Nachdem ich mich gerade durch das Gesamtwerk von Patricia Highsmith lese, eine vorläufige Zwischenbilanz.
Patricia Highsmiths biografische Verortung ist ziemlich skurill. Sie wurde nämlich in Texas geboren und ist in der Schweiz gestorben. Das kam dadurch zustande, dass sie einen Großteil ihres Lebens in Europa verbrachte, das ihr mehr entsprach als die USA. Sie lebte längere Zeit in Italien, Frankreich, Großbritannien und eben der Schweiz. Sehr früh begann sie, sich für die menschliche Psyche zu interessieren. Vielleicht auch deshalb, weil ihre Mutter ihr erzählt hatte, dass sie ursprünglich versucht hatte, sie – Highsmith – abzutreiben, weil sie eben kein gewünschtes Kind war. Und sowas ist ja wirklich Grund genug. Sie las “The Human Mind”, das populärwissenschaftliche Werk des deutsch-amerikanischen Psychiaters Karl Menninger, der unter anderem über Kleptomanen, Pyromanen und Serienmörder dozierte. Highsmith war davon fasziniert.
Ihren Durchbruch schaffte Highsmith dadurch, dass gleich ihr erster Roman Strangers on a train von Alfred Hitchcock (!) verfilmt wurde. Nun sind ihre Werke aber keine Kriminalromane im eigentlichen Sinn. Bzw. befinden sie sich in einer Art Zwischenwelt. Für Literaten erscheinen ihre Texte zu “poppig” erzählt, für Fans von Kriminalromanen wiederum ist sind sie zu literarisch. Ich persönlich liebe ihre Art zu schreiben. Tatsächlich schreibt sie aber keine Whodunit’s sondern Whydunits, weil sie sich eben dafür interessiert, warum Menschen zu Tätern werden. Moralische Aspekte beschäftigen Highsmith dabei maximal peripher.
Manchmal passiert aber auch nichts dergleichen in den Romanen. Das bedeutet, wenn man ein Buch von Highsmith liest, kann es auch sein, dass überhaupt kein Mord geschieht oder nur nebenbei, als Andeutung. Oder als Unfall. Und das ist das eigentlich spannende. Wenn “nichts” passiert, ist es auch egal, es ist trotzdem ein Lesevergnügen, denn sicher ist, dass der Leser viel über den Charakter einer Figur erfahren wird und auch viel darüber, welche Kleidung sie trägt, was sie liest, welche Musik sie hört, was isst und trinkt, und wohin sie reist. Highsmiths’ Romane spielen häufig an den Orten, wo sie tatsächlich auch lebte oder wo sie hinreiste, und haben sehr viel Lokalkolorit. Selbst Salzburg ist dabei (Ripley Under Ground).
Ihr berühmtester Protagonist ist sicher Tom Ripley, über den ich in der letzten Zeit aus aktuellem Anlass öfters geschrieben habe. Nach The talented Mr. Ripley gab es noch vier weitere Romane mit ihm. Ich bin gerade beim dritten Roman und muss sagen, da braucht man schon eine ordentliche Suspension of Disbelieve dafür – ein Fachausdruck, den ich erst vor kurzem gelernt habe. Er besagt, dass man quasi seine eigene Logik außer Kraft setzen muss, um Dinge zu glauben, die dem rationalen Denken normalerweise widersprechen würde. Wenn man das nicht tut, dann kann man das Buch quasi nicht weiterlesen, weil es einem zu absurd erscheint. Das ist bei Ripley wirklich vonnöten, das muss ich schon sagen. Die Ripley Romane sind auch wesentlich “actionreicher” als viele andere ihrer Bücher. Aber er ist tatsächlich eine sehr faszinierende Figur.
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