almis personal blog

bachmannpreis coming up

wie mir gerade eben siedend heiß eingefallen ist: in einer woche starten wieder die alljährlichen "tage der deutschsprachigen literatur", also know as ingeborg bachmannpreis.

schade nur, dass burkhard spinnen diesmal nicht als juror dabei ist. der war immer so elegant, ausufernd und trotzdem letztendlich auf einen punkt zugespitzt pointiert. und er verwendete so subtil-vornehme ausdrücke wie "ihre erotische biografie". oder war das denis scheck? denis scheck, herausgeber u.a. eines werkes namens kleines mädchen mit komischen haaren, ergänzte spinnen kongenial. die beiden waren ein echtes dreamteam, in feinem zwirn. ach ja und nicht zu vergessen, elisabeth bronfen, meistens ganz in schwarz gekleidet, mit der sie ein bisschen schäkerten und die viel kluges und herzliches zu sagen hatte. ach war das schön.

kann es jetzt wirklich sein, dass ich teilen einer fernsehjury sentimental hinterher trauere?!

beim gusenbauer

gestern beim gusenbauer im rabenhof gewesen. übrigens nachfolgeprogramm von bei schüssels. achtung besucher in spe: mögliche programmspoiler werden folgen.

auf dem weg dorthin in der u-bahn einen hund beneidet, der ausgestreckt auf dem boden liegen durfte. wann, herr michael häupl, sorgen sie dafür, dass wir bei 30 grad plus mehr klimatisierte u-bahnen bekommen?

im kabarett dann auch prompt dem wiener bürgermeister begegnet – bzw. dessen marionette – der mit einem "sommerspritzer für männer" fürs donauinselfest "vorglüht", wo er die aktion "spiegeltrinken statt komasaufen" vorstellen will. rückschlüsse auf den umgang des wiener bürgermeisters mit alkohol möge der geneigte leser selbst ziehen. gusenbauer selbst grübelte über den titel seiner autobiografie. "vom sandkasten ins bundeskanzleramt und wieder zurück" war der aussichtsreichste.

ein jedenfalls gelungener kabarettabend in einem ordentlich klimatisierten zuschauerraum. und knapp an der peinlichkeit einer "freiwilligen" publikumsbeteiligung vorbeigeschrammt, wurde doch von der khg marionette eine frau aus der ersten reihe gesucht. hilfe. notiere: nie wieder irgendwo in die erste reihe setzen.

aller anfang ist wichtig

ich habe auf der uni mal ein seminar belegt, da ging es um romananfänge und -enden: "der erste und der letzte satz". klingt ungeheuer spannend, ist es auch, teilweise. man kann alles zerkauen, aber das ist ja das problem von jedem seminar.

jedenfalls rezitierte der professor immer wieder gerne "eduard – so nennen wir einen reichen baron im besten mannesalter" aus goethes wahlverwandschaften. die wahlverwandschaften waren, laut ihm, sowas wie beverly hills 90210. ja, die serie war damals gerade en vogue. immerhin war er nicht so weltabgewandt, dass er kein tv-gerät besaß, was von mir pluspunkte gab. manche professoren hatten keine ahnung davon, was im tv lief und hätten ihre finger eher in säure gebadet, als den einschaltknopf eines fernsehers zu bedienen. was eigentlich ziemlich kleinkariert ist.

worauf ich aber eigentlich hinaus will: ich möchte im kino ordentliche opening credits sehen. idealerweise filmtitel, zumindest die wichtigsten darsteller, drehbuch, regie. aber auf jedenfall musik und irgendetwas, das die den zuschauer auf den film einstimmt, die unterstreicht, wohin die reise gehen wird. ich will nicht über zehn minuten der handlung folgen und dauernd im hinterkopf haben müssen, wo denn das intro bleibt. manche filme steigen direkt ohne "heranführung" in die handlung ein, was ich für einen riesigen fehler halte. gute opening credits sind die halbe miete.

um diese these zu untermauern, einige beispiele:

lost highway (als david lynch noch kommerz gemacht hat, harhar) – beklemmendes entlangfahren an einer straße. gelbe, signalfarbene schrift, david bowie singt deranged. und jeder im saal kriegt angst. so soll es sein.

oder a clockwork orange: "there was me, this is alex, and my three droogs, that is pete, georgie and dim. and we sat in the korova milk bar, trying to make up our rassoodocks what to do with the evening. the korova milk bar sold milk plus – milk plus velocet or synthemesc or drencrom which is what we were drinking. this would sharpen you up and make you ready for a bit of the old ultra violence". noch größere angst. sehr gut.

auch fight club ist ein gutes beispiel. eine rasante fahrt durch den menschlichen körper, durch gehirnwindungen, untermalt von musik der dust brothers. hier wird genug adrenalin erzeugt, um startklar für den blitzartig einsetzenden plot zu sein.

ruhiger geht es bei den royal tenenbaums zu. die intro erzählt in groben züge die geschichte der familie voller genies – zu "hey jude" von den beatles. ein gutes beispiel dafür, wie man die vergangenen 25 jahre dem zuschauer näher bringt, ohne ihn zu langweilen oder dafür 40 minuten netto spielfilmzeit zu verbrauchen.

oder auch moulin rouge. ja ich weiß. aber hier stört der kitsch nicht. ehrlich! ich konnte mich jedenfalls nicht gegen den starken eindruck dieses filmes wehren. na jedenfalls passt auch hier die einführung in das setting – schwarz/weiß, sehr ästhetische eindrücke von paris, ein song, der die lage des protagonisten grob umreisst.

so macht man das zum beispiel.

ofenfrisches frühstück

heute um halb sieben nur sehr dickflüssige milch im kühlschrank. faul sein und keinen kaffee trinken oder sich einen ruck geben, und unfrisiert, ungeschminkt und kontaktlinsenlos zum bäcker? die lust auf kaffee siegt und die wahrscheinlichkeit, jemand bekannten zu treffen, ist eher gering.

eigentlich sollte man das ja öfter machen. es ist noch angenehm kühl in den häuserschluchten und so weit ist der anker ja wirklich nicht entfernt. wenn ich schon mal da bin, kaufe nicht nur milch, sondern auch überteuerten orangensaft und dazu pariserkipferl. daher gibt es zum frühstück nun auch butter und marmelade, fast wie im hotel. und dafür habe ich gerade mal 6 minuten gebraucht.

eigentlich könnte man das jeden tag machen, noch-warme backwaren kaufen und ofenfrisch frühstücken. doch wie es so ist, der innere schweinehund…das ist so wie mit dem vorsatz, alle passwörter, die man sich im internet anlegt, fein säuberlich zu notieren und jederzeit griffbereit zu haben, wenn man sie braucht. oder rechnungen immer an denselben platz zu hinterlegen, dort nämlich, wo man sie wiederfindet. aber das klappt auch irgendwie nie.

meinrad, ganz und der iffland ring

während meinen überlegungen zu claus peymann ist mir wieder eingefallen, dass in dessen amtszeit als burgtheaterdirektor im jahr 1996 der bekannte und in österreich überaus angesehene schauspieler josef meinrad verstarb. meinrad war träger des ifflandrings.

neben der trauer um meinrad war die stadt tagelang in atemloser spannung, wer nun als nächstes diese auszeichnung auf lebenszeit erhalten sollte, die per definitionem dem bedeutensten schauspieler deutscher sprache gebührt. es wurde spekuliert, dass meinrad eigentlich an oskar werner gedacht hatte, der allerdings bereits 1984 verstarb. nun wurden namen wie klaus maria brandauer oder otto schenk als favoriten genannt. die wiener rechneten mit einem burgschauspieler. oder zumindest einem österreicher. nicht schlecht staunte man, als nach meinrads begräbnis bekannt gegeben wurde, dass der schweizer mime bruno ganz den begehrten ring erhalten sollte.

und was zeigte man an diesem abend im orf, um bruno ganz einer breiteren öffentlichkeit vorzustellen? ausgerechnet der ignorant und der wahnsinnige, ein stück von thomas bernhard. ich fand das wahnsinnig aufregend und gleichzeitig enorm erheiternd. meinrad wurde von so vielen menschen in österreich geschätzt und respektiert, von denen doch ein sicher nicht ganz unerheblicher teil keinerlei verständnis für thomas bernhards werk aufbrachte. doch natürlich wollte nun niemand offen aussprechen, was sich wohl einige dachte: "wie um himmels willen ist meinrad gerade auf bruno ganz gekommen?"

beim näheren hinsehen stellt sich diese frage sicher nicht mehr. wie meinrad ist bruno ganz ein stiller, introvertierter künstler, der wenig aufsehen um sich macht. wie meinrad ist er sowohl ein erfolgreicher bühnendarsteller, wie auch in film und fernsehen zuhause. wie bei meinrad hat man auch bei ganz das gefühl, ein gewisses geheimnis um ihn herum zu spüren, einen teil seiner persönlichkeit nie ganz für sich lüften zu können. was machte ganz als er hörte, dass er den iffland ring bekommen sollte? er begann damit, in seiner wohnung staub zu saugen.

von banausen und sparkassenleitern

so, endlich komme ich dazu, ein bisschen über claus peymanns auftritt am vergangenen mittwoch im extrazimmer zu bloggen.

ich hätte nicht unbedingt gedacht, einmal mit hera lind einer meinung zu sein, aber ich kann mich ihrer einschätzung anschließen, wonach sie einen "kotzbrocken" erwartet und einen charmanten und äußerst sympathischen theaterdirektor kennengelernt hat. nach einer stunde mono – und vor allem dialog wurde mir auch klar, weshalb peymann sooft mißverstanden wird und laufend aneckt. hört man seine aussagen direkt aus seinem mund, mit der gewissen intonation und einem ironischen unterton und sieht man dabei sein augenzwinkern, verändert man als rezipient seinen blickwinkel. auf dem papier wirken seine statements oft hart und unerbittlich. "live" dagegen schelmisch und verspielt. rhetorisch brilliant ist er hier wie da.

peymann erklärt, weshalb berlin vielen theaterleute fad wird – die leute nehmen dort alles hin, sind sehr tolerant, was das theater anbelangt. in wien hat er es geliebt, die leute verblüffen und erschrecken zu können. den widerspruch zu erregen. banausen sind die kritiker hier wie dort (achtung, ironischer unterton ahead!): in berlin sind sie banausen, die ohne theater leben können. in wien dagegen banausen, die ohne theater nicht leben können. sehr gefährlich findet peymann ein theater der manager mit sparkassenleitermentalität, die zu nichts eine meinung haben. gutes theater findet unter kämpfen und schreiduellen statt, weshalb er auch nie eine therapie machen möchte: er möchte sich seinen wahnsinn nicht nehmen lassen.

auf die frage, weshalb er eigentlich nicht in die politik gegangen ist, antwortet peymann, dass die politik heutzutage nur aus kompromissen besteht. da wünscht man sich (achtung, ironischer unterton) die monarchie zurück, wo noch klare und eindeutige entscheidungen getroffen werden. er selbst ein diktator? eher nicht. und räumte dann, einen tag vor dem tod des ex-bundespräsidents waldheim, mit allen gerüchten zu dem damaligen "nackenkuss" auf. waldheim hätte ihn nicht wirklich in den nacken geküsst, er habe sich zu ihm gebeugt und wollte ihm etwas ins ohr flüstern, peymann hatte aber einen luftzug gespürt und ist reflexartig aufgestanden. so kam der unbeabsichtige "kuss" zustande.

eine sehr feine fernsehstunde.

wer ich wirklich bin

in meinem schädel wohnt ein tier, das trampelt alles kurz und klein
was ich mir vorgenommen hab, für einen lieben langen tag
wozu bewegen, ich weiß ja nicht wohin,
manchmal wüsst’ ich gern, wer ich wirklich bin

in meiner kehle wohnt ein tier, das frisst die klugen worte auf
die ich mir beigebogen hab, für einen lieben langen tag,
was soll ich sagen, wenn da keine worte sind,
manchmal wüsst’ ich gern, wer ich wirklich bin

in meinem herzen wohnt ein tier, das beisst die edle regung tot
die ich mir abgerungen hab, für einen lieben langen tag,
wozu gedanken, wenn die doch nur böse sind,
manchmal wüsst’ ich gern, wer ich wirklich bin

in meinen augen wohnt ein tier, das sieht mich immer hungrig an
als ob’s mich aufgehoben hat, für einen lieben langen tag
was soll werden, wenn es die oberhand gewinnt,
manchmal wüsst’ ich gern, wer ich wirklich bin

(element of crime, wer ich wirklich bin)

extrazimmer mit claus peymann

für alle, die orf empfangen können, ein programmtipp: heute um 23 uhr ist claus peymann im extrazimmer zu gast.

das extrazimmer schaue ich eigentlich mittlerweile ganz gerne (mal ein gutes format des neuen orf) – es ist dort entweder ein mann des öffentlichen interesses geladen, der sich einer gesprächsrunde von vier frauen stellt oder eine frau, die mit vier männern spricht. die fragesteller sind meistens journalisten, autoren, kabarettisten, jedenfalls leute, die medial halbwegs bekannt sind. letztes mal war der "frauenflüsterer" gabriel barylli zu gast, der nach 4 gescheiterten ehen immer noch an die liebe glaubt und wie immer einen beigen anzug trug.

nun ja, heute wird es möglicherweise weniger harmonisch zugehen, ist peymann doch dafür bekannt, sich nie ein blatt vor den mund zu nehmen und gerne ordentlich anzuecken, was erstaunlicherweise immer wieder und immer noch funktioniert. gerade vor einigen tagen erst kam es zum öffentlichen disput mit gert voss, als er über diesen sagte, er würde eine "mordspension" vom burgtheater kassieren. peymann besitzt also immer noch das potential, polemiken loszutreten und auch an sich ruhige künstler dazu zu bewegen, mal ordentlich zurück zu beißen.

und wer erinnert sich nicht mehr an den theaterskandal wiens 1988, als direktor peymann thomas bernhard damit beauftragt, ein stück anlässlich 100 jahre burgtheater wien zu schreiben, das gleichzeitig auf 1938 – den anschluss österreichs an deutschland – verweist. textfragmente von heldenplatz werden schon vor der uraufführung publik, zitate werden aus dem zusammenhang gerissen – etwa österreich bestehe aus sechseinhalb millionen debilen und tobsüchtigen. namhafte politiker jeden coleurs fordern die sofortige entfernung des stücks vom spielplan, diverse zeitungen des landes tun ebenfalls ihre entrüstung kund. wien hat also mal wieder seinen sturm im wasserglas und der beweis ist erbracht, dass ein theaterskandal auch – und vielleicht besser – ohne kenntnis des textes funktioniert. der rest ist geschichte: heldenplatz wird gegen alle proteste aufgeführt, peymann und bernhard erhalten 40 minuten abschlussapplaus.

claus peymann, der insgesamt 13 jahre am burgtheater bleibt, braucht den öffentlichen diskurs und liebt die provokation. deshalb sind interviews mit ihm – egal wie man zu seiner person stehen mag – immer interessant zu lesen und seine öffentlichen auftritte spannend zu verfolgen. so hoffentlich auch heute nacht.

dieses jahr am rathausplatz oder: keine fledermaus

das programm des diesjährigen filmfestivals am rathausplatz ist online und diesmal ist die fledermaus gar nicht dabei. schnüff.

ok, es gibt dafür manon mit anna netrebko, es gibt schwanensee und sogar paul anka. aber keine melancholischen septembersongs von kurt weill, die ich vor einigen jahren besucht habe. und keine fledermaus. schnüff. ok, das hatte ich schon erwähnt.

nicht, dass ich ein besonderer operettenkenner wäre, aber die fledermaus von johann strauss begleitet mich seit frühester kindheit. jedes jahr zu silvester war sie programm – und zwar die kultversion, eine otto schenk inszenierung von 1979, mit eberhard wächter – nebenbei wurde krenfleisch gekocht. silvester hatte bei uns familienintern fast mehr rituale zu bieten als weihnachten.

der erste akt führt die protagonisten in ihrem lebensumfeld ein und erklärt die ausgangssituation. der zweite akt spielt auf einem kostümfest und bietet dem jeweiligen dramaturg viel künstlerische freiheit, welches gesicht er der feiernden gesellschaft geben will – manchmal wird etwa die figur des prinzen orlovsky mit einer frau besetzt. der 3. akt beschließt die handlung im gefängnis. im 3. akt erscheint auch die figur des "frosch", gerichtsdiener, der keinen sangespart hat und deshalb oft von bekannten schauspielern verkörpert wird – berühmteste beispiele hans moser, josef meinrad, heinz rühmann, helmut lohner und eben auch otto schenk (der die ausgangs- mit der kastentür verwechselt: "herr direktor mir san eing’mauert"). dabei bleibt es dem darsteller überlassen, ob er die rolle etwa sehr clownesk, eher nachdenklich, sportlich, angeheitert, skurill oder exaltiert interpretieren will. der frosch ist – gerade aufgrund seiner improvisationsmöglichkeiten – eine besondere herausforderung für jeden darsteller, die fallhöhe ist allerdings nicht zu unterschätzen, da der 3. akt quasi von ihm getragen wird.

also dieses jahr wieder am rathausplatz. und keine fledermaus. schnüff.