

zum schluß: grissemann fragt, ob noch jemand weiß, wie der diesjährige nobelpreisträger heißt. oder, ob jemand anwesender schon einmal ein buch von ihm gelesen hat? nein. ok, reicht es schon, völlig unbekannt zu sein, um den größten literaturpreis der welt zu bekommen oder sollte man schon auch mal ein buch geschrieben haben? ist die redewendung des jahres vielleicht: die welt sucht einen autor? oder doch: "das ist eine wetterwarnung" oder vielleicht: "frag doch den inder"?

in der city

der herbst hat dem sommer wohl ein paar tage gestohlen. herrliches wetter in wien. 

deshalb waren wir sonntags mal wieder in der "stadt". als wiener geht man ja nicht ins kaffeehaus, sondern direkt zum starbucks gleich bei der oper. ok, wir wollten einen coffee to go und da bietet sich das an. und starbucks weckt nostalgische erinnerungen vor allem an seattle, wo es an praktisch jeder ecke eine filiale gibt. ein mittlerer starbucks cappuccino fährt koffeinmäßig ganz schön ein. in seattle haben wir im starbucks-rausch längere zeit einem mann zugehört, der uns irgendwas davon erzählt hat, dass ihm nur noch 40.000 dollar fehlen, um ein jusstudium zu beginnen. in wien bin ich unmittelbar vorm stephansdom (von der oper ungefähr zehn gehminuten entfernt) so high, dass ich unkontrolliert kichern muss.

dann gehts weiter. vor der aida beim schwedenplatz sitzen immer irgendelche promis. diesmal eine journalistin vom kurier. nun hat adrian durst und kriegt ein fläschen. im bermuda-dreieck haben sie das ma pitom zugesperrt. unser lokal früher. mit den kleinen glastischen und der ausschließlichen beleuchtung durch kerzen. da konnte man sowas wie "i’m still standing" von elton john zu pasta und cola hören. den kuchldragoner nebenan gibts gottseidank noch. vielleicht das schönste, wenn auch völlig unspektakuläre outdoor-lokal im sommers. man sitzt im schatten der ruprechtskirche und hat keinen ausblick auf irgendwas. aber es ist lau und gemütlich.

adrian schläft ein, wir gehen weiter, richtung hofburg, über den michaelerplatz und dann zum volksgarten. dort "erwerbe" ich meine sonntagszeitungen. auf jedem cover: haider. im volksgarten waren wir früher manchmal nach der uni oder zwischen zwei vorlesungen, man ist von dort auch im nu bei der nationalbibliothek. wir setzen uns unter einen baum und klaus maria brandauer, ganz in schwarz gekleidet, geht vorbei. ok, keine ahnung ob er es wirklich war. irgendwie wäre es ja fast zu kitschig, einen burgtheaterschauspieler gleich neben dem burgtheater zu treffen. genauso wie wir in uns london dauernd eingebildet haben, den bassist von suede an allen möglichen ecken der stadt zu sehen.

adrian wacht auf und grinst. es ist immer noch warm, es ist immer noch sonnig. und wien riecht heute trotzdem wie eine ganz andere stadt.

durchsagen

heute beim ikea, eine durchsage: 

"der fahrzeuglenker mit dem kennzeichen baden xyz wird gebeten, zu seinem fahrzeug zu kommen. er hat vergessen, die handbremse zu betätigen. das fahrzeug befindet sich…rollt derzeit äh…vom parkplatz…" ja da kann man natürlich keine exakte standortbestimmung geben, weil man ja nicht weiss, wie schnell der eigentümer läuft und wo demnach das auto gerade anzutreffen ist, wenn er es aus den irrgängen des ikea raus ins freie geschafft hat.

btw. assoziation skurille durchsagen, autos betreffend: bei den verkehrsmeldungen in deutschland, wenn man übers große deutsche eck fährt, fällt auf, dass sich immer irgendwelche dinge auf der fahrbahn befinden, die dort nicht zwangsläufig hingehören. ein kasten, mehrere schweinehälften (tiere, tot), kühe (tiere, lebendig) und in der weihnachtszeit sogar mal ein weihnachtsbaum. keine ahnung ob das immer zufall ist, wenn ich mal bayern drei höre, oder eh alltag.

the drugs do not work, sieben

…weiter gehts…

die operation wurde für donnerstag nachmittag angesetzt.

er würde erst donnerstag gegen mitternacht wieder in südtirol sein, also musste ich da alleine durch. nach all dem was in den vergangenen drei wochen passiert war, stellte die OP keinen angst- und verzweiflungsklimax dar. das war nicht möglich, wir waren ohnedies in einem ausnahmezustand. die OP war eine herausforderung, ja, aber als solche nur eine herausforderung unter vielen. und: die überlebensquote lag bei 90 prozent. adrians überlebensprognose vor der geburt waren 50 prozent.

der donnerstag war ein langer und anstrengender tag. ich fuhr um 10 von brixen weg. ich war um 12 im krankenhaus. ich sah nach adrian und dann ging ich in die mensa. anschließend aufs wc heulen. die anspannung musste irgendwie abgebaut werden und ich musste es hinter mich bringen. gegen halb drei uhr nachmittags wurde adrian aus seinem brutkasten in den transportbrutkasten verlegt. eine elendslange und sehr komplizierte prozedur, ich denke es dauerte fast eine dreiviertelstunde. ich sah durch die glasscheibe hindurch zu und konnte mir nicht vorstellen, dass der tag kommen würde, an dem adrian diese ganzen maschinen nicht mehr brauchte, um leben zu können. unser neonatolge kam vorbei und legte mir die hand auf die schulter. er war davon überzeugt, das alles gutgehen würde. 


intensivstation bozen, oktober 2007

dann OP vorbesprechung. der chirurg war aus verona und erklärte mir sehr freundlich, was bei der operation passieren würde. obwohl er gut deutsch sprach, rauschte das alles irgendwie an mir vorbei. jedenfalls hatte ich vertrauen zu ihm, er wirkte sehr ruhig und routiniert. OP start um vier. ich saß vor dem OP saal mit anderen menschen, die um freunde und verwandte bangten. das leid von anderen mitzubekommen, machte mir sehr zu schaffen. da erscheint einem das leben plötzlich so hart und schwierig und trist. und man weiß gar nicht mehr, wieso man irgendwann mal glücklich war und wie man wieder glücklich werden könnte.

um fünf war die OP zuende und es hatte keine komplikationen gegeben. der chirurg sagte es mir persönlich. für einen moment war die leichtigkeit zurück. aufatmen. durchatmen. zurück auf der station freuten sich alle. und ich war stolz auf adrian, wie tapfer er sich hielt, mit gerade mal einem kilogramm körpergewicht. er war sediert und ich blieb noch zwei stunden bei ihm, hielt seine hand. am bahnhof bozen versäumte ich dann meinen zug, der nächste würde erst um halb elf uhr nachts fahren. da das viertel abends nicht gerade gemütlich ist, fragte ich mich zum busbahnhof durch. im finsteren bus, aus dessen fenster ich nichts von der landschaft draußen erkennen konnte und mich nur an den ortstafeln orientierte, fühlte ich mich sowohl erleichtert als auch müde, hungrig, allein. 

gegen zehn uhr war ich zuhause. mein shirt war nass, da ich stundenlang nicht abgepumpt hatte. gegen halb 12 war er da und wir tranken tee. dann rief ich nochmal auf der station an. alles war ok. endlich schlafen. und auf keinen fall irgendwas träumen. 

good old favoriten

im falter gelesen: ein interview mit dem favoritner rapper nazar

er beklagt, dass der 10. bezirk leider auch nicht mehr das ist, was er einmal war – "der zehnte war immer der bezirk, in dem du gleich eine auf die fresse
bekommen hast, wenn du aus der u-bahn heraufgekommen bist und dich
deppert benommen hast.“

tja, auch ich als favoritnerin trauere oft den guten alten zeiten hinterher…