almis personal blog

LIZVC 32

Gestern war ich aus, Abendessen in einem Gastgarten – schön lauschig und mild wars, aber nur drei Tische besetzt, in einem Garten, der ungefähr 20 Tische zu bieten hat. Einen Boom in der Gastro gibt es also nicht unbedingt.

Ähnlich dann um 22.30 Uhr in der Ubahn. Ich habe acht Minuten auf die Ubahn gewartet und am Bahnsteig war während dieser ganzen Zeit niemand, mitten in der Innenstadt:

Schön war es.

Neubeginn

Heute war Schulbeginn und ein paar Kinder von Freunden hatten heute ihren allerersten Schultag überhaupt. Leider war das Wetter ähnlich schlecht wie am ersten Schultag des Kindes vor fünf Jahren. Das heißt: Kräftiger Dauerregen über Stunden. Bei uns war heuer kein besonderer Schulbeginn. 2. Klasse Gymnasium ist recht unspektakulär.

Die Ferien sind irrsinnig schnell vergangen, vor allem der August. Wenn die Schule wieder anfängt, ist man ein bisschen wehmütig, weil der Alltag wieder beginnt und auch ein bisschen froh, weil der Alltag wieder beginnt.

Spätsommer ist meine liebste Zeit im Jahr, wenngleich (oder weil?) sie auch sehr bittersüß ist. Wenn es nicht gerade schüttet, sondern warm ist, dann riecht die Luft ganz besonders, wie sie im Hochsommer niemals riecht. Es mag noch dreißig Grad und mehr haben, aber man spürt, bald wird es wieder kühl und grau werden. Das gibt diesen Tagen einen besonderen Tiefgang. Und man macht Fotos, um sich später daran zu erinnern, wie unbeschwert man gerade war, wie leicht das Leben manchmal ist, und wie glücklich man selbst, wenn man nicht gerade über alles mögliche nachgrübelt.

Manchmal denke ich zu dieser Zeit an Südtirol, an die Tage bevor das Kind zur Welt kam. Auch das sind schöne und weniger schöne Gefühle – vor allem an die Angst, damals, die macht immer noch ein bisschen Angst. So eine ohnmächtige, hilflose, verzweifelte Angst.

Heute ging ich vom Supermarkt nachhause und mein Kind mit anderen Kindern hinterher und da dachte ich über das alles nach, und dann drehte ich mich um und ich hatte dabei ein viel kleineres Kind im Kopf und bin fast erschrocken, wie erwachsen er in diesem Moment gewirkt hat, bei diesem Beiläufigen nach hinten schauen. Als hätte ich ihn jetzt monatelang nicht gesehen. Und ich war sehr erleichtert darüber.

Auszeit

Diese Woche hab ich mich mit einer anderen Frau getroffen: genauso alt wie ich, ein Kind in meinem Alter, berufstätig und sie hat mir gesagt: “Ich war am Meer und habe mich in den Sand gesetzt und einfach aufs Wasser geschaut, zwanzig Minuten, eine halbe Stunde. Sonst hab ich nichts gemacht. Bis mein Vater gekommen ist und mich gefragt hat, ob alles in Ordnung ist. Und es war alles in Ordnung, ausgenommen die Tatsache, dass ich komplett leer war.”

Ich konnte sie so gut verstehen. Mein Kind war jetzt seit fast zwei Wochen auf Urlaub, ich hatte also “frei”, und ich kenne das Gefühl, einfach nur vor mich hinschauen zu wollen. Das ganze Schuljahr läuft irgendwie getaktet, sechs Uhr aufstehen, Frühstück machen, Kind im Zeitplan halten, Kind verlässt das Haus, Lohnarbeit, einkaufen gehen, Kind kommt wieder, Essen machen, Hausübungsbeaufsichtigung, Lernbeaufsichtigung, emotionale Befindlichkeiten des Kindes abholen, Schultasche neu packen, diversen Nachbarkindern und Freunden Türen öffnen, Türen wieder schließen, nochmal Lohnarbeit, Abendessen, Schlafengehen-Verhandlungen mit dem Kind, um 21.30 Uhr möchte man dann auch gleich schlafen. Fakultativ wird man nachts wegen Bauchweh, schlechtem Traum, Insekt im Zimmer, nicht schlafen können usw. geweckt, oder weil überall in der Wohnung das Licht brennt.

Es ist schon erholsam, und gleichzeitig ungewohnt, einfach mal gar nichts zu müssen, vor allem nicht dauernd dran zu denken, was alles zu bedenken ist. Mental Load nennt man das ja neudeutsch. Ja, die Gefahr ist da, sich dabei zu verlieren. Nur noch erschöpft zu sein, vom ganzen Organisieren und Funktionieren. Auch wenn es Jammern auf hohem Niveau ist.

Aber es ist wichtig, an sich zu denken, etwas für sich zu machen, sich selbst wieder zu spüren, als man selbst, einfach nur als Mensch, als Frau, mit seinen eigenen Emotionen und Befindlichkeiten, Wünschen, Sehnsüchten und Hoffnungen. Und zwar ohne ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben, gerade nichts anderes zu machen, als sich auf sich selbst zu konzentrieren. Ich konnte das jahrelang ziemlich schlecht. In der letzten Zeit gelingt mir das viel besser als früher. Und es bringt mir neue Lebensqualität.

Und es ist gut, mit anderen Frauen zu reden, und sich darüber auszutauschen.

Eine sexuelle Biografie

Auf fm4 hab ich zufällig eine Rezension zu Doris Anselm Roman Die Hautfreundin. Eine sexuelle Biografie gelesen. Und hab mir gedacht, das Buch muss ich haben.

Ich habe schon sehr lange kein Buch mehr gelesen. Weil mir die Ruhe dazu gefehlt hat. Weil meine eigenen Gedanken zu laut waren, mich abgelenkt haben, von dem, was mir ein Autor erzählen will. Frau Anselm hat es geschafft, meine Aufmerksamkeit nicht nur zu erregen, sondern auch zu halten. Ich habe Die Hautfreundin innerhalb von zwei Tagen ausgelesen.

Eine sexuelle Biografie – nun ja, das liest sich erstmal etwas verrucht. Was ist das, ein Porno zwischen zwei Buchdeckel? Nein, ganz und gar nicht. Obwohl es natürlich schon darum geht, dass die namenlose Protagonistin ihre erotische Biografie vor der*m geneigten Leser*in ausbreitet. Die Protagonistin lebt in keiner Beziehung, sondern hat wechselnde Partner, mit denen sie Sex hat. Aber es ist nicht nur anonymer, beiläufiger Sex, das wäre ja auch sehr langweilig zu lesen.

Es sind tatsächlich Begegnungen, die wenn auch nicht auf Liebe beruhen, dann zumindest auf einer gewissen – sexuellen – Verbindung, auf starker körperlicher Anziehung, auf der Lust, miteinander eine kleine Geschichte zu schreiben. Es ist sinnlich und teilweise auch explizit, manchmal aber auch voller schwer aufzulösender Umschreibungen, dass man gar nicht so genau weiß, was da nun im Detail passiert ist. Und das macht das Buch natürlich auch spannend und lässt viel Spielraum für eigene Fantasien.

Doris Anselm spricht eine betörende Sprache. Und sie findet Formulierungen, die weder harmlos-blumig sind, noch derb-explizit. Sie beobachtet ganz genau, wenn sie schreibt: “Kommen. Ich will kommen und ich will ihn kommen sehen. Ich will wissen, ob es verschiedene Orte sind, an die wir gelangen.” Oder: “Ich wand mich hilflos unter seiner Berührung, presste das Gesicht ins Kissen und stöhnte immer wieder, ein Stöhnen das mir völlig fremd war (…) unsagbar peinlich und so geil wie kein Geräusch, an das ich mich erinnere.”

Oder, etwas aus dem praktischen Leben, was wir, sind wir uns ehrlich in der einen oder anderen Form alle kennen, den Kopf verlieren und dabei doch noch irgendwie an mögliche Konsequenzen denken; und überlegen, wie weit man jetzt tatsächlich gehen will, wenn man sich zwingt, noch schnell einen klaren Gedanken zu fassen. Im Buch ist das Sex auf einem Parkplatz, auf den die Protagonistin nicht vorbereitet war (ergo keine Verhütungsmittel zur Hand sind): “Gut, vielleicht hätte man bei uns damit rechnen können. Rechnen müssen. Also rechne ich jetzt, ich verrechne alles Mögliche miteinaner, Zyklusphase, Risiko, Pauls mutmaßliche sexuelle Vorgeschichte und die Minuten, die uns bleiben, bevor das zu spät kommen auffällig wird.”

Anselm gibt ihrer Protagonistin eine selbstbestimmte, feministische Stimme, sie lässt sie ein erfülltes, üppiges Leben führen, ein Leben, dass Frauen vor einiger Zeit in der Art und Weise noch nicht hätten führen können, ohne zumindest schief angeschaut zu werden. Ihre Protagonistin darf nicht nur glücklich sein, sie darf geil sein und sie darf alles darüber erzählen, was sie möchte, wie sie es möchte – und wir LeserInnen sollen sehen und spüren, das es vollkommen in Ordnung so ist. Und, dass wir das selbst auch dürfen. Auch wenn es uns vielleicht nicht gelingt, so schöne Worte dafür zu finden.

The sky is the limit

Schuljahresende ist immer eine besondere Zeit. Aufregend, erleichternd, aber auch irgendwie melancholisch zwischendurch.

Als ich ein Kind war, ging ich immer direkt nach der Zeugnisverteilung zu meinen Großeltern – wo ich ohnehin die meiste Zeit meiner Kindheit verbrachte – und es gab immer Eiernockerl und Cola und Schokolade, und dann hab ich mich auf ihren Balkon gesetzt und gelesen. Einmal, als ich schon eine Jugendliche war, wollte mich eine Freundin am Zeugnistag zu einem Ausflug mitnehmen, ich habe aber abgelehnt, weil ich meinen Zeugnistag so begehen wollte wie immer. Ja, ich war ein fades Kind. Aber für mich war es wichtig. Und als sie mir nachher sagte, ich hätte was verpasst, weil Fiakerfahrt und pipapo, dachte ich: nein, hab ich nicht. Manchmal hab ich das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, auch wenn gar nichts großartiges passiert und wenn ein Schuljahr zuende ging, dann war der richtige Ort einfach immer bei meinen Großeltern.

Wenn man selbst ein Kind hat, wechselt die Perspektive, nicht unbedingt die Gefühle. 2014, beim Kindergartenabschied, haben die Kinder gesungen und getanzt und Absolventenhüte bekommen; wir haben der Pädagogin ein Fotobuch geschenkt und sie hat geweint, wie die meisten Mütter auch, sogar die, von denen ich es nicht gedacht hätte, nur ich nicht. Obwohl es schon sehr emotional war. Es war eine Zeit in meinem Leben, wo ich einfach nicht hätte weinen können und wollen. Und ich hab mir gedacht, wow bin ich stark, und vielleicht war ich das, vielleicht aber auch nicht.

2018, beim Volksschulabschied, war das ganz anders. Das letzte Volksschuljahr des Kindes war aus diversen Gründen eine große Herausforderung für mich, und in der Nacht vorm Zeugnis hab ich fast nicht geschlafen; ich hatte das Gefühl, ein riesiger Elefant sitzt auf meiner Brust und wartet nur darauf, endlich hinunter gestoßen zu werden. In der Schule war ich dann immer knapp vorm Tränenausbruch, weil ich auch viel Zeit mit der Klasse verbracht hatte, bei diversen Ausflügen und Veranstaltungen, aber das war nur ein Teil der Geschichte. In meinem Kopf herrschte ein derartiges Chaos, wie in einer Lade, in die man, in Erwartung eines Besuches, alles hineingeworfen hatte, was so draußen herumlag. Das anschließende Hinausgehen aus der Schule war wie der Beginn eines neuen Lebens, auch für mich. Es war ungewiss, aber auch befreiend.

Irgendwann, wenn das Kind maturiert, vielleicht in 7 Jahren, da wird alles wohl noch krasser, dann lässt man die Schule nochmal hinter sich und noch mehr, die Kindheit das Kindes, auf gewisse Weise, und selbst auch einen Lebensabschnitt, ohne zu wissen, was als nächstes auf eine zukommt. Vielleicht werde ich mich und mein Leben dann schon besser verstehen. Vielleicht aber auch nicht.

Juni-Endspurt.

Nach dem langen Pfingstwochenende ist es dem Kind und mir dann doch einigermaßen schwer gefallen, den Garten zu verlassen, um wieder der Verpflichtung Schule und Arbeit nachzukommen. Auch die Arbeit als EPU hatte nämlich eine Wochenend-Pause gemacht und das fühlte sich sehr erholsam an.

Denn man kann mit dem Kind im Pool sein und ihm zuschauen, was es einem alles zeigen will (und das ist recht viel). Man kann die Badehose, die das Kind aufs Dach (sic!) des Gartenhauses befördert hat, wie auch immer er es geschafft hat, mithilfe eines Sessels und eines Gartenrechens wieder hinunter fischen (wie ich das genau geschafft habe, weiß ich auch nicht, vor allem, ohne dabei vom Sessel zu fallen…). Man kann mit der Oma Aperol mit frischen Erdbeeren trinken und mit der Gartennachbarin plaudern. Man kann im Liegestuhl liegen und einfach mal nur in den Himmel schauen – zumindest solange, bis von irgendwo ein “Mamaaaaa” erschallt.

Dem Kind ist dankenswerter das Fußballspielen in der prallen Sonne mittlerweile auch zu heiß und so muss man es auch nicht, wie in diversen Sommern davor, über den Gartenzaun ins Nachbargrundstück heben, weil der Ball dorthin geflogen ist – ich würde das auch gar nicht mehr schaffen. Das Kind hat zwar nur 30 Kilo, was für sein Alter wenig ist, für meine Armmuskeln aber doch zuviel. Und dann steht man vorm Radio, weil die Oma findet einen Song so gut, weiß aber nicht wie der heißt. Und der Sohn will die Soundhound App aktivieren, aber es stellt sich raus, dass man selber die Soundhound App ist, denn der Song heißt zweifelsohne Space Oddity und ist von David Bowie – “The stars look very different today”. Soviel schaffe ich auch ohne Technik.

Und am Abend fährt man dann aus Liesing mit Bus und Ubahn rein ins urbane Leben und lässt Oma und Enkel alleine chillen. Und lebt ein bisschen nur für sich.

Trotzdem. Mein Leben. Drei

In der Erika Pluhar Doku gab es einen Ausschnitt aus dem Film Marmortische. Die Dialoge entstanden großteils aus dem Stehgreif. Es ist eine Beziehungsgeschichte, die Figuren, die Pluhar und Heller verkörpern, sind mit Freunden auf Urlaub in Portugal – und in der Krise. Pluhar sagt in der Doku zu Heller, in dem Film sei er “wirklich schön” gewesen und Heller daraufhin. “Und jetzt bin ich ein schiacher Hund oder was?” Harhar. Er ist echt witzig.

Hellers Figur in Marmorsteine sagt:

Es gibt Menschen, die haben einander ser lieb und wollen füreinander nur das Beste, die sind sehr bemüht und sorgfältig miteinander, und passen aber einfach nicht zusammen. Es geht nicht und es ist eine Glocke von Schrecklichkeit über ihnen, und es hat aber überhaupt niemand schuld. Es hat jeder das beste getan, was er tun konnte und es ist wie bei einem chemischen Versuch, wo zwei Stoffe nicht zueinander passen.

Das finde ich ganz enorm treffend beschrieben.

Später reden sie über Betrug, und Pluhar fragt ihn: “Sag hast du mich in allen Sommern beschissen oder nur das eine mal, wo ich euch so ein bissl draufgekommen bin?” Daraufhin sagt dann er:

Du hast so eine rührende Vorstellung von betrogen werden, wenn man mit jemandem schlaft, ist es betrogen werden, aber deine Gespräche mit anderen gelten nicht als Betrug. […] Was glaubst, wie oft Grenzen verraten werden, in Gesprächen oder mit einem Blick.

Später in der Doku sagt Pluhar, dass Heller und sie am meisten verbindet, dass er der Mensch war, der bei ihr war, als ihre Tochter Anna (von Udo Proksch) gestorben ist und mit ihr geweint hat und nicht geflüchtet ist. Und Heller sagt, dass die Hauptgrundlage seiner Liebe zu ihr die ist, dass er so einen Respekt hat, wie sie mit den zahlreichen Schrecklichkeiten, die ihr im Leben passiert sind, umgegangen ist.

Trotzdem. Mein Leben. Zwei.

Bei Erika Pluhar ist ja interessant, dass sie mit ziemlich Aufsehen erregenden Männern verheiratet bzw. zusammen war.

Zunächst war sie mit Udo Proksch verheiratet, mit dem sie auch eine Tochter hat – Anna, sie starb 1999 mit 37 Jahren an einem Asthmaanfall. Pluhar erzählte, dass sie für Proksch quasi die Zweit- oder Co-Frau war und er zu ihr meinte, sie wäre so eine starke Frau, da würde sie es schon aushalten, eine andere Frau “daneben” zu akzeptieren. Pluhar redete sich ein, das sie das konnte, tatsächlich litt sie aber sehr darunter. Wenn man das so hört, denkt man sich, wie geht das, so eine hübsche, kluge und begabte Frau und doch “reicht” sie einem Mann nicht. Sowas ist mir immer irgendwie ein Rätsel. Die beiden ließen sich dann – lange vor dem Fall Lucona – scheiden.

P.S. Als Anna Pluhar später ein schwarzes Kind adoptieren wollte, veranlasste Erika Pluhar, dass offiziell sie es adoptierte, damit der Bub den Namen Pluhar bekam. Pluhar meinte, es wäre für einen Schwarzen sowieso schon schwer, der Name Proksch dazu, das müsse dann auch nicht sein.

Nach Andre Heller war Pluhar mit Peter Vogel zusammen, das war ja ein riesiger Skandal, weil Heller mit Gertraud Jesserer, der Ehefrau von Peter Vogel zusammen kam und Pluhar eben mit ihm, ein klassischer Partnertausch und ein gefundenes Fressen für die österreichische (Klatsch)Presse. Leider war diese Beziehung – für Pluhar war es die große Liebe – auch nicht von Glück gesegnet. Relativ bald stellte sich heraus, dass Vogel schwerer Alkoholiker und Tabletten-süchtig war. Und, dass Pluhar nichts für ihn tun konnte. Eine Therapeutin sagte ihr, dass sie nur helfen könnte, wenn er selbst die Sucht besiegen will. Das passierte allerdings nicht: Vogel beging 1978 Suizid.

Trotzdem. Mein Leben.

Zu Erika Pluhars 80. Geburtstag bin ich zufällig in eine Doku namens Trotzdem. Mein Leben gestolpert, die im ORF ausgestrahlt wurde. Wobei stolpern ist das falsche Wort. Ich habe im Bett am Handy Im Zentrum geschaut, bin dabei eingeschlafen und wieder aufgewacht, als eben diese Doku lief. Sie hat mich sofort interessiert und ich schau sie jetzt etappenweise auf youtube weiter an, der ORF hat eh nur eine gekürzte Version ausgestrahlt.

Am besten gefällt mir ja, wie Erika Pluhar mit ihrem Ex-Ehemann Andre Heller zusammentrifft. Pluhar ist neun Jahre älter als er und sie waren von 1970 bis 1984 verheiratet, wenn auch viel kürzer zusammen. Heller sagt, sie war damals die begehrenswerteste Frau Wiens und er wollte sie natürlich irgendwie besitzen. Pluhar sagt, es war keine sehr gelungene Ehe, weil er zu jung war und noch die Welt erobern wollte und mindestens alle Frauen, die auf dieser Welt existieren.

Außerdem sagt Heller etwas sehr interessantes und sicher zutreffendes:

Das war unser zentrales Problem und das ist das zentrale Problem fast jeder gescheiterten Beziehung oder schwierigen Beziehung, dass man dem anderen immer vorwirft, dass er nicht so ist, wie man ihn haben will. Anstatt dass man sagt, so wie du bist, für das lieb ich dich. Alles andere ist ja keine Liebe. Alles andere ist besitzen wollen und dann noch zu den Bedingungen, die man vorschreibt.”

Und als er alte Filmaufnahmen von ihr sieht sagt er, er versteht retrospektiv, wieso sie damals zusammengekommen sind und:

Komischerweise hab ich das Gefühl, wir waren gar nicht so unglücklich, wie wir beide immer behauptet haben”

Harhar. Ein schönes Gespräch und man kann sich im Grunde nur wünschen, so gut freundschaftlich mit jemandem verbunden zu bleiben, wenn die Liebe und Ehe vorbei ist.

Jahresend-Gedanken

Heuer hab ich sehr wenig Filme gesehen, nicht im Kino und schon gar nicht im Fernsehen. Ich hab auch gar kein Buch gelesen, soweit ich mich erinnere. Obwohl Filme schauen und Bücher lesen eigentlich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Aber wenn der Kopf so voll ist mit Gedanken, dann kann man sich schwer auf Gedanken von anderen einstellen, man kann sich nicht in fremde Welten fallenlassen, wenn man gerade selbst versucht, in seiner eigenen Welt zurechtzukommen.

Geschrieben hab ich auch wenig, zumindest nichts zusammenhängendes, dafür unzählige whatsapps mit FreundInnen, über das was mich beschäftigt. Es ist interessant, welche Reaktionen ausgelöst werden, wenn man etwas vielleicht ungewöhnliches erzählt, es sagt ganz viel über den Menschen aus, am anderen Handy. Ich bin immer sehr froh, wenn jemand nicht bewertet, weil ich selber sehr dazu neige, mich oft und oft nicht gerade mit Wohlwollen zu bewerten. Und natürlich hab ich auch viel geredet, wahrscheinlich mehr als in anderen Jahren, jedenfalls waren es oft lange und intensive und ehrliche Gespräche. Ich bin jedem sehr dankbar, der mir zugehört hat.

Musik gehört hab ich dafür sehr viel, weil ich auch sehr viel gegangen bin, die obere alte Donau rauf und runter und wieder rauf, am liebsten bei kühlem Wetter und in Dunkelheit, und dabei manchmal weniger denken musste, und die Energien ins Gehen und ins Schauen gesteckt habe. Körperlich fühl ich mich ziemlich fit, durch das viele Gehen, harhar.

Vielleicht ist es komisch, mit 42 Jahren sich nochmal neu zu entdecken, vielleicht ist es aber auch gar nicht mal so ungewöhnlich. Auch wenn ich das Wort Midlife Crisis nicht in den Mund nehmen will, weil ich glaube die hatte ich schon mit Mitte 30 und das, was jetzt ist, ist was anderes, was Größeres und Bedeutenderes, vielleicht sowas wie das Häuten einer Schlange oder wenn ein Tier sein Winterfell verliert. Ich hoffe jedenfalls, dass ich nachher, wenn ich fertig bin mit Denken, nicht mehr so große Angst haben werde und vor allem nicht mehr sooft. Und, dass ich nicht mehr so sehr mit mir oder gegen mich kämpfen werde.

Und bevor (sich) jemand fragt: ja, es geht mir, trotz der vielen Gedanken, sehr gut sogar. Weil sich vieles gut anfühlt. Und sehr richtig.